Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Länderfinanzausgleichs gem. FAG und FAG1950DV 1
Leitsatz (amtlich)
1. § 13 Nr. 6 BVerfGG ist dann anzuwenden, wenn ein Antragsberechtigter im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG eine Bundesnorm wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz für nichtig hält und eine hierüber bestehende Meinungsverschiedenheit den wesentlichen Streitgegenstand in dem Sinne bildet, daß ein etwa darin eingeschlossener Streit über Rechte und Pflichten der Beteiligten aus der angefochtenen Norm durch die Entscheidung über ihre Gültigkeit oder Nichtigkeit zugleich miterledigt wird.
2. Das bundesstaatliche Prinzip begründet seinem Wesen nach nicht nur Rechte sondern auch Pflichten. Eine dieser Pflichten besteht darin, daß die finanzstärkeren Länder den schwächeren Ländern in gewissen Grenzen Hilfe zu leisten haben. Diese Pflichtbeziehung führt nach der Natur der Sache zu einer gewissen Beschränkung der finanziellen Selbständigkeit der Länder.
3. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, daß der bayerische Kreis Lindau beim Finanzausgleich wie ein Land behandelt wird.
4. Bundesrecht im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG sind nicht nur Bundesgesetze, sondern auch Rechtsverordnungen des Bundes.
5.
- Zuschüsse in Art. 106 Abs. 4 GG und „horizontaler Finanzausgleich” sind keine Gegensätze. Die Zuschüsse sind ein Mittel zur Durchführung eines horizontalen Finanzausgleichs.
- „Bestimmte” Steuern im Sinne des Art. 106 Abs. 4 GG sind nicht „einzelne” Steuern, sondern „gesetzlich bestimmte” (d.h. im einzelnen aufgeführte) Steuern.
- Art. 106 Abs. 4 GG besagt, daß der Bund Zuschüsse gewähren und die Mittel hierfür den durch ein Bundesgesetz bestimmten Steuern der Länder – und nicht seinen eigenen Einnahmen – entnehmen kann. Das Wort „entnehmen” hindert nicht, daß die kassenmäßige Durchführung der Zahlungen den Ländern im Rahmen ihrer haushaltsrechtlichen Vorschriften überlassen bleibt.
- Die Berücksichtigung der Realsteuern als eines Faktors bei der Errechnung der Finanzkraftmeßzahl und der Ausgleichsmeßzahl eines Landes verstößt nicht gegen Art. 106 Abs. 4 GG und ist kein Eingriff in das Recht der Länder, den kommunalen Finanzausgleich zu regeln.
- Art 106. Abs. 4, letzter Halbsatz GG bedeutet: die Zuschüsse sind den Ländern „vom Bunde” unmittelbar zu überweisen. Diese Mittel sind keine eigenen Einnahmen des Bundes; er verwaltet sie als Treuhänder und hat sie an die ausgleichsberechtigten Länder unverzüglich weiterzuleiten.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Verstoß gegen das bundesstaatliche Prinzip könnte dann in Betracht kommen, wenn der im FAG vorgesehene Ausgleich die Leistungsfähigkeit der gebenden Länder entscheidend schwächte oder zu einer Nivellierung der Länderfinanzen führte, was nicht der Fall ist, wenn die aufzubringenden Beträge in Haushalten des Geberlandes nicht mehr als 7,16 und 4,08 vom Hundert der Gesamtausgaben ausmachen.
2. Ein Finanzausgleich darf mit Rücksicht auf Art. 29 GG nicht zu dem Ergebnis führen, lebensunfähige Länder künstlich am Leben zu erhalten.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 29, 79 Abs. 3, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, Art. 106 Abs. 4, Art. 109; FAG; FAG1950DV 1; BVerfGG § 13 Nr. 6
Verfahrensgang
Gründe
I.
Das Gesetz, das den Gegenstand dieses Verfahrens bildet, regelt ein Teilgebiet des staatsfinanzwirtschaftlichen Vorgangs, den man als Finanzausgleich bezeichnet. Es handelt sich um das Problem, wie die Gesamtmasse der öffentlichen Einnahmen, insbesondere der Steuern, auf die verschiedenen Träger öffentlicher Aufgaben sachgemäß zu verteilen ist. Im Bundesstaat, wo die staatlichen Aufgaben nach Maßgabe der Verfassung zum Teil vom Gesamtstaat, zum Teil von den Gliedstaaten erfüllt werden, stellen sich dabei vornehmlich zwei Fragen. Es ist einmal zu entscheiden, welche Einnahmen dem Gesamtstaate, welche den Gliedstaaten zuzuweisen sind „vertikaler Finanzausgleich”), zum anderen, ob und wie Unterschiede in Finanzkraft und Belastung zwischen den Gliedstaaten in Auswirkung des bundesstaatlichen Gedankens ausgeglichen werden können „horizontaler Finanzausgleich”). Wie diese Fragen beantwortet werden, hängt von allgemeinen politischen und finanzpolitischen Erwägungen und vor allem von der Aufgabenverteilung ab.
Die Reichsverfassung von 1871 und die auf ihr beruhende Gesetzgebung wiesen die Zölle, die Verbrauchsteuern und einige Verkehrsteuern dem Reiche zu; die übrigen Steuern, vor allem die direkten Steuern, verblieben den Ländern, die den Ertrag mit den Gemeinden teilten. Die Weimarer Verfassung beteiligte die Länder und die Gemeinden, die beide mit den wenigen der Landesgesetzgebung verbliebenen Steuern nicht mehr auskommen konnten, an dem Aufkommen der reichsgesetzlich geregelten und vom Reiche verwalteten Steuern in der Weise, daß ihnen feste Hundertsätze des Aufkommens bestimmter Reichssteuern überwiesen wurden. Der nationalsozialistische Staat zog neben der Gesetzgebung nach und nach auch den Ertrag aller bedeutsamen Steuern (mit Ausnahme der den Gemeinden überlassenen Realsteuern) an sich und stattete die Länder und Gemeinden durch globale Finanzzuweisungen mit den erforderlichen Einnahmen aus.
In der Bundesrepublik ist der vertikale Finanzausgleich in Art. 106 Abs. 1-3 GG geregelt. Der Ertrag der wichtigsten Steuern wird danach so aufgeteilt, daß die Einnahmen aus den der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes unterliegenden Zöllen und Finanzmonopolen dem Bunde zufallen, die der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterliegenden Steuern aber zum Teil dem Bunde, zum Teil den Ländern (für sich und ihre Gemeinden) zugewiesen werden. Diese Regelung ist nur vorläufig; die der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterworfenen Steuern (mit Ausnahme der Realsteuern) sollen bis zum 31. Dezember 1952 durch ein besonderes Bundesgesetz endgültig aufgeteilt werden (Art. 107 GG).
Wenn die eigene Steuerkraft der Länder, gemessen am Aufkommen der ihnen zufallenden Steuern, und ihre Belastung mit Aufgaben ungleich sind und daher bei einem Teil der Länder die ihnen zufließenden Steuern zur Deckung der Lasten nicht ausreichen, so entsteht die Frage, ob und in welchem Maße zwischen ihnen ein Ausgleich herbeigeführt werden kann: das Problem des horizontalen Finanzausgleichs. Ein solcher Ausgleich kann auf verschiedene Weise erzielt werden: durch Übernahme von Lasten, die besonders starke Verschiedenheiten bei den Ländern aufweisen, auf den Gesamtstaat; durch Finanzzuweisungen des Gesamtstaates an die Länder je nach ihrem Bedarf; durch Verteilung der den Ländern zufließenden Steuern nach anderen Schlüsseln als denen des örtlichen Aufkommens.
Vor 1933 gab das Reich allen Ländern erhebliche Polizeikostenzuschüsse, den süddeutschen Ländern als sogenannte Biersteuerentschädigung auch noch Sonderzuweisungen. Im wesentlichen wurde der horizontale Ausgleich damals aber durch eine Verteilung der Steuerüberweisungen nach anderen Schlüsseln als denjenigen des örtlichen Aufkommens erzielt (Finanzausgleichsgesetz vom 27. April 1926, RGBl. I S. 203). Der nationalsozialistische Staat beschränkte sich zuletzt auf Finanzzuweisungen, die nach dem jeweiligen Bedarf der Länder berechnet wurden (Finanzausgleichsverordnung vom 30. Oktober 1944, RGBl. I S. 282).
Der Bund hat zunächst gemäß Art. 120 GG besonders schwere und die Länder ganz verschieden treffende Lasten (Besatzungskosten, andere Kriegsfolgelasten, Zuschüsse zu den Ausgaben der Sozialversicherung) durch das Erste Überleitungsgesetz vom 28. November 1950 (BGBl. S. 773) selbst übernommen. Der hieraus sich ergebende horizontale Ausgleich wurde aber dadurch gemindert, daß der Bund diese Lasten nicht in voller Höhe übernahm, sondern einen Teil, die sogenannten Interessenquoten, den Ländern aufbürdete.
Der Bund besitzt nach Art. 106 Abs. 3 GG auch die Möglichkeit, den Ländern abgestufte Sonderzuweisungen für das Schulwesen, das Gesundheitswesen und das Wohlfahrtswesen zu gewähren, hat von ihr aber noch nicht Gebrauch gemacht.
Der Gedanke, zum Zwecke des horizontalen Ausgleichs einen Teil der den Ländern zufließenden Steuern von den finanzstärkeren auf die finanzschwächeren Länder zu überführen, ist erstmals im Rechnungsjahr 1949 verwirklicht worden. Damals halfen die starken Länder den schwachen zunächst durch Kassenvorschüsse. Nachdem der Versuch, einen Ausgleich wenigstens unter den Ländern des Vereinigten Wirtschaftsgebiets durch Ländervereinbarung herbeizuführen, gescheitert war, wurde der Ausgleich durch das Gesetz des Wirtschaftsrats zur vorläufigen Regelung der Kriegsfolgelasten im Rechnungsjahr 1949 vom 6. August 1949 (WiGBl. S. 235) vollzogen. Die starken Länder wurden durch dieses Gesetz verpflichtet, aus den damals noch ihnen zufließenden Verbrauchsteuern, deren Aufkommen dann auf das Vereinigte Wirtschaftsgebiet übertragen werden sollte und später nach dem Grundgesetz dem Bunde zufiel, monatliche „Abschlagszahlungen” an die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes zu leisten. Aus der so entstandenen Masse erhielten die schwachen Länder, im Hinblick auf die geplante Übernahme der Kriegsfolgelasten durch das Vereinigte Wirtschaftsgebiet und später durch den Bund, monatliche „Abschlagszahlungen”. Dieses Gesetz des Wirtschaftsrats wurde für das zweite Rechnungshalbjahr 1949 durch das Bundesgesetz zur Regelung von Kriegsfolgelasten im 2. Rechnungshalbjahr 1949 vom 21. März 1950 (BGBl. S. 43) ersetzt, das nun auch die Länder der französischen Zone einbezog. Nach diesem Gesetz hatten die starken Länder monatliche Beiträge an einen von dem Bundesminister der Finanzen zu verwaltenden Ausgleichsstock zu leisten, aus dem die schwachen Länder monatliche Zuschüsse erhielten. Dabei wurde die Leistungspflicht der Länder Bremen, Hamburg und NordrheinWestfalen gegenüber dem ersten Rechnungshalbjahre erhöht, während die Leistungspflicht des Landes Württemberg-Baden gleichblieb. Die Gesamtausgleichslast betrug für das erste Rechnungshalbjahr 1949 250 Mill. DM, für das zweite Rechnungshalbjahr 307 Mill. DM, insgesamt also 557 Mill. DM. Die Bemessung der „Abschlagszahlungen”, Beiträge und Zuschüsse der beiden Gesetze beruhte auf Schätzungen der den Ländern zufließenden Steuern und der von ihnen zu tragenden besonders drückenden „Gemeinlasten”. Die beiden Gesetze führten einen Ausgleich nur für das Rechnungsjahr 1949 herbei. Da dieser vom 1. April 1950 an wegfiel, verminderte sich die schon durch die Interessenquoten eingeschränkte – Ausgleichswirkung des Ersten Überleitungsgesetzes vom 1. April 1950 an noch weiter.
II.
Diese Entwicklung gab den Anlaß für das Bundesgesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1950 vom 16. März 1951 (FAG). Es ist auf die verfassungsrechtliche Grundlage des Art. 106 Abs. 4 GG gestützt und beruht auf folgenden Grundgedanken (§§ 1, 2, 12, 14 und 15):
Von den Steuereinnahmen eines Landes und seiner Gemeinden werden bestimmte Lasten, die wegen ihrer überregionalen Bedeutung und ungleichmäßigen Verteilung ausgeglichen werden müssen (Ausgleichslasten), abgezogen. Es verbleiben die Steuereinnahmen, die dem Lande (und seinen Gemeinden) zur Erfüllung der sonstigen, in allen Ländern annähernd gleichmäßig anfallenden Aufgaben zur Verfügung stehen; die Höhe dieses Betrags stellt die der Finanzkraft des Landes entsprechende Finanzkraftmeßzahl dar. Diese wird mit der Ausgleichsmeßzahl, welche die nach der Bevölkerungszahl auf das Bundesgebiet umgerechnete bundesdurchschnittliche Finanzkraft zum Ausdruck bringt, verglichen. Die Unterschiede (Überschuß oder Fehlbetrag) werden in gewissem Umfange ausgeglichen und zwar so, daß die Länder, deren Finanzkraftmeßzahl ihre Ausgleichsmeßzahl übersteigt, Beiträge an eine Ausgleichsmasse zu leisten haben, und die Länder, deren Finanzkraftmeßzahl ihre Ausgleichsmeßzahl nicht erreicht, aus der Ausgleichsmasse Zuschüsse erhalten.
Die nach § 22 FAG mit Zustimmung des Bundesrats erlassene Erste Durchführungsverordnung vom 26. Juni 1951 (BGBl. I S. 408) verpflichtet die ausgleichspflichtigen Länder, die Beiträge und die darauf zu leistenden Vorauszahlungen an die Bundeshauptkasse zu zahlen (§ 7 Abs. 1 Satz 1). Der Bundesminister der Finanzen hat die eingegangenen Beträge unverzüglich auf die ausgleichsberechtigten Länder zu verteilen. Er kann Beiträge, Vorauszahlungen und Zuschüsse nur mit bestimmten, in § 7 Abs. 2 unter a bis c aufgeführten Leistungen der Länder verrechnen.
III.
Die Regierung des Landes Württemberg-Baden hält das FAG aus mannigfachen Gründen für verfassungswidrig. Sie trägt im einzelnen vor:
Art. 106 Abs. 4 GG gebe zwar dem Bundesgesetzgeber die Möglichkeit, einen gewissen Ausgleich unter den Ländern herbeizuführen; das angefochtene Gesetz gehe aber über die dem Bundesgesetzgeber durch Art. 106 Abs. 4 eingeräumte Befugnis hinaus; denn es beschränke sich nicht auf „Zuschüsse”, sondern führe einen allgemeinen horizontalen Finanzausgleich durch. Es verstoße damit zugleich gegen das in Art. 20 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 3 GG ausgesprochene bundesstaatliche Verfassungsprinzip und gegen die in Art. 109 GG gewährleistete Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder, weil es auf die Leistungsfähigkeit der gebenden Länder keine Rücksicht nehme und statt eines erlaubten Spitzenausgleichs eine völlige Nivellierung herbeiführe. Es verletze auch Art. 29 GG, weil es leistungsunfähige Länder künstlich am Leben erhalte und damit die vorgesehene Neugliederung des Bundesgebiets hemme. Das FAG ziehe zum Ausgleich nicht „bestimmte”, sondern fast alle Steuern der Länder heran; überdies „entnehme” es die Ausgleichsbeträge nicht dem Ertrage der Steuern, sondern dem allgemeinen Landeshaushalt. Es beziehe ferner die Realsteuereinnahmen in die Berechnung ein und mißachte damit den Grundsatz, daß der Finanzausgleich zwischen Ländern und Gemeinden eine Sache der Landesgesetzgebung sei. Es verstoße in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung gegen Art. 106 Abs. 4 GG letzten Halbsatz, indem es die Zuschüsse in die Kasse des Bundes leite und dadurch dem Bundesfinanzminister eine Vermögensmasse zuführe und so eine Machtstellung einräume, die den Grundgedanken des Grundgesetzes widerspreche. Das FAG gebe ferner den nehmenden Ländern Zuschüsse, ohne ihre Leistungsfähigkeit (etwa sorgsame Einziehung der Steuern und sparsame Ausgabenwirtschaft) zu prüfen. Auch bestehe ein Ausgleichsbedürfnis in Wahrheit nicht, weil es bereits durch das Erste Überleitungsgesetz hinlänglich befriedigt sei.
Das FAG verstoße ferner gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 i. V. mit Art. 19 Abs. 3 GG). Es behandle die gebenden Länder ungleich, indem es ein reiches Land wie Nordrhein-Westfalen mit verhältnismäßig geringeren Beträgen heranziehe, während es die Vorbelastung Württemberg-Badens durch den Finanzausgleich im Jahre 1949 nicht berücksichtige.
Das Gesetz verstoße schließlich gegen die Präambel des Grundgesetzes und den Art. 23 GG, indem es Lindau als Land behandle.
Die Landesregierung Württemberg-Baden beantragt,
festzustellen, daß das Gesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1950 vom 16. März 1951 (BGBI. I S. 198) und die Erste Verordnung zur Durchführung dieses Gesetzes vom 26. Juni 1951 (BGBI. I S. 408) mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig sind.
Der Senat der Hansestadt Hamburg schließt sich dem Antrag an.
Die Bundesregierung, der Bundestag und die Regierungen der Länder Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein widersprechen dem Antrage mit Rechtsausführungen, die das Ziel haben, die Argumente der Landesregierung von Württemberg-Baden und des Senats der Hansestadt Hamburg im einzelnen zu widerlegen.
IV.
1. Die Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. November 1951 hat gemäß § 16 Abs. 3 BVerfGG den Ersten Senat für zuständig erklärt. Damit ist seine Zuständigkeit verbindlich begründet.
2. Es handelt sich um ein Verfahren nach § 13 Nr. 6 BVerfGG; diese Vorschrift ist dann anzuwenden, wenn ein Antragsberechtigter im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG eine Bundesnorm wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz für nichtig hält und eine hierüber bestehende Meinungsverschiedenheit den wesentlichen Streitgegenstand in dem Sinne bildet, daß ein etwa darin eingeschlossener Streit über Rechte und Pflichten der Beteiligten aus der angefochtenen Norm durch die Entscheidung über ihre Gültigkeit oder Nichtigkeit zugleich miterledigt wird.
3. Der Antrag ist nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG und § 76 Nr. 1 BVerfGG zulässig. Dies gilt auch, soweit er sich auf die Durchführungsverordnung bezieht, weil Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG Zweifel und Meinungsverschiedenheiten darüber, ob Bundesrecht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterwirft und unter Bundesrecht in diesem Sinne nicht nur Bundesgesetze, sondern auch Rechtsverordnungen des Bundes zu verstehen sind. Aus § 22 Abs. 2 FAG und dem Inhalt der Durchführungsverordnung ergibt sich, daß es sich um eine Rechtsverordnung handelt.
4. Die Landesregierung von Württemberg-Baden und der Senat der Hansestadt Hamburg sind nach den angeführten Bestimmungen antragsberechtigt. Die Antragsbefugnis der Landesregierung von Württemberg-Baden wird auch durch das Ergebnis der Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951 nicht berührt; denn nach dem Zweiten Gesetz über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern vom 4. Mai 1951 (BGBl. I S. 284) sind diese Länder erst dann zu einem neuen Bundesland vereinigt, wenn der frühestens am 25. März und spätestens am 25. April 1952 von der verfassunggebenden Versammlung zu wählende Ministerpräsident den Zeitpunkt der Bildung der vorläufigen Regierung festgestellt hat; bis zu diesem Zeitpunkt besteht das Land Württemberg-Baden fort.
5. Das Verfahren richtet sich nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften des II. Teils und den besonderen Verfahrensvorschriften des 10. Abschnittes des III. Teils des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht.
Die Verfassungsorgane, denen nach § 77 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist, sind zur mündlichen Verhandlung geladen worden. In der Verhandlung sind die Prozeßbevollmächtigten der Landesregierung von Württemberg-Baden und des Senats der Hansestadt Hamburg und Vertreter der Bundesregierung und der Landesregierung von Rheinland-Pfalz aufgetreten.
V.
Die Hauptrüge der Antragsteller geht dahin, daß der Bundesgesetzgeber mit dem angefochtenen FAG die ihm durch Art. 106 Abs. 4 GG gegebene Befugnis überschritten und ein Finanzausgleichssystem entwickelt habe, das mit dem bundesstaatlichen Aufbau unvereinbar sei. Der Sinn dieser Bestimmung des Grundgesetzes ist dunkel (vgl. Höpker- Aschoff, Das Finanz- und Steuersystem des Bonner Grundgesetzes. AöR 75, 321 – 326). Es ist deshalb sachdienlich, zu ihrem Verständnis die Entstehungsgeschichte heranzuziehen. Ein solches Verfahren ist nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtslehre jedenfalls bei neueren Gesetzen unbedenklich, für deren Auslegung sich feste Grundsätze noch nicht haben bilden können. Aus den Protokollen des Finanzausschusses und des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates (PR), den Entwürfen zum Grundgesetz und dem schriftlichen Bericht des Berichterstatters zum 10. Abschnitt „Das Finanzwesen” ergibt sich folgendes:
1. Die in der 3. Lesung des Hauptausschusses des PR am 10. Februar 1949 (Verh. des Hauptaussch. S. 664) beschlossene Fassung des damaligen Art. 122 b überließ die Regelung des vertikalen und des horizontalen Finanzausgleichs einem Finanzausgleichsgesetz. Art. 122 b lautete damals wie folgt:
„(1) Die Aufteilung der Bundessteuern auf Bund und Länder ist nach den Aufgaben, die dem Bund einerseits, den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) andererseits obliegen, in der Weise durchzuführen, daß den Ländern ein gesetzlicher Anspruch auf die Zuteilung bestimmter Bundessteuern oder die Anteile an bestimmten Bundessteuern eingeräumt wird.
(2) Das Nähere regelt das Finanzausgleichsgesetz. Es hat einem angemessenen Lastenausgleich Rechnung zu tragen.”
Art. 122 b wurde ergänzt durch eine Übergangsvorschrift (Art. 138 c 4), die wie folgt lautete:
„(1) Bis zum Inkrafttreten des Bundesfinanzausgleichsgesetzes gilt folgende Regelung:
- Die Länder erhalten für sich und ihre Gemeinden (Gemeindeverbände) die Biersteuer, die Rennwettsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer, die Vermögensteuer (mit Ausnahme einmaliger Vermögensteuern), die Erbschaftsteuern und die Realsteuern. Die Aufteilung unter die Länder wird durch Bundesgesetz geregelt. Bei der Aufteilung der Biersteuer sind die besonderen Interessen des Landes Bayern zu berücksichtigen.
- Einkommen- und Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer sind gemeinsame Einnahmen des Bundes und der Länder. Die beiden zustehenden Anteile und die Aufteilung unter die Länder werden durch Bundesgesetz festgesetzt.
(2) Die Bundesgesetze gemäß Absatz 1 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
(3) Die endgültige Aufteilung der Bundessteuern auf Bund und Länder und die endgültige Aufteilung des Aufkommens von Bundessteuern auf Bund und Länder soll unter Vorbehalt des Gesetzgebungsrechtes des Bundes möglichst bis zum 31. Dezember 1955 erfolgen.”
Art. 122 b Abs. 2 hätte also dem Bundesgesetzgeber die Befugnis gegeben, alle Möglichkeiten eines horizontalen Finanzausgleichs (damals noch als „Lastenausgleich” bezeichnet) auszuschöpfen. Art. 138 c 4 aber hätte bedeutet, daß der Bundesgesetzgeber in der Übergangszeit die Aufteilung der Einkommen- und Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer auf den Bund und die Länder und auch den horizontalen Finanzausgleich durch ein Bundesgesetz hätte regeln müssen, wobei er wiederum volle Freiheit in der Gestaltung des horizontalen Finanzausgleichs gehabt hätte.
2. Bei diesen Bestimmungen blieb es indessen nicht. Ein Memorandum der Alliierten Verbindungsstäbe vom 22. November 1948 hatte bereits darauf hingewiesen, daß die Beschlüsse der Ausschüsse des PR dem von den Besatzungsmächten gewollten bundesstaatlichen Charakter der Bundesrepublik nicht Rechnung trügen und dem Bund auf dem Gebiete der öffentlichen Finanzen zu viele Rechte einräumten (Huber, Quellen zum Staatsrecht der Neuzeit, Bd. II S. 209). Ein Aide Memoire der Alliierten Verbindungsstäbe wies dann darauf hin, daß ein horizontaler Finanzausgleich nur in einer genau umschriebenen Form bewilligt werden könnte, nämlich durch Aufteilung einzelner den Ländern zufallenden Steuern und Steueranteile auf einer anderen Grundlage als derjenigen des örtlichen Aufkommens. In einem weiteren Memorandum der Militärgouverneure selbst vom 2. März 1949 wurden die Beschlüsse des Hauptausschusses zu den Art. 122 a, 122 b, 123 und 138 c 4 einer Kritik unterzogen und Änderungen angeregt (Huber aaO S. 212). Nachdem dann durch Schreiben der Außenminister der Besatzungsmächte vom 22. April 1949 (Huber aaO S. 214) dem Bunde die Befugnis eingeräumt worden war, einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuern zur Deckung seiner eigenen, sonst nicht gedeckten Ausgaben, aber auch zur Gewährung zweckgebundener Zuschüsse an die Länder, in Anspruch zu nehmen, wurde von dem interfraktionellen Ausschuß der Vorschlag unterbreitet, die Absätze 3 und 4 des damaligen Art. 122 b wie folgt zu fassen (PR Schriftl. Bericht z. Entw. Grundgesetz S. 57):
„(3) Der Bund kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben, insbesondere zur Deckung von Zuschüssen, welche Ländern zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiete des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens zu gewähren sind, in Anspruch nehmen.
(4) Um die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder zu sichern und eine unterschiedliche Belastung der Länder mit Ausgaben auszugleichen, kann der Bund Zuschüsse gewähren (Abs. 3) oder bestimmen, daß bei einzelnen den Ländern zufließenden Steuern oder Steueranteilen das Aufkommen oder ein Teil des Aufkommens zwischen den Ländern auf einer anderen Grundlage als derjenigen des örtlichen Aufkommens verrechnet wird.”
Die zweite Alternative des Abs. 4 hätte mithin der zur Zeit der Weimarer Republik geltenden Regelung entsprochen. Sie hätte ein Bundesgesetz nötig gemacht, das die Steuern und auch die Beträge der Steuern hätte bestimmen müssen, die auf einer anderen Grundlage als derjenigen des örtlichen Aufkommens verteilt werden sollten.
3. Dieser Vorschlag erfuhr aber nach den letzten Besprechungen einer Abordnung des PR mit den Militärgouverneuren vom 25. April 1949 eine Änderung. Die Militärgouverneure hielten sich nämlich an das Schreiben der Außenminister vom 22. April 1949 gebunden, in dem diese einer Regelung zugestimmt hatten, die in Art. 106 Abs. 3 GG ihren Niederschlag gefunden hat und in der von „Zuschüssen” des Bundes die Rede war. Dieses Zuschußverfahren glaubten die Militärgouverneure auch auf das anders gelagerte Problem des eigentlichen horizontalen Finanzausgleichs übertragen zu müssen.
So kam es zu der heutigen Fassung des Art. 106 Abs. 4 GG. Er führte ein System von „Zuschüssen” ein, durch das die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder gesichert und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben ausgeglichen werden sollte. Das Wort „einzelne” (in Verbindung mit Steuern) wurde dabei durch das Wort „bestimmte” ersetzt. Die Ermächtigung, zu bestimmen, daß Steuern zwischen den Ländern „auf einer anderen Grundlage als derjenigen des örtlichen Aufkommens” verrechnet werden sollen, fiel weg. Die im Aide Memoire ausgesprochene Beschränkung ist also nicht verschärft worden. Die endgültige Fassung eröffnet vielmehr eine neue Möglichkeit, den Finanzausgleich zu gestalten.
VI.
1. Bevor auf dem Hintergrunde dieser Entstehungsgeschichte Art. 106 Abs. 4 GG im einzelnen auszulegen ist, bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem grundsätzlichen Einwande der Antragsteller, daß ein voll ausgebautes System des Finanzausgleichs, wie es das angefochtene Gesetz enthalte, mit der bundesstaatlichen Struktur der Bundesrepublik unvereinbar sei.
Zwar ist richtig, daß nach Art. 20 Abs. 1 GG die Bundesrepublik ein Bundesstaat ist, daß Art. 79 GG die Gliederung des Bundes in Länder auch gegen eine Verfassungsänderung sichert und daß Art. 109 GG die Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft den Ländern noch besonders gewährleistet. Der Schluß, den die Antragsteller aus diesen grundgesetzlichen Vorschriften ziehen, ist jedoch einseitig. Das bundesstaatliche Prinzip begründet seinem Wesen nach nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Eine dieser Pflichten besteht darin, daß die finanzstärkeren Länder den schwächeren Ländern in gewissen Grenzen Hilfe zu leisten haben. Diese Pflichtbeziehung führt nach der Natur der Sache zu einer gewissen Beschränkung der finanziellen Selbständigkeit der Länder. Deshalb hat der PR die in dem Herrenchiemseer Entwurf (Art. 37) vorgeschlagene Fassung, die den Ländern eine selbständige Finanzwirtschaft gewährleisten wollte, gerade nicht angenommen. Der PR wählte in Art. 109 die heutige einschränkende Fassung (Haushaltswirtschaft) und stellte diese Bestimmung, die ursprünglich vor den Artikeln 105 bis 108 stand, gerade deshalb diesen Artikeln nach, um deutlich zu machen, daß sie den Bestimmungen der Artikel 105 bis 108 keinen Abbruch tun solle und die Länder die in den vorangegangenen Artikeln ausgesprochenen Einschränkungen ihrer Finanzhoheit hinnehmen müßten (Verh. d. Hauptaussch. S. 166).
Ein Verstoß gegen das bundesstaatliche Prinzip könnte dann in Betracht kommen, wenn der im FAG vorgesehene Ausgleich die Leistungsfähigkeit der gebenden Länder entscheidend schwächte oder zu einer Nivellierung der Länderfinanzen führte. Das erste ist nicht der Fall, da die von den Antragstellern aufzubringenden Beträge in ihren Haushalten nicht mehr als 7,16 und 4,08 vom Hundert der Gesamtausgaben ausmachen. Auch von einer Nivellierung kann nicht gesprochen werden: Der Ausgleich berücksichtigt zunächst nur bestimmte, im wesentlichen durch den Krieg bedingte und die Länder mit verschiedenem Gewicht treffende typische Lasten. Er läßt alle anderen landesindividuellen Ausgaben außer Betracht. Schon dies verhindert eine Nivellierung. Die §§ 14 und 15 des FAG bestimmen sodann, daß der Unterschied zwischen Finanzkraftmeßzahlen und Ausgleichsmeßzahlen für die ersten 10 vom Hundert nur mit einem Viertel und darüber hinaus nur mit der Hälfte ausgeglichen werde. Hätte das Gesetz einen vollen Ausgleich herbeiführen wollen, so hätte nach den dem Entwurf des Gesetzes zugrunde liegenden Schätzungen eine Ausgleichsmasse von 670,3 Mill. DM von den ausgleichspflichtigen Ländern bereitgestellt werden müssen. Tatsächlich betrug die Ausgleichsmasse nach den Schätzungen des Entwurfs nur 281,2 Mill. DM (S. 26 und 29 der Begründung, BT-Drucksache 1634) und nach dem tatsächlichen Stande vom 8. Juni 1951 rund 286 Mill. DM. Die Finanzkraft der Länder, in Hundertteilen des Bundesdurchschnittes berechnet, schwankte vor dem Finanzausgleich zwischen 132,5 für Württemberg-Baden und 34,2 für Schleswig-Holstein, nach dem Finanzausgleich zwischen 117,6 für Württemberg-Baden und 71 für Schleswig-Holstein. Auch hieraus ergibt sich deutlich, daß die Unterschiede zwischen wohlhabenderen und ärmeren Ländern nur gemildert, aber keineswegs beseitigt worden sind.
Wenn die Antragsteller hervorheben, daß das FAG von dem Ist der Steuereinnahmen ausgehe und dadurch einer nachsichtigen Erhebung der Steuern durch ausgleichsberechtigte Länder zum Schaden der ausgleichspflichtigen nicht Rechnung trage und außerdem eine Kontrolle der Ausgabenwirtschaft der nehmenden Länder wiederum zum Schaden der gebenden nicht vorsehe, so ist das an sich zutreffend. Aber ein Mißbrauch des dem Bundesgesetzgeber eingeräumten Ermessens kann darin nicht gesehen werden. Es ist auch nicht ersichtlich, wie der Bund nach der Struktur des Grundgesetzes diese Nachteile hätte abwenden können. Das Eingreifen der Besatzungsmächte hat die vom PR zunächst geplante Bundesfinanzverwaltung verhindert und den Ländern die eigene Verwaltung der ihnen zufallenden Steuern eingeräumt. Überdies gewährleisten die vom Bund erlassenen Steuergesetze und die bundeseinheitlichen Ausführungsvorschriften rechtlich und tatsächlich im Rahmen des Möglichen eine so weitgehende Einheitlichkeit der Steuererhebungspraxis der Länder, daß eine Verfälschung des Finanzausgleichs nicht zu besorgen ist.
Eine Kontrolle der Ausgabenwirtschaft der Länder ist sowohl dem Bunde als auch den Ländern untereinander durch Art. 109 GG verwehrt. Aber auch hierdurch wird der horizontale Finanzausgleich nicht berührt. Denn in § 5 FAG sind nur bestimmte typische Ausgaben, und zwar durchweg nach objektiven Maßstäben in die Berechnung des Ausgleichs einbezogen worden, so daß weder eine leichtfertige Ausgabenwirtschaft eines ausgleichsberechtigten Landes noch eine sparsame Ausgabenwirtschaft eines pflichtigen Landes die Höhe der Beiträge und Zuschüsse berühren kann. Deshalb ist auch der Vorwurf unberechtigt, daß die ausgleichspflichtigen Länder die Folgen fremder Willensentscheidungen zu tragen hätten.
Wenn weiter geltend gemacht wird, daß infolge des Ersten Überleitungsgesetzes ein Ausgleich überhaupt nicht notwendig gewesen sei, so ist auch dies unzutreffend. Die ausgleichende Wirkung dieses Gesetzes wurde durch das System der Interessenquoten abgeschwächt. Die Anlage 1 zu der Begründung des Entwurfs des FAG ergibt, daß der im Jahre 1949 durchgeführte Ausgleich auch neben dem Überleitungsgesetz sehr bedeutsam und gerade für die schwächsten Länder wichtiger war als das Überleitungsgesetz. Auf einen Ausgleich konnte also auch im Jahre 1950 nicht verzichtet werden. Das Bedürfnis nach einem Ausgleich ist allgemein heute weit größer als in der Zeit der Weimarer Republik, weil damals der preußische Staat innerhalb seines Gebietes für einen Ausgleich sorgte und mit den Steuereinnahmen seiner reichen Provinzen Rheinland, Westfalen, beider Schlesien und der Stadt Berlin auch die Ausgaben in den ärmeren Provinzen deckte, und weil es damals keine durch den Krieg hervorgerufenen Gemeinlasten gab, die heute als Besatzungskosten und andere Kriegsfolgelasten die einzelnen Gebiete ganz verschieden treffen.
Allerdings darf ein Finanzausgleich mit Rücksicht auf Art. 29 GG nicht zu dem Ergebnis führen, lebensunfähige Länder künstlich am Leben zu erhalten. Der Bundesgesetzgeber ist aber zur Zeit gehindert, die in Art. 29 GG mit dem Ziel gesunder Länderstruktur vorgesehene Neugliederung durchzuführen, da die Ausführung des Art. 29 durch Ziff. 5 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure vom 12. Mai 1949 (Huber aaO S. 217) vorläufig hinausgeschoben ist. Bis zur Neugliederung muß der Bundesgesetzgeber den Ausgleich der heute bestehenden Gliederung anpassen. Er kann die ärmeren Länder nicht auf eine vorläufig undurchführbare Neuordnung verweisen. Selbst nach einer Neugliederung wird es voraussichtlich noch immer eines, wenn auch weniger intensiven, Ausgleichs zwischen stärkeren und schwächeren Ländern bedürfen. Schließlich sind die Zuschüsse nicht so bemessen, daß sie zu einer völligen Nivellierung führen und dadurch etwa das Streben nach einer vernünftigen Neugliederung ertöten könnten.
Die Frage, bis zu welchem Intensitätsgrad in den so abgesteckten Grenzen der horizontale Finanzausgleich vorgetrieben werden kann, ist eine finanzpolitische und keine verfassungsrechtliche. Sie entzieht sich der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht.
2. Eine Beschränkung des horizontalen Finanzausgleichs seinem Umfange nach aus der Entstehungsgeschichte oder dem Wortlaut des Art. 106 Abs. 4 GG herzuleiten, ist ebenfalls nicht angängig. Die Antragsteller berufen sich insoweit zunächst auf Ausführungen des Berichterstatters in der 20. Sitzung vom 7. April 1949 im Finanzausschuß des PR (Stenoprot. S. 10-13, 15, 18-23). Wenn der Berichterstatter damals vor einem Ausgleich nach dem Muster der Finanzausgleichsverordnung vom 30. Oktober 1944 (mit Steuerkraftmeßzahlen und Ausgangsmeßzahlen) warnte und sich nachdrücklich für den Ausgleich in der Form einer Verrechnung einzelner Landessteuern (oder bestimmter Teile dieser Steuern) auf einer anderen Grundlage als derjenigen des örtlichen Aufkommens einsetzte, so geschah dies nicht, weil man im PR einen solchen Ausgleich für den besten gehalten hätte, sondern nur weil man den Anforderungen des Aide Memoire der Verbindungsstäbe und des Memorandums der Militärgouverneure genügen zu müssen glaubte, wenn anders man die baldige Verabschiedung des Grundgesetzes durchsetzen wollte.
Die Antragsteller sehen eine Beschränkung auch in dem Wort „Zuschüsse” in Art. 106 Abs. 4 GG. Sie wollen den Begriff „Zuschüsse” als „Ausgleichszahlungen geringeren Ausmaßes, aus besonderem Anlaß und Ausnahmefällen” deuten und daraus schließen, daß Art. 106 Abs. 4 einen horizontalen Finanzausgleich überhaupt nicht gestatte. Eine unbefangene Deutung des Wortes „Zuschüsse” rechtfertigt eine solche Definition nicht. Es besteht kein methodischer Gegensatz zwischen Zuschüssen und horizontalem Finanzausgleich. Die Zuschüsse im Sinne des Art. 106 Abs. 4 GG sind nur das Mittel, um das in den Eingangsworten des Abs. 4 näher umschriebene Ziel eines horizontalen Finanzausgleichs zu erreichen. Das Wort „Zuschüsse” für sich allein – ohne Rücksicht auf andere Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere auf Art. 109 und die bundesstaatliche Gesamtstruktur – hätte sogar einen nivellierenden Ausgleich zwischen stärkeren und schwächeren Ländern gestattet.
3. Weiter wird gerügt, daß das angefochtene Gesetz nahezu alle Landessteuern für den Finanzausgleich heranziehe. Dies ist richtig. Jedoch haftet dem Wort „bestimmte” eine Begrenzung auf einen kleinen Kreis von Steuern nicht an. Eine solche Begrenzung hätte dem ursprünglichen Wortlaut, der von „einzelnen” Steuern sprach, entnommen werden können. Die Änderung beweist aber, daß die Absicht bestand, das Ermessen des Gesetzgebers hinsichtlich des Kreises der einzubeziehenden Steuern zu erweitern. Wie weit der Gesetzgeber bei der Ausnutzung dieses Ermessensspielraums gehen wollte, richtet sich nach finanzpolitischen Erwägungen, wenn nur die heranzuziehenden Steuern „bestimmt” bleiben. Dem entspricht es, wenn Art. 106 Abs. 4 weiter sagt, daß durch Bundesgesetz bestimmt werden soll, welche Steuern herangezogen werden sollen. Dieser Vorschrift genügt die Aufzählung in § 1 FAG.
Es könnten Zweifel bestehen, ob die Worte, „und mit welchen Beträgen” zu dem vorangehenden Worte „Steuern” oder zu dem nachfolgenden Worte „Zuschüsse” gehören. Ein unbefangener Leser wird die Worte auf „Zuschüsse” beziehen. Auch die Entstehungsgeschichte läßt nicht den Schluß zu, daß sie zu dem Worte „Steuern” gehören. Eine andere Auslegung hat zumindest jeden Sinn verloren, seitdem die ursprüngliche Fassung, der Gesetzgeber solle „bestimmen, daß bei einzelnen Steuern das Aufkommen zwischen den Ländern auf einer anderen Grundlage als derjenigen des örtlichen Aufkommens verrechnet werde”, gefallen ist. Art. 106 Abs. 4 GG besagt somit, daß der Bund Zuschüsse gewähren und die Mittel hierfür den durch ein Bundesgesetz bestimmten Steuern der Länder – und nicht seinen eigenen Einnahmen – entnehmen kann. Das Wort „entnehmen” hindert nicht, daß die kassenmäßige Durchführung der Zahlungen den Ländern im Rahmen ihrer haushaltsrechtlichen Vorschriften überlassen bleibt.
4. Der Schlüssel, nach dem die Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder verteilt werden, soll ebenfalls durch ein Bundesgesetz bestimmt werden. Dieser Schlüssel muß, wenn den Eingangsworten des Abs. 4 Genüge geschehen soll, so gestaltet sein, daß die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder gesichert und die unterschiedliche Belastung mit Ausgaben ausgeglichen wird. Der Schlüssel muß also Unterschiede der Steuerkraft und der Belastung in Rechnung stellen. Dies kann in sinnvoller Weise nur so geschehen, daß Steuerkraft und Belastung der einzelnen Länder mit der durchschnittlichen Steuerkraft und der durchschnittlichen Belastung innerhalb des Bundesgebietes verglichen werden. Wie unter II dargelegt, verfährt das angefochtene Gesetz nach dieser Methode. Die in dem Gesetz vorgesehenen Beiträge und Zuschüsse ergeben sich aus dem Unterschied zwischen Finanzkraftmeßzahlen und Ausgleichsmeßzahlen. Die Finanzkraftmeßzahlen spiegeln die wirkliche Steuerkraft und die wirkliche Belastung eines Landes und die Ausgleichsmeßzahlen die durchschnittliche Steuerkraft und die durchschnittliche Belastung wider. Aus dem Schlüssel ergibt sich so nicht nur die Höhe der Zuschüsse für die ausgleichsberechtigten Länder, sondern auch die Höhe der Beträge, welche die ausgleichspflichtigen Länder ihren Steuereinnahmen entnehmen müssen. Die Rüge, daß die in dem angefochtenen Gesetz gewählte Methode als solche dem Art. 106 Abs. 4 GG widerspreche, geht hiernach fehl.
5. Der weitere Einwand, daß die in dem angefochtenen Gesetz gewählte Methode der Berechnung der Beiträge und Zuschüsse auch deshalb verfassungswidrig sei, weil sie die Realsteuern einbeziehe, ist gleichfalls nicht berechtigt. Da den Gemeinden heute nur noch die Realsteuern und weniger bedeutsame indirekte Steuern als Steuereinnahmen zur Verfügung stehen, sind sie in allen Ländern auf Finanzzuweisungen und zweckgebundene Zuschüsse der Länder angewiesen. Diese Zuwendungen stellen Ausgaben dar, welche die Länderhaushalte erheblich belasten. Die Höhe der Zuwendungen hängt aber wiederum von der Höhe der Steuereinnahmen der Gemeinden ab. Da nun der Schlüssel die Unterschiede in der Steuerkraft und der Belastung ausgleichen soll, kann es nicht als ein Verstoß gegen Art. 106 Abs. 4 angesehen werden, wenn auch das Aufkommen der Realsteuern in die Rechnung einbezogen wird. Die Vorschrift, daß die den ausgleichsberechtigten Ländern zu gewährenden Zuschüsse den Steuern der ausgleichspflichtigen Länder zu entnehmen sind, wird hierdurch nicht verletzt, da diese die Zuschüsse nicht aus den Realsteuern, sondern aus ihren eigenen Steuern zu leisten haben. Die gemeindliche Finanzmasse ist lediglich ein Faktor bei der Errechnung der Finanzkraftmeßzahl des Landes, kein Gegenstand des unmittelbaren Zugriffs.
Es kann auch nicht anerkannt werden, daß die Einbeziehung der Realsteuern einen Eingriff in das den Ländern vorbehaltene Recht, den Finanzausgleich zwischen Ländern und Gemeinden zu regeln, bedeute. Zwar wird die Ausgleichspflicht unter Umständen ein ausgleichspflichtiges Land zwingen, andere Ausgaben und dabei vielleicht auch die Zuwendungen an die Gemeinden einzuschränken, aber dies kann auch aus anderen Gründen notwendig werden und berührt nicht das Recht der Länder, die Grundsätze für den kommunalen Finanzausgleich festzusetzen.
6. Es bleibt zu prüfen, welche Bedeutung der letzte Halbsatz des Art. 106 Abs. 4 hat. Wenn der Bund, wie in Abs. 4 Satz 1 gesagt ist, Zuschüsse gewähren und die Mittel hierfür bestimmten Steuern der Länder entnehmen kann, so bedingt dies, daß die Mittel wenigstens vorübergehend in die Verfügungsgewalt des Bundes kommen. Der letzte Halbsatz, wörtlich verstanden, steht hiermit in einem gewissen Widerspruch, der sich daraus erklärt, daß die Besatzungsmächte wiederholt in die Beratungen des PR eingegriffen haben. Der Halbsatz entstammt einem sozialdemokratischen Antrage, der in der 20. Sitzung des Finanzausschusses des Parlamentarischen Rates gestellt und in der 4. Lesung des Hauptausschusses wieder zurückgenommen wurde und der das gleiche Ziel verfolgte, wie der unter V, 2 erwähnte Vorschlag des interfraktionellen Ausschusses: nämlich der Forderung des Aide Memoire zu genügen und darum den Ausgleich zwischen den Ländern durch eine Verrechnung einzelner Steuern oder Steueranteile auf einer anderen Grundlage als derjenigen des örtlichen Aufkommens durchzuführen. Nachdem aber dieser Gedanke aufgegeben und statt dessen in der endgültigen Fassung ein Zuschuß-System eingeführt worden ist, kann der letzte Halbsatz nur noch die Bedeutung haben, daß die Mittel, die der Bund bestimmten Steuern der Länder entnimmt, um Zuschüsse zu gewähren, nicht eigene Einnahmen des Bundes sein sollen, sondern von ihm als Treuhänder verwaltet und von dem Bunde an die Länder unmittelbar weitergegeben werden sollen. Der Gegensatz zwischen Abs. 3 und Abs. 4 des Art. 106 veranschaulicht dies noch deutlicher: Nimmt der Bund nach Abs. 3 einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch, so stellt dieser Teil eine im Bundeshaushaltsplan auszuweisende Einnahme des Bundes dar. Durch den Haushaltsplan ist dann zu entscheiden, ob der Bund diesen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer für seine eigenen Bedürfnisse verbrauchen darf oder ganz oder zum Teil für zweckgebundene Zuschüsse an die Länder, die als Ausgaben im Haushaltsplan des Bundes ausgewiesen werden müssen, verwenden muß. Wenn der Bund dagegen nach Abs. 4 den Steuern der Länder Mittel für Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder entnimmt, so gewinnt er nicht eigene Einnahmen, die er in seinen Haushaltsplan einzustellen hätte, sondern er hat diese bundesfremden Mittel als Treuhänder an die ausgleichsberechtigten Länder unverzüglich weiterzuleiten.
Daraus ergibt sich, daß auch die auf § 22 FAG gestützten Vorschriften des § 7 der Ersten Durchführungsverordnung nicht grundgesetzwidrig sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Art. 80 und 20 Abs. 3 GG allgemein zu prüfen hat, ob eine Verordnung sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung hält. Im vorliegenden Falle deckt die Ermächtigung des § 22 FAG die Regelung, die § 7 der Ersten Durchführungsverordnung für den Zahlungsverkehr unter den ausgleichspflichtigen und ausgleichsberechtigten Ländern über die Bundeshauptkasse getroffen hat. Bedenken könnte höchstens § 7 Abs. 2 Buchstabe c erwecken. Es darf indessen nicht übersehen werden, daß das angefochtene Gesetz nur der Teil eines größeren dem Ausgleich unter den Ländern dienenden Gesetzgebungswerkes ist. Schon das Erste Überleitungsgesetz enthält, wie erörtert, Elemente eines horizontalen Ausgleichs, indem es Lasten auf die Schultern des Bundes legt und dem Bunde dafür Deckungsmittel aus der Gesamtmasse der Steuern zuführt. Hierbei ist aber vorgesehen, daß die Länder wiederum einen Teil der vom Bund übernommenen Lasten als sogenannte Interessenquoten zu tragen haben. Die Interessenquoten sind also ein Element des gesamten Ausgleichs. Es ist deshalb gerechtfertigt, daß der Bund seine Verpflichtungen und seine Ansprüche aus dem wirtschaftlichen Gesamtkomplex des horizontalen Finanzausgleichs verrechnen darf. Der Bundesminister der Finanzen hat – wie unstreitig – den ausgleichsberechtigten Ländern bei verspätetem Eingang der Beiträge oft dadurch geholfen, daß er ihnen die fälligen Interessenquoten gestundet hat. Daß dann nach dem Eingang der Beiträge die fälligen Zuschüsse mit den gestundeten Interessenquoten verrechnet werden, ist nicht zu beanstanden.
Unrichtig ist die Meinung der Antragsteller, daß die von den ausgleichspflichtigen Ländern eingezahlten Beiträge ein Vermögen in der Hand des Bundes bilden, das nach Art. 110 Abs. 3 GG in einer Anlage zum Bundeshaushaltsplan nachgewiesen werden müsse und nach § 9a RHO mit seinen Einnahmen im Haushaltsplan des Bundes auszuweisen sei. Vermögen im Sinne des Haushaltsrechts sind Grundstücke, Gebäude, wirtschaftliche Unternehmungen und Kapitalanlagen. Laufende Einnahmen, mag es sich um solche des Bundes oder um Einnahmen handeln, die – wie hier – der Bund nur als Treuhänder der Länder empfängt, fließen zwar in die Kasse des Bundes und sind dann privatrechtlich Eigentum des Bundes, aber kein Vermögen im Sinne des Haushaltsrechts. Auch die Ausführungen, daß die in der Bundeshauptkasse angesammelten Zuschüsse dem Bunde einen ungerechtfertigten Zinsgewinn gebracht hätten, sind haltlos. Aus den im Schriftsatz der Bundesregierung vom 5. Dezember 1951 beigefügten Aufstellungen (S. 16 f.) ergibt sich nach der Überzeugung des Gerichts, daß ausgleichspflichtige Länder ihrer Zahlungspflicht nicht pünktlich nachkommen, während der Bund den ausgleichsberechtigten Ländern mit Vorschüssen und Stundung der Interessenquoten aushilft. Es bedarf daher nicht der von Württemberg-Baden beantragten Einholung eines Gutachtens des Bundesrechnungshofes.
7. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) liegt nicht vor. Ein solcher Verstoß könnte darin liegen, daß der Bundesgesetzgeber von dem ihm in Art. 106 Abs. 4 GG eingeräumten Ermessen willkürlich Gebrauch gemacht hätte, indem er ohne zureichende sachliche Gründe ein Land im Gegensatz zu anderen mit unverhältnismäßig hohen Beiträgen belastet hätte. Davon kann hier nicht die Rede sein.
Die vom Bundesrat eingesetzte Studienkommission hat sich bemüht, sorgfältig ausgewogene und möglichst objektive Grundsätze für die Berechnung der Finanzkraft und die Belastung der einzelnen Länder zu finden. Das angefochtene Gesetz folgt ihr auf diesem Wege. Wenn Württemberg-Baden durch das FAG zu verhältnismäßig höheren Beiträgen herangezogen wird als Nordrhein-Westfalen, so beruht dies darauf, daß Württemberg-Baden die höchste Steuerkraft je Kopf der Bevölkerung aufweist und Nordrhein-Westfalen höhere Gemeinlasten zu tragen hat.
Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist auch nicht darin zu erblicken, daß der besonderen Belastung des Landes Württemberg-Baden durch den Ausgleich für 1949 im FAG nicht Rechnung getragen wird. Von der Bundesregierung wird zwar zugegeben, daß der Ausgleich im Jahre 1949 für Württemberg-Baden nachteilig war, weil ihm Schätzungen der Steuereinnahmen zugrunde lagen, die sich für Württemberg-Baden als allzu günstig erwiesen. Indessen ist zu bedenken, daß der Gesetzgeber im Interesse einer klaren Haushaltswirtschaft der Länder die Zuschüsse und Beiträge rechtzeitig endgültig festsetzen wollte. Deshalb mußte er von Schätzungen ausgehen. Bei dieser Sachlage war es folgerichtig, wenn er auf die für 1949 endgültig abgeschlossene Regelung nicht mehr zurückkam. Überdies war die Lage im Jahre 1948 für Württemberg-Baden umso günstiger; der Bundesgesetzgeber hätte daher, wenn er schon auf 1949 zurückgreifen wollte, gerechterweise auch die Ergebnisse des Jahres 1948 mit in Rechnung stellen müssen (vgl. die Übersicht III in der Äußerung der Bayerischen Landesregierung). Daß er statt dessen in der Anfangszeit den Finanzausgleich für jedes Jahr gesondert geordnet hat, ist sachlich zu vertreten.
Zuzugeben ist, daß der Veranlagung der Realsteuern im Land Württemberg-Baden besonders hohe Einheitswerte zugrunde liegen und so die Einbeziehung der Realsteuern in die Berechnung zu einer Benachteiligung des Landes Württemberg-Baden führen könnte. Dieser besonderen Lage des Landes Württemberg-Baden wird indessen durch § 4 Abs. 3 FAG und § 2 der Ersten Durchführungsverordnung Rechnung getragen.
Da der Gleichheitssatz nicht verletzt ist, kann dahingestellt bleiben, ob die Länder sich nach Art. 19 Abs. 3 GG in ihrem Verhältnis zum Bund überhaupt auf ihn berufen können.
8. Schließlich kann es auch nicht als eine Verletzung des Grundgesetzes (hier insbesondere der Präambel und des Art. 23 GG) betrachtet werden, wenn das FAG den bayerischen Kreis Lindau wie ein Land behandelt (§ 19). Richtig ist, daß Lindau staatsrechtlich zum Lande Bayern gehört und daß es kein Land im Sinne des Grundgesetzes ist. Das Gesetz konnte und wollte diesen staatsrechtlichen Status Lindaus nicht ändern. Lindau ist lediglich deshalb als selbständiger Partner in den Ausgleich einbezogen worden, weil es auf Grund besatzungsrechtlicher Vorschriften gezwungen ist, einen eigenen Haushalt zu führen. Die Steuereinnahmen des Kreises Lindau stehen ausschließlich für die Ausgaben dieses Kreises zur Verfügung. Es ist unmöglich, für Bayern und Lindau einheitliche Steuerkraftmeßzahlen und einheitliche Ausgleichsmeßzahlen zu bilden, wenn nicht ein unrichtiges Ergebnis erzielt werden soll. Daher ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn Lindau im Sinne des Finanzausgleichs vorläufig wie ein Land behandelt wird.
VII.
Die Antragsteller haben erklärt, daß sie das FAG und die Erste Durchführungsverordnung „im ganzen” angreifen, weil die einzelnen Bestimmungen sich nicht trennen lassen und das ganze im Gesetz entwickelte System des Finanzausgleichs mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. In der Tat stehen, wie eine nähere Untersuchung ergibt, fast alle Bestimmungen des Gesetzes in so engem konstruktiven Zusammenhang, daß nicht jede für sich allein auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden kann. Das Gesetz führt ein bestimmtes System des horizontalen Finanzausgleichs durch. Die tragenden Gedanken dieses Systems sind in den §§ 1, 2, 12, 14, 15, 22 und 24 enthalten. Wird ihre Verfassungsmäßigkeit – wie geschehen – bejaht, so folgt daraus auch die Verfassungsmäßigkeit der §§ 3 bis 11, 13, 20 und 21, die lediglich die erstgenannte Gruppe von Bestimmungen, namentlich den § 2 ergänzen und erläutern. Es sind keine verfassungsrechtlichen Bedenken erkennbar, die gesondert gegen die Verfassungsmäßigkeit der letztgenannten Gruppe von Vorschriften erhoben werden könnten. Solche Bedenken sind auch nicht vorgebracht worden.
Es bleiben einige Vorschriften des FAG (§§ 16 bis 19, 23), die mit den Grundbestimmungen des Gesetzes in loserem Zusammenhang stehen. Die gegen § 19 gerichteten Angriffe sind unter VI, 8 zurückgewiesen worden. Im übrigen handelt es sich um Sonderbestimmungen für die Länder Schleswig-Holstein, Baden und die Hansestädte. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat die Gültigkeit des FAG bejaht, der Senat von Hamburg hat gegen diese Bestimmung keine Einwände erhoben, und die Badische Landesregierung und der Senat von Bremen haben sich nicht geäußert, obwohl ihnen Gelegenheit dazu gegeben wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat auch diese Bestimmungen geprüft. Da verfassungsrechtliche Bedenken gegen sie nicht ersichtlich waren, hat es die Vereinbarkeit auch dieser Bestimmungen mit dem Grundgesetz festgestellt.
Auch die Erste Durchführungsverordnung ist geprüft worden. Ihre §§ 1 bis 6 regeln die technische Durchführung einzelner Bestimmungen des FAG und sind damit wie diese mit dem Grundgesetz vereinbar. Die gegen § 7 der DVO erhobenen Bedenken sind unter VI. 6 behandelt und entkräftet worden.
Fundstellen
Haufe-Index 1721371 |
BVerfGE 1, 117 |
BVerfGE, 117 |
NJW 1952, 457 |