Rz. 318
Allgemeines: Two Step Approach:
Der Ausgangspunkt der Betriebsstättengewinnkorrektur ist der sog. "Two Step Approach", wie er sowohl von der OECD als auch in § 1 Abs. 5 Satz 3 und 4 AStG festgelegt wird. Der Grundgedanke besteht darin, das zivilrechtliche Einheitsunternehmen "aufzuteilen" in a) das Unternehmen im Ansässigkeitsstaat (Stammhaus) und b) in die Betriebsstätte(n) in anderen Staaten. § 1 Abs. 1 BsGaV betont dabei insbes. die Notwendigkeit einer Funktions- und Risikoanalyse. Darauf aufbauend beschreibt § 1 Abs. 2 BsGaV, wie die technische Aufteilung des Einheitsunternehmens zu erfolgen hat. Zentrales Element und Ausgangspunkt der Aufteilungsüberlegungen ist die Personalfunktion.
Aufgrund der Selbständigkeitsfiktion ist es daher in einem ersten Schritt erforderlich, eine Funktions- und Risikoanalyse durchzuführen. Dabei müssen die Personalfunktionen (Nr. 1), die Vermögenswerte (Nr. 2), Chancen und Risiken (Nr. 3) sowie ein angemessenes Dotationskapital (Nr. 4) identifiziert und der Betriebsstätte zugeordnet werden. Diese Analyse, die sich nach § 1 Abs. 5 S. 3 AStG richtet, folgt den Richtlinien des OECD Betriebsstättenberichts 2010 (Part I Rz. 13 ff.). Im zweiten Schritt muss nach § 1 Abs. 5 S. 4 AStG und basierend auf den Zuordnungen des § 1 Abs. 5 S. 3 AStG, die "Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte" festgelegt und die (fremdüblichen) Verrechnungspreise für diese Beziehungen bestimmt werden.
Die Aufteilung erfolgt – vereinfacht dargestellt – sonach durch folgende Schritte:
- Analyse der tatsächlich im jeweiligen Staat ausgeübten Personalfunktionen, gemäß § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG in Verbindung mit § 2 Abs. 3 und § 4 BsGaV,
- Zuordnung von Vermögenswerten, Geschäftsvorfällen, Chancen und Risiken basierend auf den ausgeübten Personalfunktionen, nach § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 und 3 AStG in Verbindung mit §§ 5-11 BsGaV,
- Ermittlung eines Dotationskapitals gemäß § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG in Verbindung mit den §§ 12 und 13 BsGaV.
Nachdem diese Schritte abgeschlossen sind, wird für die Betriebsstätte eine Hilfs- und Nebenrechnung (HuN) erstellt, entsprechend § 3 BsGaV, die der Form und dem Inhalt einer Bilanz sowie einer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) entspricht.
Der letzte Schritt besteht sodann darin, zu überprüfen, ob aufgrund der Zuordnungsentscheidungen die Feststellung sog. anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen notwendig ist, gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 AStG in Verbindung mit § 16 BsGaV, und diese mit einem fremdüblichen Preis zu bewerten.
Rz. 319
Zuordnung der Personalfunktionen (§ 1 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 AStG):
Die sog. Personalfunktionen bilden stets den Ausgangspunkt für die Betriebsstättengewinnkorrektur und sind damit grundlegend für sämtliche weiteren "Zuordnungsfragen", die für die Korrektur entscheidend sind (vgl. § 1 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 und 3, §§ 5–11 BsGaV). Durch die Einführung der "Personalfunktion" übernimmt der Gesetzgeber das Konzept der "(Significant) People Function" aus dem Betriebsstättenbericht der OECD in das nationale Recht. Der (abstrakte) Funktionsbegriff wird präziser durch die Definition des Personalfunktionsbegriffs in § 2 Abs. 3 S. 1 BsGaV gefasst. Hier wird eine Personalfunktion als eine Geschäftstätigkeit definiert, die vom eigenen Personal des Unternehmens ausgeführt wird. Aus den Regelbeispielen in § 2 Abs. 3 S. 2 BsGaV lassen sich weitere Einblicke in den Funktionsbegriff gewinnen: Es zeigt sich, dass sich die relevanten Geschäftstätigkeiten für den Personalfunktionsbegriff nicht auf den übergeordneten "(Gesamt-)Gegenstand" des Unternehmens beziehen, sondern vielmehr auf die spezifischen Tätigkeiten, die vom Personal des Unternehmens ausgeführt werden. Die Personalfunktion ersetzt somit die in der Betriebsstätte ausgeführten Unternehmensaktivitäten, die vor der Einführung des AOA die Grundlage für die veranlassungsbasierte Gewinnabgrenzung der Betriebsstätte bildeten. Die Präzisierung der Definition der Personalfunktion in § 2 Abs. 3 BsGaV betont durch die Anbindung an die "Geschäftstätigkeit" eine wesentliche, tätigkeitsbezogene Komponente dieses Begriffs. Zu den Geschäftstätigkeiten zählen gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 BsGaV speziell Tätigkeiten wie die Nutzung, Anschaffung, Herstellung, Verwaltung, Veräußerung, Weiterentwicklung, der Schutz, die Risikosteuerung und Entscheidungen über Änderungen bei Chancen und Risiken. Diese Aufzählung ist nicht abschließend ("insbesondere"), sondern soll als eine Reihe von Regelbeispielen verstanden werden, die den Rahmen der Personalfunktionen veranschaulichen.
Rz. 320
Grundsatz der Zuordnung von Personalfunktionen nach dem Ort der Ausübung: Obwohl die Personalfunktionen als Anknüpfungspunkte für die weiteren "Zuordnungsfragen" im Rahmen der Betriebsstättengewinnkorrektur dienen, findet sich in § 1 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 AStG keine direkte Aussage zur Zuordnung der Personalfunktion selbst. Hierfür ist sodann auf die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordung (BsGaV) zurückzugreifen.