Internationales Risikobewertungsverfahren
Die gesetzliche Neuregelung aus dem Wachstumschancengesetz soll ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes Anwendung finden ( Von Bundestag verabschiedete Fassung).
Tipp der Redaktion: Hier finden Sie einen nach Steuerarten geordneten Überblick über alles wichtigen Änderungen durch das Wachstumschancengesetz |
Grundlagen für die gesetzliche Neuregelung
Im Jahr 2018 hatte die OECD erstmals ein International Compliance Assurance Programme (ICAP) als Pilotverfahren und freiwilliges Programm für multinationale Unternehmensgruppen und Steuerverwaltungen der Staaten, in denen diese tätig sind, zur Bewertung von Risiken ("Risk Assessment") und zur Erlangung einer gewissen Planungssicherheit ("Assurance") im Bereich der Besteuerung initiiert. Nach einem weiteren Pilotverfahren ist ICAP seit dem Jahr 2021 von der OECD als Standardverfahren etabliert.
ICAP soll insbesondere die nachfolgenden Vorteile ermöglichen:
- fundierte und zielgerichtete Nutzung des "Country-by-Country Reporting";
- die effiziente Nutzung der vorhandenen Ressourcen;
- ein schneller und klarer Weg hin zu multilateraler Planungssicherheit im Besteuerungsverfahren;
- ein auf Kooperation beruhendes Verhältnis zwischen international tätigen Konzernen und Steuerverwaltungen;
- weniger Fälle, die im Verständigungsverfahren gelöst werden müssen.
Mit dem seit 2022 durchgeführten freiwilligen Pilotprojekt "European Trust and Cooperation Approach" (ETACA) soll ein EU-weiter Rahmen zur Verfügung gestellt werden, innerhalb dessen Steuerverwaltungen mehrerer europäischer Staaten im Dialog mit einer teilnehmenden multinationalen Unternehmensgruppe eine Risikobewertung ("High-level Risk Assessment") hinsichtlich der für die Besteuerung relevanten Verrechnungspreise in der Unternehmensgruppe vornehmen können. Das präventive gemeinsame Vorgehen und der Dialog sollen den Unternehmen helfen, Befolgungskosten zu reduzieren und Doppelbesteuerung zu vermeiden. Das Programm entspricht in seinen Grundzügen dem ICAP.
Aufgrund der immer stärker zunehmenden internationalen Verflechtung der Unternehmen hält es der Gesetzgeber für zweckmäßig, sich auch unter den Steuerverwaltungen noch stärker zu vernetzen. Mit der nunmehr in § 89b AO-E vorgesehenen spezifischen gesetzlichen Regelung zu internationalen Risikobewertungsverfahren soll eine eindeutige gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die sowohl klar zum Ausdruck bringt, dass solche internationalen Risikobewertungsverfahren mit deutscher Beteiligung möglich sind, als auch im Sinne von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit einen Rahmen für Voraussetzungen, Abläufe und die rechtliche Einordnung der Ergebnisse setzt. Damit wird auch die Grundlage gelegt, solche Verfahren zukünftig umfassender nutzen zu können.
§ 89b AO-E lehnt sich an die bestehenden Verfahren ICAP und ETACA an, bleibt aber offen für andere Verfahren oder für mögliche künftige internationale Verfahren, die ebenfalls auf einer Risikobewertung basieren, soweit diese in dem Rahmen bleiben, den das Gesetz vorsieht.
Beschleunigung von Betriebsprüfungen (§ 89b Abs. 1 AO-E)
§ 89b Abs. 1 AO-E regelt, dass die Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen im Rahmen einer Außenprüfung unterbleiben kann, soweit in einem internationalen Risikobewertungsverfahren das Risiko eines Steuerausfalls unter Beibehaltung der erklärten oder im Rahmen des internationalen Risikobewertungsverfahrens angepassten Angaben in Bezug auf die bewerteten Sachverhalte als gering eingeschätzt wird.
Durch den Einsatz von Risikobewertungstechniken können insbesondere Betriebsprüfungen beschleunigt und fehlende Ressourcen in den Betriebsprüfungsstellen der Länder und des Bundes ausgeglichen werden. Auf weitere (zeit – und personalintensive) Ermittlungen im Rahmen von Außenprüfungen kann daher verzichtet werden, wenn das internationale Risikobewertungsverfahren ergibt, dass das Risiko eines Steuerausfalls als gering einzuschätzen ist.
Ob und in welchem Umfang eine weitere Ermittlung im Rahmen einer Außenprüfung aufgrund der Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem internationalen Risikobewertungsverfahren unterbleibt, kann das für die Außenprüfung zuständige FA in die Bestimmung des Umfangs der Außenprüfung einbeziehen (§ 194 Abs. 1a AO-E).
Definition internationaler Risikobewertungsverfahren (§ 89b Abs. 2 AO-E)
Nach § 89b Abs. 2 AO-E ist ein internationales Risikobewertungsverfahren eine gemeinsame Einschätzung von steuerlichen Risiken von bereits verwirklichten Sachverhalten mit einem oder mehreren Staaten oder Hoheitsgebieten in einem auf Kooperation und Transparenz angelegten Verfahren. Die steuerlichen Risiken sind dabei nur unter Würdigung des Umfangs und der Plausibilität der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Unterlagen und Informationen, der zu erwartenden steuerlichen Auswirkungen und des zu erwartenden zeitlichen und personellen Aufwands einer vertieften Sachverhaltsprüfung zu bewerten.
Ein internationales Risikobewertungsverfahren ist ein freiwilliges Verfahren, das Elemente der Außenprüfung und Elemente des zwischenstaatlichen Auskunftsaustauschs enthält. Das Risikobewertungsverfahren ist selbst nicht Außenprüfung und typischerweise einer Außenprüfung vorgelagert. Ein internationales Risikobewertungsverfahren basiert insbesondere auf folgenden Kriterien:
- Internationale Zusammenarbeit
Dabei ist die Anwendung auf bereits verwirklichte Sachverhalte beschränkt. Die Regelung tritt damit nicht in Konkurrenz zur verbindlichen Auskunft oder zum Vorabverständigungsverfahren.
- Kooperation und Transparenz
Ein wesentliches Merkmal eines Risikobewertungsverfahrens ist die Kooperation und Transparenz zwischen allen Beteiligten, sowohl der teilnehmenden Staaten als auch der beteiligten Unternehmen, darstellt. Ist diese Grundvoraussetzung nicht gegeben, kommt die Durchführung eines internationalen Risikobewertungsverfahrens nicht in Betracht.
- Bewertung vorliegender Unterlagen
Anders als üblicherweise im Rahmen von Außenprüfungen, erfolgt die Einschätzung der steuerlichen Risiken nur unter Würdigung der vorliegenden Unterlagen und Informationen; eine Belegprüfung ist in der Regel nicht vorgesehen, ebenso wenig eine Prüfung vor Ort.
Die Unterlagen beschränken sich in der Regel auf solche, die im Vorhinein festgelegt werden. Nachfragen oder gelegentliche Gespräche mit Unternehmensvertretern in einem der internationalen Zusammenarbeit bei der Risikobewertung gerecht werdenden Rahmen sind jedoch nicht ausgeschlossen.
Die vorgelegten Unterlagen und Informationen werden dabei einer Plausibilitätsprüfung unterzogen und ggfs. unter Verwendung von technischer Unterstützung im Hinblick auf mögliche steuerliche Risiken untersucht. Die Bewertung findet in Abstimmung mit den zuständigen Finanzbehörden der teilnehmenden ausländischen Staaten statt. Ungeachtet dessen bleibt es möglich, dass die Behörden der teilnehmenden Staaten letztlich zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen.
Details zu den Anforderungen und dem Ablauf von internationalen Risikobewertungsverfahren, die in Deutschland gegenwärtig genutzt werden, werden zwischen Bund und Ländern abgestimmt und in entsprechenden BMF-Schreiben veröffentlicht.
Risikobewertungsverfahren auf Antrag (§ 89b Abs. 3 AO-E)
Antragsberechtigung
Ein internationales Risikobewertungsverfahren kann auf Initiative eines inländischen Steuerpflichtigen oder auf Anregung eines anderen Staates erfolgen. Die Verfahren richten sich ausgehend von ihrem Zweck an große multinational tätige Unternehmensgruppen. Das sind in erster Linie multinationale Unternehmensgruppen, deren im Konzernabschluss ausgewiesene konsolidierte Umsatzerlöse im vorangegangenen Wirtschaftsjahr mindestens 750 Mio. EUR betragen haben und die deshalb nach § 138a Abs. 1 Satz 1 AO einen länderbezogenen Bericht (Country-by-Country-Report) abzugeben haben.
Des Weiteren stehen die Verfahren grundsätzlich auch kleineren multinationalen Unternehmensgruppen offen, sofern der Umsatz einer deutschen Unternehmenseinheit im vorangegangenen Wirtschaftsjahr mindestens 100 Mio. Euro betragen hat und somit die Voraussetzungen des § 90 Abs. 3 Satz 3 AO vorliegen.
Der Antrag ist jeweils durch das konzernleitende Unternehmen zu stellen, d.h. durch die inländische Konzernobergesellschaft im Sinne des § 138a Abs. 1 Satz 1 AO oder durch die beherrschende inländische Gesellschaft einer multinationalen Unternehmensgruppe, für die nach § 90 Abs. 3 Satz 3 AO eine Stammdokumentation zu erstellen ist.
Anforderungen an die Antragstellung
Dem Antrag sind Unterlagen und Erklärungen beizufügen, die der Finanzverwaltung ermöglichen zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Durchführung eines internationalen Risikobewertungsverfahrens in Betracht kommt und die einen ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens sicherstellen.
Welche Unterlagen zur Prüfung erforderlich sind, ist abhängig von dem jeweiligen internationalen Risikobewertungsverfahren, das beantragt wird, und ist den jeweiligen untergesetzlichen Beschreibungen der einzelnen Verfahren zu entnehmen, wie z. B.
- Verwaltungsanweisungen oder auch
- die Veröffentlichungen der OECD zum International Compliance Assurance Programme: Handbook for tax administrations and MNE groups oder
- die Veröffentlichung der Europäischen Kommission zu ETACA: Guidelines European Trust and Cooperation Approach (ETACA) .
Der Antragsteller muss des Weiteren zusichern, dass er auch im weiteren Verfahren alle Mitwirkungspflichten, einschließlich der Pflichten, die sich aus dem jeweiligen internationalen Risikobewertungsverfahren ergeben, erfüllen wird (§ 89b Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 AO-E). Das betrifft insbesondere die Vorlage aller weiteren erforderlichen Unterlagen.
Datenaustausch
Um einen reibungslosen Austausch der Daten sicherzustellen, ist es erforderlich, dass der Antragsteller in die Offenbarung und den (auch elektronischen) Austausch personen- und unternehmensbezogener Daten einwilligt. Ein Verfahren zur Verschlüsselung von Daten, das von allen an einem internationalen Risikobewertungsverfahren beteiligten Steuerverwaltungen genutzt werden kann, steht jedoch aktuell nicht zur Verfügung. Es ist daher erforderlich, dass alle betroffenen Personen gemäß § 87a Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz AO in die unverschlüsselte Datenübermittlung einwilligen.
Nach § 89b Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 AO-E kann der Antragsteller eine solche Einwilligung für alle betroffenen in- und ausländischen Unternehmen der Unternehmensgruppe erteilen, d.h. eine Erteilung durch die gesetzlichen Vertreter der einzelnen Gesellschaften ist entbehrlich.
Nach § 89b Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 AO-E hat der Antragsteller außerdem zuzusichern, dass er die für das internationale Risikobewertungsverfahren notwendige technische Infrastruktur unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz und zur Informationssicherheit bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten für alle beteiligten Finanzbehörden zur Verfügung stellen wird. Das beinhaltet vor allem die Einrichtung eines Datenraumes, über den Unterlagen und Informationen ausgetauscht werden, sowie das Bereitstellen technischer Möglichkeiten für die Durchführung von Videokonferenzen.
Besonderheiten bei Antragstellung durch anderen Staat
Wird ein internationales Risikobewertungsverfahren durch einen anderen Staat angeregt, kontaktiert die zuständige ausländische Finanzbehörde das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und bittet um Prüfung, ob die deutsche Finanzverwaltung sich an einem internationalen Risikobewertungsverfahren beteiligen möchte. Es handelt sich hierbei in der Regel um Fälle, in denen sich die Leitung der multilateralen Unternehmensgruppe im Ausland befindet und in Deutschland Unternehmen der Gruppe ansässig sind.
Der Kontaktaufnahme geht in der Regel eine Vorprüfung der Unterlagen durch die ausländische Finanzbehörde voraus, es besteht außerdem die Erwartung, dass entsprechende Unterlagen dann durch den anderen Staat im Zusammenhang mit der Anregung auch dem BZSt zugänglich gemacht werden, so dass sie in Deutschland für die Prüfung, ob sich die deutsche Verwaltung beteiligen sollte, zur Verfügung stehen. In diesen Fällen, in denen eine ausländische Finanzverwaltung das Verfahren koordiniert, sind die in § 89b Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 AO-E genannten Einwilligungen für alle betroffenen Unternehmen der Unternehmensgruppe durch das ausländische leitende Unternehmen zu erteilen.
Ausschluss der Durchführung eines Risikobewertungsverfahrens (§ 89b Abs. 4 AO-E)
Ist aufgrund der bestehenden Erfahrungen insbesondere bei Außenprüfungen bei dem betroffenen Steuerpflichtigen und den seiner Unternehmensgruppe angehörigen Unternehmen oder aufgrund der im Zusammenhang mit dem Antrag gemachten Angaben und eingereichten Unterlagen nicht zu erwarten, dass das Verfahren zeitnah, kooperativ, wirtschaftlich und mit einer Einschätzung der Risiken abgeschlossen werden kann, ist ein internationales Risikobewertungsverfahren ausgeschlossen. § 89b Abs. 4 AO-E benennt beispielhaft Kriterien, bei deren Vorliegen ein Verfahren nicht geführt werden kann. In welchen Fällen das bedeutendste Kriterium des kooperativen Verhaltens der betroffenen Unternehmen nicht als erfüllt anzusehen ist, wird in § 89b Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AO-E näher umschrieben.
Das wesentliche Merkmal ist die Erfüllung der steuerlichen Mitwirkungspflichten. Diese sind nach § 89b Abs. 4 Satz 3 AO-E insbesondere nicht gewahrt, wenn (beispielhafte Aufzählung)
- Steuererklärungen, länderbezogene Berichte im Sinne des § 138a AO oder Stammdokumentationen im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 3 AO nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben wurden,
- ein Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Abs. 2 AO oder ein Zuschlag nach § 162 Abs. 4 oder 4a AO festgesetzt worden ist oder
- der inländische Steuerpflichtige oder eine ihn nach § 34 AO vertretende oder nach § 79 AO für ihn handelnde Person rechtskräftig wegen einer das Unternehmen betreffenden Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist.
Für die Beurteilung des kooperativen Verhaltens werden im Grundsatz die letzten 5 Jahre betrachtet.
Daneben müssen weitere Voraussetzungen vorliegen, die für ein internationales Risikobewertungsverfahren unbedingt erforderlich sind. Fehlt die Bereitschaft und Zusage des leitenden Unternehmens, die besonderen Mitwirkungspflichten des jeweiligen Verfahrens zu erfüllen, ist eine Durchführung des Verfahrens ausgeschlossen (§ 89b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AO-E). Die betrifft insbesondere die Abgabe der in § 89b Abs. 3 Satz 3 AO-E bezeichneten Unterlagen und Zusicherungen.
In die Prüfung, ob ein internationales Risikobewertungsverfahren durchgeführt wird, ist auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verfahrens einzubeziehen (§ 89b Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 AO-E). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um noch neue, aufwendige Verfahren handelt, in die viele Akteure im In- und Ausland einzubeziehen sind und für die nicht überall praktische Erfahrungen bestehen. Sie sind speziell für größere Konzerne vorgesehen und erfordern eine sorgfältige Planung und Umsetzung, um sicherzustellen, dass sie effektiv durchgeführt werden.
Aufgrund der begrenzten Ressourcen der Steuerverwaltung ist es notwendig, eine sorgfältige Abwägung zwischen den Kosten für die Verwaltung und den erwarteten Vorteilen aus dem Verfahren vorzunehmen. Die Finanzverwaltung ist aber auch gehalten, sicherzustellen, dass sie ausreichende Ressourcen bereitstellt, damit ein Verfahren angemessen und effizient durchgeführt werden kann.
Insbesondere wenn eine ausländische Finanzbehörde die Initiative für ein internationales Risikobewertungsverfahren ergreift, sich die Konzernspitze folglich im Ausland befindet, und nachgeordnete Konzernunternehmen in Deutschland einbezogen werden sollen, ist es wichtig, abzuwägen, ob der Umfang der Aktivitäten in Deutschland ausreichendes Potenzial bietet, um Erkenntnisse für die inländischen Beteiligten aus dem Verfahren zu gewinnen.
Finden sich nicht genügend Staaten, die bereit sind, an einem vorgeschlagenen Verfahren teilzunehmen, ist eine Durchführung des internationalen Risikobewertungsverfahrens bzw. eine Teilnahme der deutschen Finanzverwaltung im Hinblick auf den Aspekt der oben beschriebenen Wirtschaftlichkeit nicht zweckmäßig. Dieselbe Situation ist gegeben, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit der inländischen Unternehmen in den Staaten, die sich beteiligen wollen, unbedeutend ist (§ 89b Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 AO-E).
Beginn und Ende eines internationalen Risikobewertungsverfahrens (§ 89b Abs. 5 AO-E)
§ 89b Abs. 5 AO-E enthält Ausführungen zum Beginn und Ende eines internationalen Risikobewertungsverfahrens. Hat die Prüfung der Voraussetzungen des § 89b Abs. 4 AO-E und die Abstimmung mit den zuständigen ausländischen Behörden ergeben, dass ein internationales Risikobewertungsverfahren durchgeführt wird, erhält der Antragsteller eine unverbindliche Information über die Einleitung des Verfahrens, einschließlich der Mitteilung über die teilnehmenden Staaten und die zu bewertenden Sachverhalte. Ist ein internationales Risikobewertungsverfahren nach Prüfung im Sinne des § 89b Abs. 4 AO-E ausgeschlossen, wird der inländische Steuerpflichtige auch darüber informiert.
Ein internationales Risikobewertungsverfahren kann auf verschiedene Weise beendet werden. Der Regelfall wird die Beendigung durch Erstellung und Übersendung eines Risikobewertungsberichts sein nach einer abschließenden Durchführung des Verfahrens. Da es sich um ein freiwilliges Verfahren handelt, hat der inländische Steuerpflichtige zudem die Möglichkeit, jederzeit von dem Verfahren zurückzutreten und es dadurch zu beenden. Auch die Finanzverwaltung kann das Verfahren vor dessen Abschluss beenden.
Das Gesetz sieht diese Möglichkeit vor, wenn es an einer Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden und dem Steuerpflichtigen fehlt, die eine Fortführung und einen Abschluss des Verfahrens ermöglichen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Uneinigkeit über den Umfang vorzulegender Unterlagen oder zu erteilender Auskünfte besteht oder die technischen oder rechtlichen Voraussetzungen fehlen, um die Daten auszutauschen.
Ohne die Möglichkeit eines vollständigen Austauschs der für das Verfahren erforderlichen Daten zwischen den beteiligten Unternehmen und den Finanzverwaltungen ist eine Durchführung eines internationalen Risikobewertungsverfahrens nicht möglich.
Über die Beendigung des Verfahrens werden der Antragsteller und die ausländische zuständige Behörde oder die zuständigen Behörden, wenn mehrere Staaten beteiligt waren, informiert.
Bewertung des durchgeführten Verfahrens (§ 89b Abs. 6 AO-E)
Das Ergebnis der Bewertung des durchgeführten Risikobewertungsverfahrens wird mit den beteiligten Staaten abgestimmt. Ein einheitliches Votum ist jedoch nicht erforderlich.
In den Risikobewertungsbericht ist jedenfalls das Votum der inländischen Finanzverwaltung aufzunehmen. Ein zusammengefasster Bericht, in dem die Bewertungen auch der ausländischen beteiligten Behörden wiedergegeben werden, ist nicht ausgeschlossen.
Der Risikobewertungsbericht soll die folgenden Angaben enthalten:
- Eine Beschreibung aller bewerteten Sachverhalte.
- Eine Liste der beteiligten Unternehmen und der an dem internationalen Risikobewertungsverfahren beteiligten Staaten und Hoheitsgebiete.
- Die Einschätzung der steuerlichen Risiken der bewerteten Sachverhalte. Für die Frage, ob weitere Ermittlungen unterbleiben können, ist insbesondere relevant, welche Sachverhalte mit einem geringen Risiko bewertet wurden. In den Risikobewertungsbericht können aber auch Aussagen dazu aufgenommen werden, welche Sachverhalte mit einem nicht geringen Risiko bewertet wurden oder nicht bewertbar waren.
- Die Angabe, welche Zeiträume diese Bewertung umfasst hat.
Der Risikobewertungsbericht wird dem Antragsteller bzw. dem inländischen leitenden Unternehmen übersandt. Dabei ist § 194 Abs. 1a AO-E zu beachten, denn die Außenprüfungsstellen entscheiden bei der Festlegung des sachlichen Umfangs einer Außenprüfung, ob und in welchem Umfang weitere Ermittlungen im Rahmen einer Außenprüfung aufgrund der Erkenntnisse aus dem internationalen Risikoanalyseverfahren unterbleiben sollen. Die untergesetzlichen Regelungen zu den einzelnen Verfahren können vorsehen, dass die Übersendung des Risikobewertungsberichts zeitlich mit den beteiligten Finanzverwaltungen der anderen Staaten koordiniert wird oder dass ein gemeinsamer Abschlussbericht zu erstellen ist.
Einbindung des BZSt (§ 89b Abs. 7 AO-E)
§ 89b Abs. 7 AO-E enthält Regelungen zur Zusammenarbeit zwischen den Länderfinanzbehörden und dem BZSt bei der Durchführung internationaler Risikobewertungsverfahren. Da die Verfahren Elemente der zwischenstaatlichen Rechts- und Amtshilfe beinhalten und grundsätzlich eine Mitwirkung an (späteren) Außenprüfungen nach § 19 FVG in Betracht kommt, ist das BZSt als dafür zuständige Behörde stets einzubeziehen. Aus diesem Grund wird dem BZSt die Koordination internationaler Risikoanalyseverfahren und die Mitwirkung an diesen Verfahren als neue Aufgabe zugewiesen.
Geht beim zuständigen FA ein Antrag eines inländischen Steuerpflichtigen für ein internationales Risikobewertungsverfahren ein, ist das BZSt entsprechend unverzüglich darüber zu informieren. Anregungen zur Durchführung eines internationalen Risikoanalyseverfahrens eines anderen Staates gehen nach den Vereinbarungen über den zwischenstaatlichen Informationsaustausch beim BZSt ein. Dieses hat das für die Besteuerung des Unternehmens zuständige FA, das an dem Verfahren beteiligt werden soll, ebenso unverzüglich darüber in Kenntnis zu setzen.
Es kann vorkommen, dass mehrere inländische Unternehmen betroffen sind, für die unterschiedliche Finanzämter zuständig sind. Sofern es ein inländisches Unternehmen gibt, das den gesamten inländischen Teil der Unternehmensgruppe leitet, erhält das FA die Information, welches für Besteuerung dieses Unternehmens zuständig ist. Fehlt es an einem Unternehmen, das den inländischen Teil der Unternehmensgruppe leitet, werden durch das BZSt alle betroffenen Finanzämter informiert. In diesen Fällen ist es für einen effektiven Ablauf des weiteren Verfahrens zweckmäßig, dass unter den betroffenen Finanzämtern eine Zuständigkeitsvereinbarung für die Durchführung des internationalen Risikoanalyseverfahrens getroffen wird, daher soll das BZSt auf eine solche hinwirken.
Internationale Risikobewertungsverfahren erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen dem BZSt und den betroffenen Landesfinanzbehörden. Die Entscheidung, ob ein internationales Risikobewertungsverfahren geführt werden kann, die Verfahrensdurchführung und der Abschluss sollen daher einvernehmlich vorgenommen werden. Die eigentliche Risikobewertung erfolgt dabei federführend durch die zuständige Landesfinanzbehörde, da diese über die entsprechenden Kenntnisse der betroffenen Unternehmen verfügt, unter Mitwirkung des BZSt.
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