Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Pflicht des Staates zur gleichmäßigen Förderung künstlerischen Schaffens. Besteuerung von Schallplattenumsätzen
Leitsatz (amtlich)
1.Es ist grundsätzlich dem Ermessen der gesetzgebenden Körperschaften überlassen, welche Verbände und Sachverständige bei einem Anhörungsverfahren („Hearing”) zu Wort kommen sollen.
2.Der Gleichheitssatz in Verbindung mit der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG verpflichtet den Staat nichts jede wirtschaftliche Förderungsmaßnahme oder steuerliche Begünstigung allen Bereichen künstlerischen Schaffens gleichermaßen zugute kommen zu lassen; er darf vielmehr eine sachgerechte Auswahl der einzelnen Medien und anderen Träger des Kulturlebens treffen, wobei für die Beurteilung der Förderungsbedürftigkeit auch wirtschafts- und finanzpolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden können.
3.Den §§ 4 und 12 Abs. 2 UStG 1967 (1973) ist keine Entscheidung des Gesetzgebers für eine prinzipielle umsatzsteuerliche Begünstigung des Kulturschaffens oder der (Massen-) Medien zu entnehmen.
4.Die Belastung des Schallplattenumsatzes mit dem vollen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG) beruht – trotz der steuerlichen Begünstigung oder Befreiung zahlreicher anderer Lieferungen und Leistungen des kulturellen Bereichs (§§ 4 und 12 Abs. 2 UStG) – auf sachbezogenen Erwägungen und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3; UStG §§ 4, 12
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Tatbestand
A
Die Verfassungsbeschwerden richten sich dagegen, daß der Umsatz von Schallplatten dem vollen Mehrwertsteuersatz unterliegt, während zahlreichen anderen Lieferungen und Leistungen im kulturellen Bereich teils Steuerermäßigung, teils Steuerbefreiung gewährt wird.
I.
§ 12 des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) vom 29. Mai 1967 (BGBl I S. 545) – UStG 1967 – bestimmte, soweit er hier einschlägig ist:
(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz zehn vom Hundert der Bemessungsgrundlage (§§ 10 und 11).
(2) Die Steuer ermäßigt sich auf fünf vom Hundert für
1. die Lieferungen, den Eigenverbrauch und die. Einfuhr der in der Anlage 1 bezeichneten Gegenstände …
2.– 6 …
7.
- … .
- die Leistungen der Theater, Orchester und Museen sowie die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer,
- die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen,
- die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz, ergeben,
- die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;
8.– 10 …
Durch das Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. (Mehrwertsteuer) vom 18. Oktober 1967 (BGBl I S. 991) wurden mit Wirkung vom 1. Juli 1968 die Steuersätze in § 12 Absatz 1 auf elf vom Hundert und in Absatz 2 auf fünfeinhalb vom Hundert erhöht. Im übrigen ist die Vorschrift in der jetzt geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1973 (BGBl I S. 1681) – UStG 1973 – unverändert geblieben.
Die in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG erwähnte Anlage 1 führt als Gegenstände, die dem Steuersatz von fünfeinhalb vom Hundert unterliegen, u.a. auf:
43. Waren des Buchhandels und Erzeugnisse des graphischen Gewerbes mit Ausnahme der Erzeugnisse, die auf Grund des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in der Fassung vom 29. April 1961 (BGBl I S. 498) in eine Liste aufgenommen sind, und zwar
- Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, auch in losen Bogen oder Blättern, auch antiquarisch (aus Nr. 49.01 und aus Nr. 99.06 des Zolltarifs),
- Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch mit Bildern (aus Nr. 49.02 des Zolltarifs),
- Bilderalben, Bilderbücher und Zeichen- oder Malbücher, broschiert, kartoniert oder gebunden, für Kinder (aus Nr. 49.03 des Zolltarifs),
- Noten, handgeschrieben oder gedruckt, mit oder ohne Bilder, auch gebunden (aus Nr. 49.04 des Zolltarifs),
- karthographische Erzeugnisse aller Art, einschließlich Wandkarten und topographische Pläne, gedruckt; gedruckte Erd- und Himmelsgloben (aus Nr. 49.05 des Zolltarifs),
- Briefmarken und dergleichen (z.B. Ganzsachen, vorphilatelistische Briefe, freigestempelte Briefumschläge) als Sammlungsstücke (aus Nr. 49.07 A und aus Nr. 99.04 des Zolltarifs).
47. Kunstgegenstände und Sammlungsstücke (Nr. 99.01 bis 99.03 und 99.05 des Zolltarifs).
Von der Mehrwertsteuer befreit sind nach § 4 UStG u.a. folgende Lieferungen und sonstige Leistungen:
20.
- die Umsätze der vom Bund, von den Ländern, den Gemeinden oder den Gemeindeverbänden geführten Theater, Orchester, Museen, botanischen Garten, zoologischen Gärten, Tierparks, Archive und Büchereien. Das gleiche gilt für die Umsätze der von anderen Unternehmern geführten Theater, Orchester, Museen, botanischen Gärten, zoologischen Gärten, Tierparks, Archive und Büchereien, wenn durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nachgewiesen wird, daß sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Museen im Sinne dieser Vorschrift sind wissenschaftliche Sammlungen, Kunstsammlungen sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst;
- die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer, wenn die Darbietungen von den unter Buchstabe a bezeichneten Theatern oder Orchestern erbracht werden;
22. die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Unkosten verwendet werden.
Danach unterliegt der Schallplattenumsatz der Besteuerung mit dem in § 12 Absatz 1 genannten Steuersatz von 11 % der Bemessungsgrundlage, da für ihn weder in § 12 Absatz 2 ein ermäßigter Steuersatz noch in § 4 eine Steuerbefreiung vorgesehen ist.
II.
Die Beschwerdeführerinnen stellen Schallplatten her. Mit ihren unmittelbar gegen das Umsatzsteuergesetz gerichteten Verfassungsbeschwerden rügen sie die Verletzung von Grundrechten, insbesondere ihrer Rechte aus Art. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG, da die Lieferung von Schallplatten mit einer Mehrwertsteuer in Höhe von 10 %, seit dem 1. Juli 1968 von 11 %, belastet werde statt mit einem Steuersatz von nur 5 % oder 5,5 %, der sonst allgemein für Lieferungen und Leistungen gelte, die durch Art. 5 GG geschützt seien.
Zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerden führen die Beschwerdeführerinnen aus:
1. Das Gesetzgebungsverfahren sei zu beanstanden; denn ihnen sei im Anhörungsverfahren vor dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages kein rechtliches Gehör gewährt worden. Auf die Bitte des Bundesverbandes der phonographischen Wirtschaft e. V. um Anhörung habe der Vorsitzende des Finanzausschusses geantwortet, daß es nicht möglich sei, alle interessierten Verbände anzuhören. Er stelle deshalb anheim, sich mit einem vor dem Ausschuß zu Wort kommenden Verband abzustimmen oder sich schriftlich zu der Frage zu äußern, ob die meisten Probleme gelöst seien, wenn im gesamten Kulturbereich allgemein ein Steuersatz von 5 % erhoben werde. Der Bundesverband habe diese Frage, schriftlich bejaht. Er habe annehmen dürfen, daß er angehört werde, falls der Finanzausschuß eine andere Regelung vorschlagen würde. Das sei jedoch nicht geschehen.
Selbst wenn man einen Anspruch auf rechtliches Gehör im Bereich der Legislative nicht allgemein bejahe, so hätten hier doch besondere Umstände vorgelegen, die eine Anhörung geboten hätten. Im Finanzausschuß habe sich nach Anhörung von 92 Wirtschafts- und Berufsverbänden eine endgültige Meinung gebildet, die im Plenum des Bundestages kaum noch habe geändert werden können. Es sei nicht auszuschließen, vielmehr in hohem Maße wahrscheinlich, daß es dem Bundesverband – wie zahlreichen anderen Verbänden – gelungen wäre, bei Anhörung durch den Finanzausschuß eine Steuerbegünstigung der Schallplatte zu erreichen.
2. Der Regelsteuersatz für Lieferungen und Leistungen im kulturellen Bereich betrage 5,5 %. Werde die Schallplatte demgegenüber mit dein doppelten Steuersatz von 11 % belastet, so verletze dies die Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG. Die Schallplatte sei als Aufzeichnung eine Schrift im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und zugleich Presse im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, weil darunter alle Massenvervielfältigungen geistigen Sinngehalts in stofflicher Verkörperung fielen. Der Inhalt einer Schallplatte könne wissenschaftlich, künstlerisch oder unterhaltend sein. In jedem Falle handele es sich dabei um eine durch Art. 5 GG geschützte Äußerung.
Die für die Demokratie konstitutiven Freiheitsrechte des Art. 5 Abs. 1 GG bildeten in ihrem Zusammenhang die Freiheit der Kommunikation, als deren Mittel die Massenmedien in besonderem Maße geschützt seien, weil sie für die Kommunikationsfreiheit unentbehrlich seien. Die Schallplatte gehöre ebenso wie Film und Buch (Taschenbuch) anerkanntermaßen zu den (verkörperten) Massenkommunikationsmitteln, wenn auch die Wirkungsgrade möglicherweise verschieden seien. Aus dieser allgemeinen Kommunikationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG folgten drei besondere Gleichheitssätze:
(1) Zwischen den mündlichen oder handschriftlichen Äußerungen einerseits und den mit Hilfe irgendeiner Technik vervielfältigten Äußerungen andererseits dürfe trotz des ungleich größeren Wirkungsgrades bei Zuhilfenahme der Technik rechtlich kein Unterschied gemacht werden.
(2) Es dürfe keine Unterscheidung daran geknüpft werden, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos sei.
(3) Zwischen den verschiedenen Medien, die dem geistigen Verkehr dienen, dürfe nicht differenziert werden.
Ein für die Lieferung von Schallplatten verdoppelter Steuersatz verstoße gegen jeden, insbesondere aber gegen den dritten der besonderen Gleichheitssätze, weil die Schallplatte anders behandelt werde als die übriger Presseerzeugnisse. Die angegriffene Regelung greife deshalb in die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Kommunikationsfreiheit ein. Der Eingriff erfolge nicht durch ein „allgemeines” Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG; denn der Steuersatz von 10 % (11 %) für die Schallplatte bedeute eine Diskriminierung innerhalb der Gruppen von Lieferungen und Leistungen, die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt seien.
3. Der Ausschluß der Schallplatten von der Umsatzsteuerbegünstigung des § 12 Abs. 2 UStG 1967 verletze auch Art. 5 Abs. 3 GG. Schallplatten seien, soweit sie nicht einen der Wissenschaft oder der Forschung dienenden Inhalt hätten, zu einem großen Teil Verkörperungen der Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Diese Verfassungsbestimmung enthalte zwei Wertentscheidungen. Zum einen habe sich Art. 5 Abs. 3 GG für den Rechtsgrundsatz entschieden, daß das Kunstleben in seiner Struktur freiheitlich sein und Eigengesetzlichkeit genießen solle. Zum anderen enthalte Art. 5 Abs. 3 GG das Verfassungsgebot, daß von Staats wegen das freie Kunstleben ebenso wie die Wissenschaft zu fördern sei (Kulturstaatsklausel). Diese Wertentscheidungen verböten dem Gesetzgeber, die Schallplatte von der Kunstförderung auszunehmen.
4. Schließlich liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der Gesetzgeber habe im Umsatzsteuergesetz die Entscheidung getroffen, daß Kulturgüter wegen der Kulturstaatsklausel des Art. 5 Abs. 3 GG geringer mit Mehrwertsteuer zu belasten seien als die übrigen Lieferungen und Leistungen. Gesetzestext und Entstehungsgeschichte ließen nicht nur das System erkennen, den traditionellen Kulturbereich allgemein steuerlich zu begünstigen, sondern speziell die Kommunikationsmittel mit dem halben Steuersatz zu belegen.
Der Gesetzgeber dürfe die von ihm selbst statuierte Sachgesetzlichkeit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur durchbrechen, wenn dies sachlich gerechtfertigt sei und keine Wertentscheidungen der Verfassung verletze. Die Diskriminierung der Schallplatte verstoße jedoch gegen beide Grundsätze; denn es bestehe kein zwingender Grund, von dieser Sachgesetzlichkeit abzuweichen. Das Mehrwertsteuergesetz habe die Ungerechtigkeit des alten Umsatzsteuersystems beseitigen sollen. Die Benachteiligung im neuen Gesetz könne deshalb nicht damit begründet werden, die Schallplatten seien schon bisher mit 10 % belastet gewesen. Diese Begründung sei im übrigen sachlich unzutreffend; denn tatsächlich habe die Belastung nach altem Umsatzsteuerrecht unter 7 % gelegen.
III.
Für die Bundesregierung hat der Bundesminister der Finanzen zu den Verfassungsbeschwerden wie folgt Stellung genommen:
1. Die Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen das Umsatzsteuergesetz seien unzulässig, da die Vollziehung des Gesetzes stets eine Veranlagung erfordere. Die Beschwerdeführerinnen könnten deshalb auf den Rechtsweg gegen den Steuerbescheid verwiesen werden.
Die Verfassungsbeschwerden seien auch deshalb unzulässig, weil das Umsatzsteuergesetz 1967 für die Beschwerdeführerinnen gegenüber dem Umsatzsteuergesetz 1951 keine neue Beschwer gebracht habe. Früher habe der Ladenverkaufspreis der Schallplatte durchschnittlich 9,6 % Umsatzsteuer enthalten. Bei einer Umrechnung auf das für die Mehrwertsteuer maßgebende Entgelt ohne Umsatzsteuer ergebe sich daraus eine entsprechende Belastung von 10,6 %, die über dem 1968 eingeführten Mehrwertsteuersatz von 10 % für Schallplatten liege.
2. Die unterbliebene Anhörung des Verbandes der phonographischen Wirtschaft e. V. während der Gesetzesberatungen verletze keine Grundrechte der Beschwerdeführerinnen. Art. 103 Abs. 1 GG gelte nur für das gerichtliche Verfahren. Auch aus dem in Art. 20 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip folge keine Anhörungspflicht.
3. Grundrechte der Beschwerdeführerinnen aus Art. 5 Abs. 1 GG seien nicht verletzt. Das Umsatzsteuergesetz 1967 sei seinem Zweck und seiner Ausgestaltung nach nicht darauf gerichtet, die Tätigkeit der Schallplattenhersteller oder die in Schallplatten enthaltenen Meinungsäußerungen und deren Verbreitung einzuschränken oder zu lenken. Ebensowenig stehe die Ausgestaltung dieser Regelung objektiv in einem engen Zusammenhang mit der Äußerung oder Verbreitung von Meinungen. Es fehle die Anknüpfung an den Inhalt geistiger Leistungen. Zugleich handele es sich nicht um eine erdrosselnde Maßnahme. Die Umsatzsteuer wolle die wirtschaftliche Kraft besteuern, die sich darin äußere, daß eine Leistung Absatz finde. Die Marktposition der Schallplatte sei wegen der ihr wesenseigenen Vorzüge und der daraus folgenden Marktgängigkeit stark; infolgedessen sei nicht zu befürchten gewesen, daß die volle Mehrwertsteuerbelastung für Schallplatten nicht tragbar wäre, zumal da die frühere Gesamtbelastung auf der Verbraucherstufe bereits 10 % erreicht habe.
Selbst wenn der von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Bereich durch die Umsatzsteuerregelung berührt wäre, handelte es sich hierbei doch um ein das Grundrecht beschränkendes „allgemeines Gesetz” im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG. Aus den gleichen Gründen greife die volle Umsatzbesteuerung auch nicht in die Freiheit der Kunst ein.
Schließlich sei auch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt.
IV.
In der mündlichen Verhandlung sind auch Vertreter des Bundesverbandes der phonographischen Wirtschaft e. V. zu Fragen des Bundesverfassungsgerichts gehört worden.
Entscheidungsgründe
B
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
Sie sind rechtzeitig erhoben. Das Mehrwertsteuergesetz stellt keine bloße Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1951 dar, sondern ist ein neues Gesetz mit einem anderen Umsatzsteuersystem und Steuersatz. Die Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG begann deshalb mit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 29. Mai 1967 am 1. Januar 1968.
Die Beschwerdeführerinnen sind auch von den Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Aus dem Gesetz ergeben sich für sie unmittelbare Pflichten, ohne daß es noch eines besonderen Vollzugsaktes der Finanzverwaltung bedürfte (vgl. BVerfGE 31, 314 [322 f.] ).
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet.
I.
Das verfassungsmäßige Zustandekommen des Umsatzsteuergesetzes wird nicht dadurch berührt, daß der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages bei dem von ihm durchgeführten Anhörungsverfahren die Beschwerdeführerinnen oder ihren Interessenverband nicht angehört hat. Eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG scheidet hier von vornherein aus, da diese Verfassungsbestimmung nach ihrem eindeutigen Wortlaut einen Anspruch auf rechtliches Gehör nur „vor Gericht” gewährt. Die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens im Rahmen der durch die Verfassung vorgegebenen Regeln ist Sache der gesetzgebenden Organe (vgl. BVerfGE 1, 144 [148 ff.]; 10, 4 [19 f.]; 29, 221 [234]). Welche Verbände und Sachverständige bei einem nicht in der Verfassung vorgeschriebenen Anhörungsverfahren zu Wort kommen sollen, ist grundsätzlich dem Ermessen der Gesetzgebungsorgane und ihrer Ausschüsse überlassen.
II.
1. Als Prüfungsmaßstab kommt in erster Linie Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht; denn die Beschwerdeführerinnen fordern den gleichen Steuersatz wie für die Lieferung von Presseerzeugnissen, Büchern und für andere Leistungen des kulturellen Bereichs. Sie sprechen damit vor allem die Steuergerechtigkeit an, die durch Art. 3 Abs. 1 GG garantiert wird (BVerfGE 26, 302 [310] ). Die verfassungsrechtliche Frage stellt sich infolgedessen primär dahin, ob die angegriffene, im Verhältnis zu anderen Kulturträgern und Kommunikationsmitteln erhöhte Besteuerung als sachlich einleuchtend vor dem Gebot der Steuergerechtigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG bestehen kann (vgl. BVerfGE 13, 290 [298] ).
Für die Beantwortung dieser Frage sind auch Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 GG als grundlegende Wertentscheidungen der Verfassung zu beachten. Diese besonderen Wertentscheidungen des Grundgesetzes schränken die Freiheit des Gesetzgebers ein, selbst zu bestimmen, was „gleich” oder „ungleich” sein soll, indem sie Unterscheidungen verbieten, die dem in der Wertentscheidung ausgedrückten Willen des Verfassunggebers zuwiderlaufen würden, einem bestimmten Lebensbereich oder Lebensverhältnis seinen besonderen Schutz angedeihen zu lassen (BVerfGE 13, 290 [298] ; 17, 210 [217] ; 26, 321 [325] ).
Die Beschwerdeführerinnen berufen sich sowohl auf die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG als auch auf die Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Da ein erheblicher Teil der Schallplattenproduktion ihrem Inhalt nach dem Bereich der Kunst zuzurechnen ist, muß zunächst geprüft werden, ob der dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG verbleibende weite Gestaltungsspielraum durch die Kunstfreiheitsgarantie Einschränkungen erfährt.
2. a) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt, wie das Bundesverfassungsgericht in der Mephisto-Entscheidung (BVerfGE 30, 173 [189]) dargelegt hat, nicht nur die künstlerische Betätigung, sondern darüber hinaus auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks, die für die Begegnung mit dem Werk als einen kunstspezifischen Vorgang sachnotwendig ist. Die Ausstrahlungswirkung dieser Verfassungsbestimmung erstreckt sich daher auf die Medien (Kommunikationsmittel), da sie durch Vervielfältigung, Verbreitung und Veröffentlichung die zwischen Künstler und Publikum unentbehrliche Mittlerfunktion ausüben. Insoweit kommt den Schallplattenherstellern ebenfalls der Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG zu.
b) Art. 5 Abs. 3 GG enthält zunächst, wie in der Mephisto-Entscheidung näher dargelegt ist, ein Freiheitsrecht für alle Kunstschaffenden und alle an der Darbietung und Verbreitung von Kunstwerken Beteiligten, das sie vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt in den künstlerischen Bereich schützt. Die Verfassungsnorm hat aber nicht nur diese negative Bedeutung. Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst stellt sie dem modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung auch als Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern.
Die Beschwerdeführerinnen meinen nun: Da das Verfassungsgebot der Förderung der Kunst es dem Staat untersage, bei seinen Maßnahmen im diesem Bereich Unterscheidungen hinsichtlich der Medien des Kunstschaffens, ihrer künstlerischen Ausdrucksformen und des größeren oder geringeren Wertes ihrer Produktion zu treffen, müsse er, wenn er sich überhaupt zu fördernden Maßnahmen innerhalb des Lebensbereichs Kunst entschließe, diese Förderung allen künstlerischen Äußerungen und allen der Vermittlung künstlerischer Inhalte dienenden Medien gleichmäßig zuteil werden lassen. Diese Folgerung geht jedoch zu weit. Selbstverständlich haben alle im Kunstleben Tätigen zunächst den gleichen grundsätzlichen Freiheitsanspruch, der sie vor hemmenden Einflüssen der staatlichen Gewalt auf ihre Arbeit sichert. Ebenso mag auch ein allgemeiner Anspruch aller sich im Kunstleben betätigenden Personen und Richtungen bestehen, von positiven staatlichen Förderungsmaßnahmen nicht von vornherein und schlechthin ausgeschlossen zu werden. Das heißt aber nicht, daß jede einzelne positive Förderungsmaßnahme gleichmäßig allen Bereichen künstlerischen Schaffens zugute kommen müsse. Bei der Ausgestaltung solcher Maßnahmen hat der Staat vielmehr im Rahmen seiner Kulturpolitik weitgehende Freiheit. So können bei wirtschaftlichen Förderungsmaßnahmen, zu denen auch steuerliche Begünstigungen gehören, Wirtschafts- und finanzpolitische Gesichtspunkte beachtet werden. Hier ist es dem Staat nicht verwehrt, die eigene wirtschaftliche Kraft der einzelnen Träger, Personen und Institutionen des Kulturbereichs angemessen zu berücksichtigen.
Eine erste Folge aus diesem Grundsatz ist, daß aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht etwa ein Vorrecht auf völlige Steuerfreiheit für jede künstlerische Betätigung und deren Vermittlung hergeleitet werden kann. Soweit die auf diesem Gebiet Tätigen durch die Verwertung ihrer künstlerischen Produktion auch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dartun, können sie im Rahmen der allgemeinen Besteuerungsgrundsätze zu Abgaben an den Staat herangezogen werden. Ebenso wie aber die Besteuerung an die verschiedene wirtschaftliche Kraft der einzelnen Steuerpflichtigen anknüpft, so ist auch bei positiven wirtschaftlichen Förderungsmaßnahmen eine schematische Gleichbehandlung nicht geboten. Ihr steht schon die verschiedene wirtschaftliche und rechtliche Struktur der einzelnen Medien und anderer Träger des Kulturlebens entgegen. Sie würde aber auch den staatlichen Auftrag zur Sicherung der Kunstfreiheit eher verfehlen, indem sie auf der einen Seite zur Steigerung der künstlerischen Produktion nach Qualität und Umfang kaum etwas beitrüge, auf der anderen Seite die – stets nur beschränkt verfügbaren – staatlichen Mittel der wirksamen Förderung wirklich förderungsbedürftiger künstlerischer Leistungen entzöge.
3. Soweit die Schallplatte nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG fällt, kommt Art. 5 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab in Betracht. Diese Verfassungsnorm engt jedoch den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei positiven Förderungsmaßnahmen nicht weiter ein als die Kunstfreiheitsgarantie.
III.
Die von den Beschwerdeführerinnen angegriffenen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes verstoßen nicht gegen die aus den Wertentscheidungen des Art. 5 Abs. 1 und 3 GG abzuleitenden, im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu beachtenden Grundsätze.
1. Mit der Umsatzsteuer soll nur die wirtschaftliche Kraft besteuert werden, die sich darin äußert, daß eine Ware oder Leistung Absatz findet (vgl. BFHE 92, 144 [146] für das UStG 1951). Die Umsatzsteuer knüpft an den formalen Vorgang der Lieferung oder sonstigen Leistung an, ohne deren Inhalt zu bewerten. Die Umsatzbesteuerung der Schallplattenhersteller mit dem vollen Satz von 11 % wirkt nicht erdrosselnd und wahrt die nötige Distanz gegenüber Methoden, Inhalten und Tendenzen der künstlerischen oder wissenschaftlichen Tätigkeit oder einer in dem Medium wiedergegebenen Meinungsäußerung.
Die Freiheitsrechte aus Art. 5 GG werden auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß die Schallplatte stärker belastet wird als andere Medien. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß es sich bei der Schallplatte um ein wirtschaftlich gesundes publizistisches Medium handelt, das durch seine Beliebtheit bei den Verbrauchern eine starke Marktstellung erobert hat und deshalb unter dem Gesichtspunkt der in Art. 5 Abs. 1 und 3 GG enthaltenen Wertentscheidungen keinerlei staatlicher Förderung bedarf. Diese Auffassung des Gesetzgebers wird dadurch gestützt, daß der Umsatz der Schallplattenhersteller im letzten Jahrzehnt von Jahr zu Jahr beträchtlich angestiegen ist. Auch die mündliche Verhandlung hat ergeben, daß die Beschwerdeführerinnen nicht als wirtschaftlich förderungsbedürftig angesehen werden können. Dem Vortrag des Bundesministers der Finanzen, zwei Schallplattenhersteller hätten nach einer Meldung der Tagespresse allein im Jahre 1971 ihre Umsätze um 30 % und 36 % steigern können, haben die Beschwerdeführerinnen nicht widersprochen.
2. Der höheren Belastung der Schallplatte liegt keine Lenkungsabsicht des Gesetzgebers zugrunde, wie dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der hier einschlägigen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes 1967 zu entnehmen ist. Ihr kommt auch objektiv keine intervenierende Wirkung auf den Prozeß der Meinungsbildung sowie des wissenschaftlichen und künstlerischen Schaffens zu.
Verfassungsrechtlich bedenklich wäre es allerdings, wenn durch die verschiedene Besteuerung der Umsätze ein Medium in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Kommunikationsmitteln wesentlich beeinträchtigt würde. Das ist hier jedoch nicht feststellbar. Die Belastung der Lieferung von Schallplatten mit dem vollen Umsatzsteuersatz bedeutet gegenüber dem nur mit dem halben Steuersatz belegten Umsatz von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften sowie gegenüber den anderen begünstigten kulturellen Leistungen keine wesentliche Wettbewerbsbenachteiligung. Zwar ist nicht zu verkennen, daß zwischen der Schallplatte und anderen, im Gegensatz zu ihr steuerbegünstigten Medien ein mittelbarer (Substitutions-)Wettbewerb im Sinne eines Kampfes um Marktanteile besteht. Eine Ermäßigung der Umsatzsteuer für Schallplattenlieferungen um 5,5 % könnte jedoch die Nachfrage auf dem Markt nicht in einer ins Gewicht fallenden Weise zugunsten der Schallplatte verschieben. Vielmehr wird die Entscheidung des Verbrauchers für das eine oder das andere Kommunikationsmittel nicht in erster Linie durch den Preis, sondern durch die Eigenart des Mediums bestimmt. Auch wenn man unterstellt, daß eine Umsatzsteuerersparnis von 5,5 % bei der Schallplatte an den Verbraucher weitergegeben würde, so würden sich dadurch angesichts der „medienspezifischen Eigenheiten” der verschiedenen Kommunikationsmittel die Verbrauchergewohnheiten nicht wesentlich ändern, zumal da es sich um eine verhältnismäßig geringe Preisänderung handelte. Das ist für die Entscheidung des Verbrauchers zwischen Sprechplatte und Buch sowie zwischen Musikplatte und Notenheft ohne weiteres einzusehen. Ein direkter Wettbewerb besteht allerdings zwischen Schallplatten und Tonbandaufzeichnungen. Diese unterliegen jedoch ebenfalls dem vollen Umsatzsteuersatz von 11 %.
Die Beschwerdeführerinnen haben vorgetragen, von 1967 bis 1968 sei der Anteil der Schallplatten anbietenden Buchhändler von 34 % auf 27 % gesunken. An anderer Stelle haben sie aber dargelegt, 1965 hätten noch 38 % aller Buchhandlungen Schallplatten geführt, so daß der Rückgang schon vor dem Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes am 1. Januar 1968 eingesetzt haben muß. Davon abgesehen ist entscheidend, daß die Umsätze der Schallplattenhersteller – wie auch von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten wird – laufend kräftig gestiegen sind. Der Rückgang des Schallplattenabsatzes über Buchhändler ist offensichtlich nicht auf die Einführung der Mehrwertsteuer, sondern auf andere Gründe (mangelnde technische Vorführmöglichkeiten usw.) zurückzuführen. Es handelt sich hier um eine Verlagerung des Schallplattenvertriebsweges von den Buchhandlungen zum Schallplatten-(Phono-)fachhandel und zum Warenhaus.
Ihre Behauptung, infolge der Umsatzbesteuerung könnten sie die künstlerischen Urheber nicht so gut honorieren wie die Buchverleger, haben die Beschwerdeführerinnen nicht substantiiert. Somit sind negative Rückwirkungen der Umsatzbesteuerung auf das durch die Schallplatte vermittelte Kunstleben nicht festzustellen.
IV.
Der Gesetzgeber hat auch im übrigen nicht gegen das allgemeine Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
1. Die Beschwerdeführerinnen meinen, dem Umsatzsteuergesetz den Grundsatz entnehmen zu können, daß Leistungen und Lieferungen im gesamten Kulturbereich nur mit dem halben Steuersatz belegt werden sollten.
Sie sehen hierin eine „vom Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit” (vgl. BVerfGE 34, 103 [115] mit weiteren Nachweisen), von der nur mit gewichtigen Gründen abgewichen werden dürfe, die nicht vorlägen.
Die Rüge geht jedoch schon deshalb fehl, weil es nicht möglich ist, den enumerativ angeführten Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen in den §§ 4 und 12 Abs. 2 UStG 1967 ein geschlossenes System der Begünstigung des Kulturschaffens oder der (Massen-)Kommunikationsmittel zu entnehmen.
a) Dagegen spricht schon die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung.
Während der Regierungsentwurf zunächst kaum Steuervergünstigungen im kulturellen Bereich enthielt, wurde in den Beratungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (5. Wahlperiode) anfangs nur über Vergünstigungen für einzelne Bereiche gesprochen (vgl. die Protokolle über die 12. Sitzung S. 5, 13. Sitzung S. 10 f. und 14. Sitzung S. 3 ff.). Zwar sprach der Vorsitzende des Finanzausschusses bei der Anhörung der Verbandsvertreter aus dem kulturellen Bereich von einer allgemein auf 5 ermäßigten Umsatzsteuer, jedoch „auf … eigenes Risiko” (Protokoll über die 25.–31. Sitzung des Finanzausschusses S. 1621). Schon bald darauf wurde in der 37. Sitzung (Protokoll S. 131.) auf die schwierigen Abgrenzungsfragen hingewiesen, die mit dieser Lösung verbunden wären und mit 8: 7 Stimmen der normale Steuersatz mit Ermäßigung für einzelne Kulturbereiche befürwortet. Dabei ist es in der Folgezeit im Finanzausschuß geblieben, der lange Beratungen auf das Für und Wider einzelner Steuervergünstigungen verwandte (vgl. die Protokolle über die 41. Sitzung S. 11; 65. Sitzung S. 3 ff.; 67. Sitzung S. 51.; 68. Sitzung S. 2 f.).
b) Die hier in Betracht kommenden Steuervergünstigungen lassen in jeder Hinsicht die für die Annahme eines Systems erforderliche Geschlossenheit vermissen. Die Aufzählung einzelner Tatbestände, selbst wenn sie ein gemeinsames Merkmal aufweisen, läßt nicht ohne weiteres den Schluß zu, der Gesetzgeber habe hier ein System aufgestellt, an das er sich binden wolle. Objektiv verwandt erscheinende Gruppierungen können auf verschiedenen Motivierungen beruhen; so kann eine Steuerbefreiung in solchen Fällen einmal etwa durch wirtschaftliche Notlage des Gewerbezweiges und im „Parallelfall” durch konjunktur-, kultur- oder sozialpolitische Erwägungen begründet sein.
Außer den Schallplatten unterliegen eine Reihe von Waren und Leistungen aus dem kulturellen Bereich der vollen Umsatzsteuerpflicht gemäß § 12 Abs. 1 UStG (z.B.: Tonbänder, Musikinstrumente, Bilddrucke, die keine Originale sind, alle Drucke zu Werbezwecken, also Kundenzeitschriften, Anzeigenblätter usw., ferner künstlerische Photographien, Kunstkalender, kunstgewerbliche Erzeugnisse – vgl. hierzu Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz/Mehrwertsteuer, 10. Aufl., Bd. II/3, § 12 Abs. 2 UStG, Rdnr. 370 ff., 448 ff.).
Auch eine einheitliche Begünstigung der Medien (Kommunikationsmittel) hat der Gesetzgeber nicht zum System erhoben. Einerseits bleiben Rundfunk und Fernsehen (nach BVerfGE 31, 314 ) ebenso steuerfrei wie nach § 4 Nr. 20 und 22 UStG Leistungen der Theater, Orchester, Museen und Büchereien sowie Vortragsveranstaltungen. Andererseits sind Bücher, Zeitungen und Zeitschriften in der Regel mit dem halben Steuersatz belastet.
Eine Zusammenschau aller Steuerbegünstigungs- und Steuerbefreiungsvorschriften in den §§ 4 und 12 Abs. 2 UStG läßt danach keinen einheitlichen Plan des Gesetzgebers bei der Verteilung der Steuervergünstigungen erkennen.
2. Für die Differenzierung zwischen der Umsatzbesteuerung der Schallplatte und den anderen mit ihr vergleichbaren Waren und Leistungen des kulturellen Bereichs lassen sich sachlich vertretbare Gründe anführen.
Die Beschwerdeführerinnen fühlen sich insbesondere im Verhältnis zu Buch, Zeitungen und Zeitschriften ungerecht behandelt. Tatsächlich besteht zwischen der Schallplatte und diesen Medien, abgesehen von dem wegen seines öffentlich-rechtlichen Charakters nicht vergleichbaren Rundfunk, die stärkste relative Gleichheit.
a) Die Zielvorstellungen des Gesetzgebers bei der Steuerbegünstigung für die Umsätze von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften sind zum Teil dieselben, zum Teil unterscheiden sie sich. Im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf des Mehrwertsteuergesetzes (zu BTDrucks. V/1581 S. 3 f.) wird der ermäßigte Steuersatz für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften (außer Illustrierten) damit begründet, daß die Anwendung des Normalsteuersatzes nach den dem Ausschuß vorliegenden Berechnungen zu nicht zu verantwortenden Preiserhöhungen oder Gewinnschmälerungen führen würde. Beim Buch weisen zwar weder der Bericht des Finanzausschusses (a. a. D.) noch die Protokolle über die Beratungen des Finanzausschusses (vgl. Protokoll über die 65. Sitzung S. 5) weitere Gründe für die Begünstigung aus, doch schloß sich der Finanzausschuß mit seiner Befürwortung der Steuerermäßigung für Bücher einer entsprechenden Anregung des Bundesrates an (BTDrucks. IV/1590 S. 49). Dieser hatte darauf hingewiesen, daß die Grunde, die zur Steuerermäßigung für Bücher durch das Gesetz vom 16. August 1961 (BGBl I S. 1330) geführt hatten, weiterbestünden. Zu diesen Gründen gehörte u.a. die Erwägung, daß der Leistungsstand des deutschen Buchhandels mit seiner dichten und gleichmäßigen Standortverteilung durch die auf Konzentration gerichteten Tendenzen gefährdet sei. Auch wollte man sich der international verbreiteten steuerlichen Begünstigung des Buches anschließen (vgl. BTDrucks. III/2101 S. 3 und III/2906 S. 4).
In einem frühen Stadium der Beratungen war man sich darüber einig, daß wissenschaftliche Zeitschriften die gleiche Bedeutung wie das wissenschaftliche Buch haben und in den Genuß einer steuerlichen Ermäßigung kommen sollten (siehe Protokoll über die 12. Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik, S. 7). Die Begünstigung für Zeitungen und Zeitschriften wurde dann vom Finanzausschuß gemeinsam mit derjenigen für Bücher beschlossen (Protokoll über die 65. Sitzung S. 5). Zeitungen und Zeitschriften sollten also aus denselben Erwägungen Steuerermäßigung genießen wie Bücher. Darüber hinaus war für ihre Begünstigung die Absicht maßgebend, die Vielfalt der Presse zu erhalten und zu stärken, um letztlich Information und selbständige Meinungsbildung der Bevölkerung zu fördern. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die in vielen Ländern Europas bestehende Umsatzsteuerfreiheit der Presse hingewiesen (vgl. die Ausführungen der Bundestagsabgeordneten Funcke, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 5. Wp., StenBer. S. 4715, und Dr. Schulze-Vorberg, StenBer. S. 4869 f.). Illustrierte wurden später wieder ausgenommen und erst vom Bundestag erneut in die Begünstigung einbezogen. Hierfür war entscheidend, daß man aus verfassungsrechtlichen Gründen und wegen der schwierigen Abgrenzung keine Unterscheidung zwischen Zeitungen und Zeitschriften und innerhalb der Zeitschriften nach Art und Tendenz machen wollte (Abg. Funcke, a.a.O. und StenBer S. 4869; Abg. Sänger, StenBer. S. 4871).
Die Besteuerung des Schallplattenumsatzes mit einer Netto-Umsatzsteuer von damals 10 % wurde demgegenüber damit gerechtfertigt, daß sie – anders als bei den schon nach dem alten Recht begünstigten Büchern – keine nennenswerte Belastungsverschiebung bedeuten und sich der Übergang zur Mehrwertsteuer daher auf dem Schallplattenmarkt auf den Preis nicht auswirken würde (vgl. Bericht des Finanzausschusses, zu BTDrucks. V/1581 S. 4). Ein weiterer Grund für die Anwendung des vollen Steuersatzes lag offenbar darin, daß der Gesetzgeber die Schallplatte als ein steuerlich vergleichsweise belastungsfähiges Medium aus einem gesunden Wirtschaftszweig angesehen hat.
b) Die auf diesen Erwägungen beruhende Differenzierung ist nicht sachwidrig.
Die Vermeidung von Preiserhöhungen beim Buch ist ein unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Wohls gerechtfertigter Zweck. Die Erwartung des Gesetzgebers, die Schallplatten würden wegen der bisher schon höheren Umsatzsteuerbelastung auch bei dem normalen Mehrwertsteuersatz nicht teurer, ist durch die Entwicklung des Schallplattenpreises jedenfalls nicht widerlegt worden.
Ob das gleichfalls vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, durch eine Umsatzsteuervergünstigung den weitverzweigten Buchhandel, insbesondere den kleinen Buchhändler gegen Konzentrationsbestrebungen zu schützen, erreicht werden kann, mag bezweifelt werden. Jedenfalls kann unter diesem Gesichtspunkt eine umsatzsteuerliche Gleichbehandlung der Schallplatte schon wegen ihrer ganz anderen Vertriebsformen nicht begründet werden. Dasselbe gilt, soweit mit der Vergünstigung eine Angleichung an die weitgehende steuerliche Entlastung der Bücher im Ausland im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Wettbewerb vor allem mit den im deutschsprachigen Ausland (Österreich, Schweiz) angebotenen Büchern erreicht werden soll. Soweit es sich um wissenschaftliche und andere Fachzeitschriften handelt, besteht kaum ein Unterschied zum Buch.
Die Begünstigung der übrigen Zeitschriften und der Zeitungen entspricht nicht so sehr einem kulturpolitischen als vielmehr einem staatspolitischen Interesse an Information und öffentlicher Meinungsbildung. Ein freies, nicht von öffentlicher Gewalt gelenktes Zeitungswesen ist ein Grundelement des freiheitlichen Staates; es ist für die moderne Demokratie unentbehrlich (BVerfGE 20, 162 [174]). Von daher rechtfertigen die bekannte schwierige wirtschaftliche Lage vieler Publikationsorgane und das Bestreben, die Vielfalt der Presse zu erhalten und zu stärken, die steuerliche Begünstigung.
Gewiß lassen sich gegen die unterschiedslose Einbeziehung aller Illustrierten unter den vorbezeichneten Gesichtspunkten Bedenken erheben. Jedoch ist der gesetzgeberischen Erwägung, daß eine verfassungsrechtlich haltbare Abgrenzung innerhalb der Illustriertenpresse und im Verhältnis zu den Zeitungen praktisch sehr schwierig sein würde, eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen.
Während die Schallplatte aufgrund ihrer medienspezifischen Eigenschaften eine starke Marktstellung innehat, müssen Buch und Presse um die Erhaltung ihrer Stellung auf dem Markt der Kommunikationsmittel kämpfen. Sie sind durch die arbeitsintensive Herstellungsweise der Bücher, Zeitungen und Zeitschriften und die daraus resultierenden ständigen Preiserhöhungen für diese Druckerzeugnisse benachteiligt. Die Preise für Schallplatten sind hingegen relativ stabil geblieben und zum Teil sogar erheblich gesunken. Die wirtschaftliche Stärke der Schallplattenindustrie und die steuerliche Belastbarkeit der Schallplatte auf dem Markt stellen sachgerechte Gründe für die Umsatzbesteuerung mit dem vollen Satz dar. Da Art. 3 Abs. 1 GG nur eine verhältnismäßige Gleichheit der Besteuerung erfordert, ist gegen verschiedene Mehrwertsteuersätze je nach der Prosperität des Wirtschaftszweiges nichts einzuwenden.
Nach alledem können die Erwägungen, die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, den Umsatz von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften in dem durch § 12 Abs. 2 UStG vorgesehenen Umfang steuerlich gegenüber der Lieferung von Schallplatten zu begünstigen, jedenfalls nicht als sachfremd angesehen werden. Es ist primär Aufgabe des Gesetzgebers zu beurteilen, ob und unter welchen sachlichen Gesichtspunkten zwei Lebensbereiche einander so gleich sind, daß Gleichbehandlung zwingend geboten ist, welche Sachverhaltselemente andererseits so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt (BVerfGE 12, 326 [337]). Da sachbezogene Gründe für die verschiedene Umsatzsteuerbelastung der Schallplatte und der zum Vergleich gestellten anderen publizistischen Kommunikationsmittel bestehen, ist die angegriffene Regelung des Umsatzsteuergesetzes mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar und nicht willkürlich.
c) Erweist sich nach alledem die unterschiedliche Besteuerung von Umsätzen der Vergleichspaare Schallplatte/Buch und Schallplatte/Zeitung (Zeitschrift) als sachgerecht, so erscheint auch der volle Steuersatz im Verhältnis zu anderen, der Schallplatte” weniger verwandten Medien und Ausdrucksformen des Kulturlebens gerechtfertigt.
Fundstellen
BStBl II 1974, 267 |
BVerfGE 36, 321 |
BVerfGE, 321 |
NJW 1974, 689 |
JZ 1974, 377 |