Rz. 353
In der heutigen, sich rasant verändernden und globalisierten Welt, stoßen Konzerne, insbes. mit internationaler Präsenz, auf komplexe, grenzüberschreitende Sachverhalte, die auch durch (deutsche) Außenprüfungen untersucht und überprüft werden. Solche Vorgänge mit Auslandsbezug sind für den deutschen Fiskus von erheblicher Bedeutung, da sie über die Problematik "bloßer" periodenübergreifender Gewinnverschiebungen (wie bspw. bei Rückstellungen, Warenbewertung) hinausgehen – und vielmehr das Risiko eines endgültigen Steuerausfalls bergen (z. B. bei einer "falschen" Verrechnungspreissystematik im Unternehmensverbund). Dem Fiskus drohen so schnell (echte) Steuerausfälle in Millionenhöhe. Verständlich ist somit, dass die Steuerbehörden der jeweiligen betroffenen Staaten einen genauen Blick auf die jeweilige Verrechnungspreissystematik der multinationalen Konzerne werfen. Doch dieser "Blick" muss letztlich im grenzüberschreitenden Kontext auch über die "eigenen" Staatsgrenzen erfolgen, was aufgrund hoheitlicher Beschränkungen (an der Grenze) nicht immer einfach ist.
Rz. 354
Das innerstaatliche Recht erlaubt grundsätzlich die Besteuerung von im Ausland stattfindenden Sachverhalten, basierend auf dem Grundsatz der materiellen Universalität. Allerdings beschränkt das allgemein anerkannte Völkergewohnheitsrecht grundsätzlich die Ausübung hoheitlicher Befugnisse (auch die Sachaufklärung i. R.d. Betriebsprüfung) im Ausland, gemäß dem Grundsatz der formellen Territorialität. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, da die Untersuchung grenzüberschreitender Sachverhalte für die deutsche Finanzverwaltung aufgrund der territorialen Begrenzung der Hoheitsrechte auf das Inland erschwert wird.
Rz. 355
Um dennoch die effektive Aufklärung auch von Auslandssachverhalten zu ermöglichen, bestehen im deutschen Steuerrecht unilaterale Rechtsnormen wie § 123 AO (Verpflichtung zur Bestellung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten), § 138 Abs. 2 AO (besondere Anzeigepflichten), § 138a AO (Country-by-Country Reporting), § 138b AO, § 138c AO (Mitwirkungspflichten Dritter bezüglich der Beziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Drittstaaten-Gesellschaften), §§ 138d–138k AO (Mitteilungspflichten bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen), § 146 Abs. 2–2b AO (besondere Ordnungsvorschriften für die Buchführung), § 160 AO (Pflicht zur Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern), § 17 AStG (besondere Mitwirkungspflichten im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung), und § 12 StAbwG (gesteigerte Mitwirkungspflichten). Erkennbar ist, dass im Auslandsfall der Steuerpflichtige vermehrt in die Pflicht genommen wird. Diese Rechtsnormen zielen allesamt darauf ab, jene Divergenz – also die Begrenzung der Hoheitsrechte der Finanzbehörden auf das Inland und dennoch die Notwendigkeit der Sachaufklärung auch bei grenzüberschreitenden Transaktionen – zu verkleinern. Insoweit fordert insbesondere § 90 Abs. 2 AO von den Steuerpflichtigen eine "erhöhte" Mitwirkung und Beweisvorsorge bei Auslandssachverhalten, was gemäß § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO auch im gerichtlichen Verfahren gilt. Demnach sind die Beteiligten verpflichtet, aktiv zur Aufklärung von Sachverhalten mit Auslandsbezug beizutragen und entsprechende Beweismittel zu beschaffen. Für Zwecke der Verrechnungspreisprüfung statuiert zudem § 90 Abs. 3 AO spezielle Dokumentationspflichten (Erstellung einer sog. Verrechnungspreisdokumentation) für konzerninterne Verrechnungspreise. Verletzungen dieser gesetzlichen Mitwirkungspflichten führen zur Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung und ggfs. zu Zuschlägen, weshalb es relevant ist, auch die verfahrensrechtlichen (Dokumentations-)Verpflichtungen im Auslandsfall zu kennen.
Rz. 356–357
einstweilen frei