9.1 Allgemeines
Rz. 259
Die Spezifizierung des Fremdvergleichsgrundsatzes für konzerninterne Finanzierungsbeziehungen in Abs. 3e fand, wie auch Abs. 3d, erst während des Gesetzgebungsprozesses des Wachstumschancengesetzes durch eine Initiative des Bundesrates Eingang und ersetzte damit die im Koalitionsvertrag und (noch) im Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes enthaltene Zinshöhenschranke (§ 4l EStG-E). Diese Änderungen des Bundesrates entsprechen dabei denen, die bereits im Referentenentwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes enthalten waren, jedoch seinerzeit im parlamentarischen Verfahren nicht in die endgültige Fassung des AbzStEntModG aufgenommen wurden. Die Präzisierungen des Fremdvergleichsgrundsatzes für Finanzierungsbeziehungen sollen ab dem Veranlagungszeitraum 2024 gelten und zielen im Wesentlichen darauf ab, den überhöhten (fremdunüblichen) Abzug von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben zu begrenzen – bei Abs. 3e stehen jedoch insbes. funktions- und risikoarme Finanzierungsgesellschaften im Fokus der Norm. Finanzierungsfunktionen stellen in der Regel Unterstützungsfunktionen für das eigentliche wertschöpfende Kerngeschäft dar. Etwas anderes gilt, wenn die Finanzierungsfunktion eine Primärfunktion und damit Kernbestandteil des Wertschöpfungsmodells ist, wie etwa im Banken- oder Versicherungsbereich.
Rz. 260
Nach § 1 Abs. 3e S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AStG wird nunmehr von einer funktions- und risikoarmen Dienstleistung (Routinedienstleistung) ausgegangen, für die laut der Gesetzesbegründung grds. (nur) eine Vergütung auf Kostenaufschlagsbasis verlangt werden kann, wenn eine "Vermittlung" oder "Weiterleitung" einer Finanzierungsbeziehung innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe erfolgt. Zu den betroffenen Tätigkeiten sollen nach § 1 Abs. 3e S. 2 AStG auch die Steuerung von Finanzmitteln, wie ein Liquiditätsmanagement, ein Finanzrisikomanagement, ein Währungsrisikomanagement oder die Tätigkeit als Finanzierungsgesellschaft gehören (insbes. auch typische Treasury-Funktionen im Konzern). Der Ausdruck "Finanzierungsbeziehung" korrespondiert in Abs. 3e mit der (Legal-)Definition in § 1 Abs. 3d Satz 2 AStG (s. dazu Punkt 8.4).
Rz. 261
Abs. 3e zielt insbes. auch auf funktions- und risikoarme Finanzierungsgesellschaften im Ausland ab und verankert gesetzlich, was zuvor in den VWG VP 2021 unter Rn. 3.92 und in den aufgrund der Rechtsprechung des BFH angepassten VWG VP 2023 in Rn. 3.125 (verwaltungsseitig) festgeschrieben wurde. Jedoch lässt die Norm eine konkrete Rechtsfolge vermissen – zumindest sind keine spezifischen rechtlichen Folgen für die Zuweisung der die (Routine-)Vergütung übersteigenden Beträge normiert ("weitere Transaktionen" i. S. d. BFH-Rechtsprechung, I R 4/17 und dazu VWG VP 2023, Rn. 3.125, s. dazu Rz. 274).
Rz. 262–263
einstweilen frei
9.2 Vermittlung einer Finanzierungsbeziehung (§ 1 Abs. 3e S. 1 Nr. 1 AStG)
Rz. 264
Vermittlung:
§ 1 Abs. 3e S. 1 AStG definiert, wann eine funktions- und risikoarme Dienstleistung im Zusammenhang mit Finanzierungsbeziehungen vorliegt. Dies ist der Fall, wenn innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe Finanzierungsbeziehungen nur "vermittelt" (Abs. 3e S. 1 Nr. 1) oder weitergeleitet (Abs. 3e S. 1 Nr. 2) werden. Gemäß § 1 Abs. 3e Satz 1 Nr. 1 AStG handelt es sich dabei in der Regel um eine funktions- und risikoarme Dienstleistung (Routinedienstleistung), wenn eine Finanzierungsbeziehung zwischen Unternehmen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe vermittelt wird. Nr. 1 gilt auch dann als erfüllt, wenn zum Beispiel ein Unternehmen innerhalb einer Gruppe die Rolle eines "Vermittlers" zwischen verbundenen Unternehmen und externen (dritten) Marktteilnehmern übernimmt.
Die Leistungserbringerin (Vermittler) muss dabei eine ausländische Gruppengesellschaft sein, während die Leistungsempfängerin der Vermittlungsleistung eine inländische Gruppengesellschaft ist, bei der die Vergütung für die erbrachte Vermittlungsleistung einer Finanzierungsbeziehung als Aufwand die Einkünfte gemindert hat. Nach dem Wortlaut muss es sich bei der vermittelten Finanzierungsbeziehung jedoch nicht zwingend um eine grenzüberschreitende, aber um eine gruppeninterne Finanzierungsbeziehung handeln. In der Regel ist die erbrachte Vermittlungsleistung mittels der Kostenaufschlagsmethode zu vergüten, basierend auf den direkt zuordbaren Betriebskosten.
Rz. 265–266
einstweilen frei
9.3 Weiterleitung einer Finanzierungsbeziehung (§ 1 Abs. 3e S. 1 Nr. 2 AStG)
Rz. 267
Weiterleitung:
Gemäß § 1 Abs. 3e S. 1 Nr. 2 AStG wird angenommen, dass es sich auch bei der bloßen Weiterleitung von Finanzmitteln in einer Unternehmensgruppe um eine (Routine-)Dienstleistung handelt. Die Regelung nach § 1 Abs. 3e S. 1 Nr. 2 AStG zielt darauf ab, insbes. auch Konstellationen zu erfassen, bei denen eine ausländische Gesellschaft der Unternehmensgruppe Finanzmittel am Kapitalmarkt beschafft und diese dann an eine inländische Gesellschaft "weiterleitet", ohne dabei ein wesentliches finanzielles Risi...