1.6.1 Verhältnis zum Abkommensrecht
Rz. 42
Zunächst ist zu konstatieren, dass § 1a AStG nicht mit einem treaty override versehen ist und demnach die Preisanpassungsklasuel normtechnisch DBA-Regelungen nicht verdrängen kann. Sonach stellt sich die Frage, ob sich § 1a AStG mit dem Abkommensrecht verträgt und insbes. ob eine (nachträgliche) Korrektur aufgrund der Preisanpassungsklausel der sog. "Sperrwirkung" des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entgegensteht.
Rz. 43
Sofern nahestehende Personen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA). Der auf diese Weise definierte Fremdvergleichsgrundsatz bildet in Abkommensfällen den Rahmen für etwaig vorzunehmende Verrechnungspreiskorrekturen. Soweit es bei einem Vertragsstaat zu einer Einkünftekorrektur kommt, die nicht mit dem so definierten Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar ist, steht dieser Korrektur die "Sperrwirkung" des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entgegen. Mit anderen Worten: Orientiert sich das innerstaatliche Recht an anderen Grundsätzen als denen, die in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA niedergelegt sind, entfaltet die Norm grundsätzlich eine Sperrwirkung gegenüber innerstaatlichem Recht. Dies gilt im Grundsatz auch nach der neueren Spruchpraxis des BFH, wodurch der o. g. Sperrwirkungs-Grundsatz teilweise relativiert wurde.
Rz. 44
Teilweise wird daher in der Literatur vertreten, dass eine (nachträgliche) Korrektur aufgrund des § 1a AStG – die nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz korrelieren soll – der Sperrwirkung des Art. 9 OECD-MA entgegenstünde.
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Eine (Einkünfte-)Korrektur aufgrund der Preisanpassungsklausel wird nicht durch Art. 9 OECD-MA gehindert. Mit anderen Worten Art. 9 OECD-MA eintfaltet in diesem Kontext keine Sperrwirkung. Die (deutsche) Preisanpassungsklausel dient gerade nicht der "originären" Umsetzung des in § 1 AStG verbrieften Fremdvergleichsgrundsatzes (s. dazu bereits Rz. 20, 39). Zudem enthalten auch die OECD-Verrechnungspreisleitlinien, die international zur Auslegung von Art. 9 OECD-MA herangezogen werden, dem Grunde nach die Möglichkeit zur Vornahme einer nachträglichen Preisanpassung.
Rz. 45-46
einstweilen frei
1.6.2 Verhältnis zum Verfassungsrecht
Rz. 47
§ 1a AStG selbst begegnet in seiner bisherigen und gegenwärtigen Fassung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstößt § 1a AStG nicht wegen fehlender Normklarheit gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Einige Begriffsbestimmungen ergeben sich bereits aus dem Zusammenspiel mit § 1 AStG (s. Rz. 38). Zum anderen genügt dem aus Art. 20 GG herzuleitenden verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot bereits, wenn Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können. Auch angesichts der Übereinstimmungen mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien ist § 1a AStG insbes. keine willkürliche und damit rechtsstaatswidrige Regelung.
Rz. 48
einstweilen frei
1.6.3 Verhältnis zum Unionsrecht
Rz. 49
Für rein nationale Sachverhalte (z. B. Übertragung eines Markenrechts zwischen zwei deutschen Schwestergesellschaften) sieht das deutsche Steuerrecht keine entsprechende Preisanpassungsregel vor. Folglich greift die Preisanpassungsklausel nur bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen, sodass Auslandsinvestitionen im Grundsatz steuerlich behindert werden. Mithin stellt sich die Folgefrage, ob eine damit einghergehende Beschränkung der in Art. 49 AEUV verbürgten Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt ist. Die Beschränkung ist zur Wahrung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt. Die Preisanpassungsklausel dient im weiteren Sinne der Bekämpfung der Steuerflucht bzw. wirkt missbräuchlicher Steuerumgehung entgegen und ist (auch) aus diesem Grund gerechtfertigt. Ferner wird dem Steuerpflichtigen in Satz 1 des § 1a AStG die Möglichkeit eines Gegenbeweises ("ist widerlegbar zu vermuten") eingeräumt und § 1a S. 6 AStG konkretisiert insoweit drei sachgerechte Escape-Klauseln, sodass eine Preisanpassung (proaktiv) vom Steuerpflichtigen vermieden werden kann.
Rz. 50
einstweilen frei