Rz. 306
Gemäß den Bestimmungen in § 1 Abs. 5 AStG wird unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen die Anwendung von § 1 Abs. 1, 3–4 AStG, die normalerweise für verbundene Unternehmen gelten, auch auf interne, schuldrechtlich anzunehmende Beziehungen innerhalb eines Unternehmens ausgeweitet (Betriebsstättenkonstellationen). Dies ist notwendig, da eine Betriebsstätte rechtlich als "unselbstständiger Teil" des Gesamtunternehmens angesehen wird und somit keine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt. Deshalb sind bestimmte Anpassungen am Korrekturtatbestand des § 1 Abs. 1 AStG erforderlich.
Dabei verlangt § 1 Abs. 5 S. 1 AStG, dass die Bedingungen einer Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AStG, insbesondere die Verrechnungspreise, die bei der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen (inl. Stammhaus) und seiner ausländischen Betriebsstätte oder bei der Berechnung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens (ausl. Stammhaus) steuerlich angesetzt werden, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz genügen. Dies muss wiederum dazu führen, dass a) die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen reduziert oder b) die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden.
Rz. 307
Geschäftsbeziehung i. S. d. § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AStG
Die bedeutendste Innovation des AOA ist die Einführung des "Functionally Separate Entity Approach". Dieser Ansatz berücksichtigt nun auch explizit die Innentransaktionen ("Dealings") bei der Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten, wie im OECD Betriebsstättenbericht 2010, Part I Rz. 8 dargelegt. Dem Rechnung tragend knüpft auch die innerstaatliche Umsetzungsvorschrift des AOA in § 1 Abs. 5 an eine Geschäftsbeziehung iSd § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AStG (sog. "anzunehmende schuldrechtliche Beziehung", vgl. dazu Punkt 10.3).
Rz. 308
§ 1 Abs. 5 AStG begrenzt sich nach seinem Wortlaut auf Geschäftsbeziehungen nach § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AStG, also (ausschließlich) auf Innentransaktionen. Außentransaktionen, die einer Betriebsstätte des Gesamtunternehmens zuzuordnen sind und Geschäfte mit verbundenen Unternehmen oder Dritten umfassen, sowie deren Zuordnungsmechanismen, werden dadurch dem Wortlaut nach nicht tangiert. Angesichts etwaiger Außentransaktionen einer Betriebsstätte und dem subsidiären Einsatz des allgemeinen Veranlassungsprinzips lässt sich feststellen, dass dieses Prinzip im deutschen Steuerrecht als grundlegendes Zuordnungsprinzip gilt. Es wird daher angenommen, dass die Anwendung des Veranlassungsprinzips in der Regel zu Ergebnissen führt, die mit den durch § 9 Abs. 1 S. 1 BsGaV vorgegebenen Zuordnungen übereinstimmen. Dies ist besonders der Fall, wenn die Personalfunktion in der jeweiligen Betriebsstätte entscheidend am Zustandekommen der Außentransaktion beteiligt war, was als "auslösendes Moment" im Sinne des Veranlassungsprinzips gewertet wird. Hier spiegelt sich wider, dass die Zuordnung gemäß § 9 BsGaV, die auf der "Personalfunktion, auf der das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls beruht", basiert, selbst Elemente des Veranlassungsprinzips aufweist.
Rz. 309
Fremdunübliche Bedingungen:
Die Korrekturvoraussetzung nach § 1 Abs. 5 AStG ist, dass der Steuerpflichtige in seiner Betriebsstättengewinnabgrenzung bezüglich der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (§ 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2) fremdunübliche Bedingungen, insbesondere Verrechnungspreise, angewandt hat. Wie auch § 1 Abs. 1 AStG im Rahmen der Fremdvergleichsprüfung, bezieht sich § 1 Abs. 5 AStG auf "Bedingungen, insbesondere Verrechnungspreise". Der Hinweis auf Verrechnungspreise macht insbes. deutlich, dass der Begriff der "Bedingungen" preisbildende Faktoren einschließt. Im Betriebsstättenbericht der OECD wird der "Bedingungsbegriff" der Verrechnungspreisrichtlinien aufgegriffen, der Bedingungen als "wirtschaftlich relevante Merkmale" definiert. Der Bericht differenziert zwischen "internen Bedingungen", die durch eine Funktionsanalyse der internen Unternehmensumstände ermittelt werden, und "äußeren Bedingungen", die aus einer Analyse der externen Umgebung resultieren.
Rz. 310
Auswirkung zu Lasten des deutschen Fiskus:
Die (Korrektur-)Vorschrift des § 1 Abs. 5 AStG ist – wie § 1 Abs. 1 AStG – nur dann einschlägig, wenn die steuerlich angenommenen, fremdunüblichen Bedingungen dazu geführt haben ("dadurch"), dass die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht wurden. Dies bedeutet, dass eine Korrektur nur dann erfolgen kann, wenn die Missachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes (§ 1 Abs. S. 2–4 AStG) zum Nachteil des deutschen Fiskus führt.
Rz. 311–312
einstweilen frei