Rz. 370
§ 8 Abs. 2 S. 4 AStG regelt die Reichweite des Substanznachweises, d. h. den Substanznachweis der Höhe nach. Die Norm knüpft an das Vorliegen einer "wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit" an und ordnet dieser Tätigkeit nur solche Einkünfte zu, die durch die Tätigkeit "erzielt" werden und dies nur insoweit, als der Fremdvergleichsgrundsatz (§ 1 AStG) beachtet worden ist. § 8 Abs. 2 S. 4 AStG betrifft somit die "Segmentierung" der Einkünfte für Zwecke des Substanznachweises. Der Zweck der Norm ist darin zu sehen, einen fremdunüblichen Gewinn der Zwischengesellschaft nicht der Substanzausnahme zu unterwerfen.
Rz. 371
Die Norm scheint zwei Zuordnungsschritte zu enthalten, zunächst das "Erzielen" der Einkünfte und sodann die Anwendung des Fremdvergleichs. Tatsächlich ist die aber Frage des "Erzielens" von Einkünften bereits auf Grundlage des Fremdvergleichs zu beantworten. Dies betrifft jedoch vorrangig die Frage des Erzielens durch die ausländische Gesellschaft.
Die deutsche M-GmbH ist Alleingesellschafterin der IP-Ltd. auf Zypern, die als Lizenzverwertungsgesellschaft Rechte erwirbt und im Konzern überlässt. Die IP-Ltd. übt damit im Wesentlichen administrative Tätigkeiten aus.
Auf Ebene der IP-Ltd. ist aufgrund der lediglich administrativen Tätigkeitsausübung nur ein Routinegewinn anzusetzen.
§ 8 Abs. 2 S. 4 AStG betrifft dagegen das "Erzielen" der Einkünfte durch die einzelnen Tätigkeiten.
Die deutsche M-GmbH ist Alleingesellschafterin der F-Ltd. auf Zypern, die als konzerninterne Finanzierungsgesellschaft Darlehen vergibt und zugleich konzerninterne Dienstleistungen erbringt, die nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG aktiv sind. Um negative steuerliche Folgen zu vermeiden, werden für die Darlehen nur unüblich niedrige Zinsen berechnet, während die Dienstleistungen unüblich hoch vergütet werden.
Die Zuordnung der Einkünfte der F-Ltd. hat nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu erfolgen. Dem entsprechend sind für Zwecke des § 8 Abs. 2 AStG die Zinseinkünfte um den unüblichen Teil zu erhöhen.
Das "Erzielen" von Einkünften durch eine Tätigkeit betrifft eine Zuordnungsfrage, für die das Veranlassungsprinzip als allg. Zuordnungsprinzip heranzuziehen ist, welches wiederum auch dem Fremdvergleich zugrunde liegt. Der Substanznachweis wird im Ergebnis auf die durch die wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit veranlassten Einkünfte beschränkt. Dies umfasst im Rahmen der funktionalen Betrachtungsweise auch Nebenerträge der wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit. Fremdunübliche "Übergewinne" fallen nicht mehr unter die Substanzausnahme. Eine zweistufige Prüfung ergibt sich daraus insbesondere insoweit, als der Fremdvergleich nach § 1 AStG Ausprägungen annimmt, die über die Maßstäbe des Veranlassungsprinzips und der verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage hinausgehen (s. dazu noch Rz. 373).
Rz. 372
Wenn aber die Einkünftezuordnung im Kontext des § 8 Abs. 1 AStG im Allgemeinen und in § 8 Abs. 2 AStG wegen S. 4 im Besonderen auf Grundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes unter Berücksichtigung der Wertschöpfung erfolgt, ist damit im Grundsatz zwingend eine ausreichende Substanz für die fremdüblichen Einkünfte zu bejahen. Dies entspricht im Ergebnis der Rechtsprechung des BFH zu § 8 Abs. 2 AStG a. F. Fragen wirft der Fremdvergleich als "Substanzindikator" aber dort auf, wo § 1 AStG keine Anwendung findet. Dies soll z. B. dann der Fall sein, wenn die Einkünfte der Zwischengesellschaft aus Transaktionen mit fremden Dritten basieren. Auch in diesem Fall wird man den Fremdvergleich der Einkünftezuordnung indes zugrundelegen müssen, wenn die ausländische Gesellschaft die von ihr abgerechneten Leistungen nicht selbst erbringt, sondern dies durch Konzerngesellschaften erfolgt. Wichtiger erscheint dagegen der Fall, in dem die ausländische Zwischengesellschaft – z. B. ausgestattet mit Eigenkapital – Vermögenswerte (Lizenzrechte, Beteiligungen) erwirbt oder Darlehen vergibt und daraus Einkünfte erzielt. Der EuGH hat für den Fall einer Beteiligungsholding keine hohen Substanzanforderungen für nötig erachtet, um von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen. Dies spricht im Ausgangspunkt dafür, auch für aus den bloß "gehaltenen" Vermögenswerten erzielte Einkünfte einem Substanznachweis zugänglich zu machen. Auch in diesen Fällen wird man indes auf die ausgeübten Personalfunktionen, die übernommenen Risiken und die eingesetzten Vermögenswerte abstellen müssen, um die fremdübliche Gewinnzurechnung im Konzern zu überprüfen.
Rz. 373
Besondere Bedeutung erlangt der in § 8 Abs. 2 S. 4 AStG enthaltene Verweis auf den Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 AStG für Einkünfte aus immateriellen Werten (§ 1 Abs. 3c AStG) sowie aus Einkünfte aus Finanzierungsbeziehungen (§ 1 Abs. 3d, 3e AStG). Diese Vorschriften regeln nämlich speziell für leicht verlagerbare die Bestimmung des angemessenen Verrechnungspreises. Die in § 1 AStG angelegten Maßständ...