1.5.1 Verhältnis zur verdeckten Gewinnausschüttung, verdeckten Einlage, Entnahme und Einlage
Rz. 39
Die Korrekturvorschriften, die die Einkünfte erfassen – insbesondere die Vorschriften zur Einlage (§ 4 Abs. 1 S. 8 EStG), zur Entnahme (§ 4 Abs. 1 S. 2 ff. EStG), zur verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG), zur verdeckten Einlage (§ 8 Abs. 3 S. 3 ff. KStG) sowie § 1 AStG – sind prinzipiell eigenständig und können nebeneinander angewendet werden. Aus der Formulierung "unbeschadet anderer Vorschriften" in § 1 Abs. 1 S. 1 AStG leitet sich aber kein Wahlrecht für die Anwendung von § 1 AStG oder einer anderen Korrekturnorm ab (VWG VP 2023 Rn. 1.3). § 1 AStG soll vielmehr ergänzend oder in spezifischen (Dreiecks-)Situationen "anstelle" anderer Korrekturnormen angewendet werden, wenn diese (Korrektur-)Normen allein noch nicht ausreichen, um den zutreffenden Inlandsgewinn genau zu erfassen. Die genaue Höhe des korrekten inländischen Gewinns ist ganzheitlich unter Einbeziehung aller Korrekturen und Gegenkorrekturen zu bestimmen, dabei sind Auswirkungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG außer Acht zu lassen. Wenn andere Korrekturnormen bereits die korrekte Erfassung des inländischen Gewinns sicherstellen, ist eine Anwendung von § 1 AStG nicht notwendig (§ 1 Abs. 1 S. 4 AStG).
Beim Fremdvergleich nach Abs. 1 gelten grundsätzlich dieselben Kriterien wie für die Beurteilung einer verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG. Es gibt jedoch eine wesentliche Abweichung in Bezug auf die Anwendung des Median- und Mittelwertansatzes, wie sie in Abs. 3a S. 3 und 6 festgelegt ist. Im Gegensatz dazu muss bei der Ermittlung der verdeckten Gewinnausschüttung der für den Steuerpflichtigen günstigste Vergleichspreis herangezogen werden.
Falls Korrekturen und Gegenkorrekturen ("Vorteilsverbrauch" im Dreiecksfall) sich im Inland ausgleichen, sollte ausschließlich § 1 AStG angewendet werden. Die Anwendung anderer Korrekturnormen, auch auf der Ebene der Gesellschafter, wird in diesem Fall ausgesetzt. Sollten sich ausschließlich in der Höhe weiterführende Folgen durch die Anwendung des § 1 AStG ergeben, müssen zusätzliche Korrekturen neben den Berichtigungen, die sich aus anderen Vorschriften ergeben, vorgenommen werden.
Insbesondere in Fällen, wo eine in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft eines internationalen Konzerns betroffen ist, also bei sog. Inbound-Konstellationen, basiert die Korrektur nicht fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise ggf. auf den Regelungen zur verdeckten Gewinnausschüttung (vGA). Nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG darf eine vGA das zu versteuernde Einkommen der deutschen Tochtergesellschaft nicht verringern. Als Folge einer vGA wird daher das Einkommen - wie auch bei § 1 AStG – außerbilanziell erhöht. Jedoch löst die vGA zusätzlich Kapitalertragsteuer aus. Dies bedeutet, dass bei Anpassungen der Verrechnungspreise zusätzlich zu möglichen Nachforderungen an Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, sowie dem Solidaritätszuschlag, eine Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 % anfällt, es sei denn, es liegt eine Ausnahmegenehmigung gem. § 50c Abs. 2 EStG (sog. Freistellungsbescheinigung) vor.
Rz. 40–41
einstweilen frei
1.5.2 Verhältnis zu nationalen Betriebsausgabenabzugsbeschränkungsnormen und den Entstrickungsvorschriften
Rz. 42
Betriebsausgabenbegriff (§ 4 Abs. 4 EStG):
Das Verhältnis des Betriebsausgabenbegriffs zu den Gewinnkorrekturvorschriften ergibt sich aus den unterschiedlichen Ebenen ihrer Anwendung. § 4 Abs. 4 EStG wird innerhalb der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG oder im Rahmen der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG angewendet. Die Gewinnkorrekturvorschriften wie § 1 AStG greifen auf einer späteren Ebene ein, um den bereits nach allgemeinen steuerlichen Vorschriften ermittelten Gewinn (fremdüblich) anzupassen. § 4 Abs. 4 EStG definiert und grenzt Betriebsausgaben ab und schließt dabei keine nachträgliche Gewinnkorrektur durch spezielle Vorschriften, wie § 1 AStG, aus. Mithin gilt es in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Aufwendungen überhaupt betrieblich veranlasst sind: Bei Zinsaufwendungen stellt sich bspw. schon eine Stufe zuvor (d. h. vor § 1 Abs. 3d AStG) die Frage, ob solche Zinszahlungen überhaupt als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG anzuerkennen sind. Mithin stellt sich erst danach in einem zweiten Schritt die Frage, ob die Zinsaufwendungen auch der Höhe nach fremdüblich sind.
Rz. 43
Entstrickungsvorschriften (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 16 Abs. 3a EStG):
Die Implementierung des Authorized OECD Approach (AOA) in § 1 Abs. 5 AStG verlangt, dass Gewinne von Betriebsstätten, einschließlich der damit verbundenen Wirtschaftsgüter, unter der Annahme einer fiktiven Selbständigkeit der (zivilrechtilich unselbständigen) Betriebsstätte ermittelt und zugeordnet werden. Dies beeinflusst auch die Anwendung von Entstrickungsvorschriften. Speziell § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 5 AStG in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV sieht vor, dass eine Änderung in der "Zuordnung von Wirtschaft...