Rz. 270
Der in § 1 Abs. 3e Satz 2 AStG bestimmte sachliche Geltungsbereich erstreckt sich insbes. auf sog. Treasury-Funktionen innerhalb von multinationalen Unternehmensgruppen, wie auch in Rz. 10.39 ff. der OECD-VPL 2022 näher ausgeführt. Es werden dabei die typischen (Routine-)Dienstleistungen in Bezug auf das Management von Finanzmitteln für die interne und externe Finanzierung von Unternehmensgruppen normiert. Der Kern dieser Vorschrift zielt darauf ab, die Vergütungshöhe für bestimmte gruppeninterne Finanzdienstleistungen auf eine Routinevergütung zu begrenzen. Insbesondere soll die Vergütung für Treasury-Funktionen, die hinsichtlich ihrer Funktionen und Risiken grds. als weniger komplex eingestuft werden, primär nach der Kostenaufschlagsmethode ermittelt werden. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass es als "nicht abwegig" angesehen wird, wenn der Gewinnaufschlag für diese (Routine-)Finanzdienstleistungen zwischen 5 % und 10 % der direkt zurechenbaren Kosten liegt, wobei die direkt entstandenen Finanzierungskosten nicht in die Berechnungsgrundlage für den Gewinnaufschlag einfließen sollen. Gleichwohl bleibt ggfs. im Einzelfall das individuelle Funktions- und Risikoprofil maßgebend (s. zum möglichen "Gegenbeweis" § 1 Abs. 3e S. 3 AStG).
Rz. 271
Liquiditätsmanagement (Cash-Pooling):
Das sog. Cash Pooling, eine Methode der Liquiditätssteuerung innerhalb von Unternehmensgruppen, umfasst unter anderem die Beschaffung und Anlage von internen Finanzmitteln am Kapitalmarkt sowie das Managen von Auszahlungen oder die Bereitstellung von Finanzmitteln für Gruppengesellschaften. Diese Praxis ermöglicht es, durch die Zentralisierung von Liquiditätsreserven den Bedarf an externem Fremdkapital zu reduzieren und bei Vorhandensein von Überschüssen höhere Erträge zu generieren. Cash Pooling wird als eine kurzfristige Maßnahme zum Liquiditätsmanagement verstanden und wurde bereits zuvor von der Finanzverwaltung (als auch der OECD) grds. als eine funktions- und risikoarme Finanzdienstleistung eingestuft, was den Gesetzgeber nunmehr wohl veranlasste, dieser Verwaltungsauffassung eine gesetzliche Grundlage zu geben. Die Preisgestaltung für die vom Cash Pool geleisteten (Routine-)Finanzdienstleistungen erfolgt grds. mittels der Kostenaufschlagsmethode, wobei ein Gewinnaufschlag von regelmäßig 5 % bis 10 % angemessen ist.
Rz. 272
Finanzrisikomanagement:
Im Liquiditätsmanagement umfasst die Steuerung des Cash Pools im Zweifel nicht nur grundlegende Koordinationsaufgaben, sondern auch fortgeschrittene Funktionen, wie das Management von Kreditausfall-, Liquiditäts- und Zinsänderungsrisiken. Wenn ein gruppeninterner Cash Pool über seine Koordinationsfunktion hinaus zusätzliche Risiken trägt, kann ihm ggfs. nach einer durchgeführten Funktions- und Risikoanalyse auch eine höhere Vergütung als für eine funktions- und risikoarme Dienstleistung zustehen (s. auch § 1 Abs. 3e S 3 AStG).
Rz. 273
Währungsrisikomanagement:
In Unternehmensgruppen kann das Liquiditäts- und Finanzrisikomanagement auch die Steuerung von Fremdwährungsrisiken umfassen, die durch Wechselkursschwankungen bei Fremdwährungsbeständen, -forderungen und -verbindlichkeiten entstehen. Übernimmt ein gruppeninterner Cash Pool zusätzlich zu seiner (reinen) Koordinationsfunktion die wesentliche Steuerung dieser Währungsrisiken, kann ihm eine höhere Vergütung als für eine funktions- und risikoarme Finanzdienstleistung (mittels der Kostenaufschlagsmethode) zuerkannt werden. Dies ist stets durch eine detaillierte Funktions- und Risikoanalyse nachzuweisen.
Rz. 274
Tätigkeit als Finanzierungsgesellschaft:
Auch die Tätigkeit einer Finanzierungsgesellschaft wird vom Gesetzgeber unter einer widerlegbaren Vermutung (s. zum Gegenbesweis § 1 Abs. 3e S. 3 AStG) als funktions- und risikoarme Finanzdienstleistung charakterisiert. Dieser steht daher grds. nur eine Routinevergütung (risikolose Rendite) für ihre erbrachten Dienstleistungen zu.
Rechtsfolge:
Welche Rechtsfolge daraus erwächst, bleibt jedoch (zumindest) dem Wortlaut der Vorschrift nach offen. § 1 Abs. 3e S. 2 AStG beschreibt lediglich, dass die Tätigkeit einer Finanzierungsgesellschaft, grundsätzlich als eine funktions- und risikoarme Dienstleistung anzusehen ist. Hierbei stellt sich v.a. die Frage, ob der neue Abs. 3e nunmehr die jüngste Rechtsprechung des BFH im Zusammenhang mit funktionsschwachen Finanzierungsgesellschaften überschreibt. Richtig wäre es (auch hierbei), die Vergütung (d. h. den Zins) der Finanzierungsgesellschaft insoweit zu "begrenzen", sodass der Finanzierungsgesellschaft entsprechend ihres (gesetzlich angenommenen) eingeschränkten Funktions- und Risikoprofils eine Routinevergütung verbleibt. Denn sollte eine Finanzierungsgesellschaft nicht über die Fähigkeit und die Befugnis verfügen, das Risiko ihres Finanzierungsgeschäfts zu kontrollieren oder zu tragen, steht ihr als Vergütung für die Vermittlung, die Kapitalbereitstellung bzw. -weitergabe und die damit verbundene funktionale und risiko...