Rz. 327
Auf der zweiten Stufe müssen nach § 1 Abs. 5 S. 4 AStG auf Basis der in § 1 Abs. 5 S. 3 AStG festgelegten Zuordnungen die "Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte" sowie die (fremdüblichen) Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen ("anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen") festgelegt werden.
Rz. 328
Anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen:
Nach § 16 Abs. 1 BsGaV sind schuldrechtliche Beziehungen anzunehmen, sog. "Dealings" im Sinne des OECD-Betriebsstättenberichtes 2010, wenn "wirtschaftliche Vorgänge" zwischen dem Stammhaus und den Betriebsstätten festgestellt werden (s. dazu bereits Punkt 10.3.). Im Grundsatz können alle denkbaren (wirtschaftlichen) Vorgänge zwischen Rechtsträgern auch als anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen im Betriebsstättenfall konstruiert werden.
Eine solche Fiktion wird ausdrücklich nach § 16 Abs. 1 BsGaV ausgelöst durch:
- die Änderung von Zuordnungen (fiktiver Kauf),
- andere Vorgänge, die normalerweise zwischen Rechtsträgern zu schuldrechtlichen Vereinbarungen führen würden (z. B. fiktive Miete oder Lizenzierung, fiktive Dienstleistung), und
- Vorgänge, die zur Geltendmachung von Rechtspositionen führen würden.
Eine schuldrechtliche Beziehung liegt im Betriebsstättenfall mithin auch dann vor, wenn wirtschaftliche Vorgänge ausfindig gemacht werden, die – wären die Betriebsstätte und das Stammhaus voneinander unabhängige Unternehmen – durch schuldrechtliche Vereinbarungen geregelt würden (Nr. 2 Buchst. a) oder zur Geltendmachung von Rechtspositionen führen würden (Nr. 2 Buchst. b).
Der dabei anzusetzende Wert muss dem Fremdvergleichsgrundsatz genügen (§ 16 Abs. 2 S. 1 BsGaV). Daraus resultieren sodann fiktive Betriebseinnahmen bei einem Unternehmensteil und entsprechend fiktive Betriebsausgaben beim anderen (§ 16 Abs. 2 S. 2 BsGaV).
Besonderheiten im Dreiecksfall:
Wenn die Zuordnung eines Zuordnungsobjekts von einer Betriebsstätte zu einer in einem anderen, d. h. dritten Staat belegenen Betriebsstätte geändert wird ("Dreiecksfall"), so führt dies zur Fiktion von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen mit dem übrigen Unternehmen (Stammhaus). Denn der Wortlaut des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AStG schließt eine "fiktive" schuldrechtliche Beziehung zwischen den (beiden) Betriebsstätten aus. Abweichend davon lässt das BMF in seinem Schreiben v. 22.12.2016, IV B 5 – S 1341/12/10001-03, BStBl I 2017, 182 Tz. 2.16.1.1, Rz. 170, aus Vereinfachungsgründen (unter bestimmten Umständen) dennoch eine Behandlung als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung – unmittelbar – zwischen den beteiligten Betriebsstätten zu.
Sonderregelungen für (besondere) Betriebsstätten:
Ferner existieren auch noch Sonderregelungen in der BsGaV, die (nur) für spezifische Betriebstätten wie Bankbetriebsstätten (§§ 18 ff. BsGaV), Versicherungsbetriebsstätten (§§ 23 ff. BsGaV), Bau- und Montagebetriebsstätten (§§ 30 ff BsGaV) sowie Förderbetriebsstätten (§§ 35 ff. BsGaV) gelten.
Ausnahme Finanzierungsbeziehung:
Nach § 16 Abs. 3 BsGaV bildet die Nutzung finanzieller Mittel des übrigen Unternehmens grundsätzlich keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung. Dies gilt jedoch nicht, wenn eine Betriebsstätte die Finanzierungsfunktion für andere Betriebsstätten ausübt, wie in § 16 Abs. 3 Nr. 1 BsGaV i. V. m. § 17 BsGaV festgelegt, oder im Fall der spezifischen Bereitstellung finanzieller Mittel aus der laufenden Geschäftstätigkeit einer Betriebsstätte (§ 16 Abs. 3 Nr. 2 BsGaV).
Rz. 329–330
einstweilen frei