Rz. 48
Die hinzurechnungssteuerlichen Bestimmungen in §§ 7 ff. AStG und die Verrechnungspreisvorschriften in § 1 AStG überschneiden sich in ihren Anwendungsbereichen, interagieren miteinander und können sich ergänzen. Ein Zusammentreffen der Verrechnungspreisvorschriften und der Hinzurechnungsregelungen ergibt sich im Grundsatz schon, weil die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages der Zwischengesellschaft "in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts" erfolgt (§ 10 Abs. 3 AStG). Damit bildet § 10 Abs. 3 AStG im System der Hinzurechnungsbesteuerung eine zentrale Schnittstelle zu denjenigen deutschen Steuerrechtsbestimmungen, welche die Verwirklichung des Grundkonzepts des Fremdvergleichsgrundsatzes zum Gegenstand haben (z. B. die vGA und vE). Der Fremdvergleich ist sonach unstrittig bei der Ermittlung hinzurechnungspflichtiger Einkünfte der Zwischengesellschaft zu beachten.
Dabei gilt es jedoch, zwei unterschiedliche Konstellationen zu berücksichtigen. Zum einen kann eine Geschäftsbeziehung zwischen einem inländischen Anteilseigner und einer ausländischen Zwischengesellschaft zu beurteilen sein. Hierbei stellt sich die Frage, wie eine Verrechnungspreiskorrektur im Inland den Hinzurechnungsbetrag "der Höhe nach" beeinflusst. Da es in diesem Fall ohne eine koordinierte Anwendungsreihenfolge der Verrechnungspreisregelungen und der Hinzurechnungsbesteuerung zu einer (ungewollten) Überbesteuerung kommen kann, ist die im Leitsatz des diesbezüglichen "Grundsatzurteils" zum Ausdruck gekommene Auffassung des BFH v. 19.3.2002 hervorzuheben: Eine Übermaßbesteuerung soll derart vermieden werden, indem bei der Ermittlung der hinzurechnungspflichtigen Zwischeneinkünfte eine "Gegenberichtigung" iHd nach § 1 AStG korrigierten Betrags erfolgt. Damit genießen die Verrechnungspreisregelungen faktisch Vorrang. Das heißt, nur Einkünfte, die nach einer Verrechnungspreiskorrektur gemäß § 1 AStG bei der Zwischengesellschaft verbleiben, können nach § 7 ff. AStG hinzugerechnet werden. Eine Hinzurechnung von Einkünften, die bereits über eine Anpassung nach § 1 AStG der inländischen Besteuerung zugeführt wurden, ist hingegen ausgeschlossen. Dieser höchstrichterlichen Spruchpraxis hat sich die Finanzverwaltung unlängst angeschlossen und ihre Auffassung auch in den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise 2023 (Rz. 1.7) kodifiziert. Zum anderen gibt es aber auch Fälle, in denen aus – deutscher – Perspektive keine „grenzüberschreitende“ Transaktion vorliegt, weil die ausländische Zwischengesellschaft lediglich Transaktionen mit anderen Auslandsgesellschaften eingeht ("foreign-to-foreign-Beziehungen"). In diesen Konstellationen fehlt es also an einer Geschäftsbeziehung "zum Ausland" als notwendige Voraussetzung für eine Korrektur nach § 1 AStG (§ 1 Abs. 1 S. 1 AStG). Eine Verrechnungspreiskorrektur nach § 1 AStG ist folglich aus deutscher Sicht nicht möglich, auch wenn die Transaktion bei einer (hypothetischen) Anwendung der deutschen Verrechnungspreisregelungen hätte korrigiert werden müssen. In derartigen Fällen ist die Antwort auf die Frage nach einer "entsprechenden" Anwendung der deutschen Steuervorschriften für die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages weniger eindeutig. Nach gefestigter Rechtsprechung sowie der Verwaltungsauffassung soll § 1 AStG in derartigen (reinen) Auslandstransaktionen bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages nach § 10 Abs. 3 AStG nicht anwendbar sein. Allerdings können in foreign-to-foreign-Beziehungen die Rechtsinstitute der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage den Hinzurechnungsbetrag beeinflussen. Systematisch wäre durch eine "entsprechende" Anwendung des § 1 AStG bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages allerdings ein Gleichlauf zum Motivtest des § 8 Abs. 2 S. 4 AStG hergestellt, der schließlich die Beachtung des Fremdvergleichs (§ 1 AStG) ausdrücklich postuliert.