Rz. 39
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen § 17 Abs. 1 AStG nicht, da dieser lediglich die Mitwirkungspflichten bzw. Offenbarungs- und Vorlagepflichten für die von ihm verfolgten Zwecke in legitimer Weise konkretisiert. Die Norm stellt sich als Verfahrensvorschrift dar, mit der kein ungerechtfertigter Eingriff in die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Stpfl. einhergeht.
Rz. 40
Bedenken der Verfassungsmäßigkeit bestehen hingegen bei § 17 Abs. 2 AStG. Dieser stellt eine von § 17 Abs. 1 AStG eigenständige Regelung dar. Der BFH führt zur Schätzung aus, dass, gehe es – wie im Streitfall – um die Schätzung der Einkünfte, für die eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, so sei auch der Schätzungsrahmen in § 17 Abs. 2 AStG zu beachten: Mangels anderer geeigneter Anhaltspunkte bei der Schätzung ist hiernach von mindestens 20 % des gemeinen Wertes der von den unbeschränkt Stpfl. gehaltenen Anteilen auszugehen. Der vom Gesetzgeber pauschal vorgegebene Schätzungsrahmen im Sinne einer Untergrenze wird vom BFH kommentarlos angewandt.
Rz. 41
Wegen der durch § 17 Abs. 2 AStG vorgegebenen Rechtsfolge einer "substanzverzehrenden Besteuerung" sehen Stimmen in der Lit. eine Verfassungswidrigkeit der Norm. Die Untergrenze von 20 % stelle keine realistische Schätzung dar, sodass eine (signifikante) Substanzbesteuerung eintrete. In der Folge liege eine Unanwendbarkeit der Norm vor. Die Vorschrift des § 30 EStG 1934 hatte bereits eine Pauschalbesteuerung bei Auslandsbeziehungen zum Gegenstand und wurde vom BFH wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG für verfassungswidrig erklärt. Dem BFH zufolge könne eine bloße Möglichkeit einer Gewinnminderung durch Auslandsbeziehungen nicht zur alleinigen Voraussetzung der Festsetzung einer Pauschsteuer unabhängig von einer tatsächlichen Gewinnminderung gemacht werden. Es darf nach allgemeinen Grundsätzen des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts nur der tatsächliche, eventuell geschätzte Gewinn der Besteuerung unterworfen werden. Wenn anstelle einer Schätzung des tatsächlichen Gewinns in § 17 Abs. 2 AStG eine Schätzungsuntergrenze vorgegeben wird, werde eine Pauschbesteuerung aufgebaut. Besteht ein pauschaler Schätzungsrahmen, wird eine Substanzbesteuerung eingeführt, die nicht mit Art. 3 GG zu vereinbaren ist.
Rz. 42
Dem Vorwurf einer Pauschbesteuerung kann entgegengewirkt werden, indem das FA seinen Ermittlungspflichten umfassend nachkommt und die Vorschrift tatsächlich nur mangels anderer geeigneter Anhaltspunkte anwendet. Da der Charakter als allerletzter Lösungsweg auch Maßgabe des Tatbestands von § 17 Abs. 2 AStG ist, können die Bedenken gegen die Verfassungswidrigkeit abgemildert werden. Ferner besteht eine deutliche Differenz zwischen § 30 EStG 1934 und der Norm des § 17 Abs. 2 AStG, sodass der damals vom BFH festgestellte Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht auf die aktuelle Vorschrift übertragbar ist. Zudem ist die Untergrenze der Schätzung i. H. v. 20 %, die erst bei Nichtvorliegen anderer geeigneter Anhaltspunkte heranzuziehen ist, vergleichbar zum Ansatz mit dem Kapitalisierungsfaktor von 13,75 im Ertragswertverfahren. Dieser Ansatz wird zur Bestimmung des Unternehmenswerts herangezogen. Dabei wird auch von jährlichen Einkünften von mindestens 1/5 des Unternehmenswerts ausgegangen.