8.1 Allgemeines
Rz. 241
Mit dem Wachstumschancengesetz wurden in den neuen Absätzen 3d und 3e in § 1 AStG erstmalig gesetzliche Verrechnungspreisregeln für unternehmensgruppeninterne Finanzierungsbeziehungen implementiert. Die Neufassung des § 1 AStG soll nach § 21 Abs. 1a AStG ab dem Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraum 2024 zur Anwendung kommen. Die Anwendbarkeit der neuen Vorschrift des § 1 Abs. 3d AStG auf bereits bestehende grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen innerhalb von Unternehmensgruppen ist diskutabel. Um Rechtssicherheit für bestehende Darlehen zu gewährleisten, wäre es sachgerecht, dass diese Regelungen ausschließlich auf neue Darlehen, die ab 2024 aufgenommen werden, Anwendung finden. Nach den Erläuterungen in der Gesetzesbegründung zu dieser Regelung wird durch den festgelegten Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelungen ab dem Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraum 2024 den inländischen Steuerpflichtigen die Gelegenheit geboten, sich auf die neuen Bestimmungen vorzubereiten. Dies wäre nicht gegeben, wenn auch bereits bestehende Finanzierungsverhältnisse einbezogen würden.
In multinationalen Unternehmensgruppen bieten grenzüberschreitende Finanzierungstransaktionen wie auch die Lizenzierung immaterieller Werte (s. dazu § 1 Abs. 3c AStG, Punkt 7) erhebliches Potential zur steuerlichen "Optimierung" durch die Verlagerung von Gewinnen über die Grenze. Diese (speziellen) Transaktionen standen daher in jüngerer Vergangenheit vermehrt im Zentrum der Aufmerksamkeit von internationalen Standardsetzern, wie etwa der OECD, erkennbar in den OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022 (siehe dazu Kapitel X der OECD-TPGL), sowie von Gesetzgebern und den Finanzverwaltungen. So hat sich auch die deutsche Finanzverwaltung in den VWG VP 2021 (sowie in den überarbeiteten VWG VP 2023) ausführlich in einem gesonderten Kapitel J konzerninternen Finanzierungsbeziehungen angenommen und verwaltungsseitige Anweisungen – die sich eng an den OECD-Vorgaben orientieren – herausgegeben.
Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes wollte der Gesetzgeber – um gewisse Finanzierungsgestaltungen zu unterbinden – durch die Einführung einer Zinshöhenschrake (§ 4l EStG-E) den Abzug von Fremdfinanzierungsaufwendungen (weiter) einschränken, zog diesen Plan jedoch nach massiver Kritik von Wirtschaftsverbänden zurück.
Stattdessen wurde nunmehr in § 1 AStG durch neu eingeführte Absätze 3d und 3e der Fremdvergleichsgrundsatz für Finanzierungsbeziehungen präziser gefasst, um der Aushöhlung des inländischen Steuersubstrats durch fremdunübliche Finanzierungsstrukturen entgegenzuwirken. Während § 1 Abs. 3d AStG den Abzug von (Zins-)Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach in den Blick nimmt, widmet sich § 1 Abs. 3e AStG der "Vermittlungen" oder "Weiterleitungen" von Finanzierungsbeziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe und deklariert diese im Grundsatz als funktions- und risikoarme Dienstleistung; im Fokus stehen hierbei insbes. funktions- und risikoarme (ausländische) Finanzierungsgesellschaften.
Hinweis: Obgleich es bei Finanzierungsbeziehungen gewisse Besonderheiten zu beachten gilt, hat auch hierbei die sachgerechte Abgrenzung der Geschäftsvorfälle – wie bei anderen unternehmensgruppeninternen Geschäftsbeziehungen – auf Basis einer Funktions- und Risikoanalyse zu erfolgen.
Rz. 242–243
einstweilen frei
8.2 Fremdüblichkeit dem Grunde nach (§ 1 Abs. 3d S. 1 Nr. 1 AStG)
Rz. 244
Dreistufiger Fremdvergleichstest:
In § 1 Abs. 3d Satz 1 AStG leitet mit einer deutlichen Aussage ein: "Es entspricht nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, wenn ein aus einer grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe resultierender Aufwand die Einkünfte des Steuerpflichtigen gemindert hat [...]".
Das Hauptziel dieser gesetzlichen Formulierung ist die Umkehr der Beweislast im Besteuerungsverfahren bezüglich grenzüberschreitender gruppeninterner Finanzierungsbeziehungen. Es obliegt sonach nicht mehr der prüfenden Finanzbehörde, die Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach darzulegen, sondern der Steuerpflichtige muss "glaubhaft machen", dass für die gruppeninterne Fremdfinanzierung insbes. ein wirtschaftlicher Bedarf besteht und dass der Steuerpflichtige finanziell in der Lage ist, die Zinsen und die Tilgung (Kapitaldienst) über die gesamte Laufzeit der Fremdfinanzierungsbeziehung hinweg zu erfüllen (z. B. mit einer Prognoserechnung). Der Gesetzgeber bevorzugt hier die Glaubhaftmachung, mithin das mildere Mittel im Vergleich zum Vollbeweis. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Aufnahme von Fremdkapital auf Basis von geschäftlichen Annahmen erfolgt, welche für einen nachträglichen, detaillierten (Voll-)Beweis nur bedingt geeignet sind. Zur Glaubhaftmachung gehört, dass die konkreten Umstände substanziiert und in sich schlüssig dargelegt werden. Es genügt hierbei die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Kriterien erfüllt werden.
Rz. 245
Mit der Nr. 1 wird der Gedanke verfolgt, aus dem Blickwinkel des Fremdvergleich...