Rz. 51
Wesentlichkeitskriterium:
§ 1a S. 1 AStG nimmt dem Wortlaut nach nur "wesentliche" immaterielle Werte und Vorteile in den Blick. Wann immaterielle Werte bzw. Vorteile "wesentlich" sind, definiert § 1a AStG jedoch nicht. Einen Anhaltspunkt bietet dabei eine Parallelwertung durch einen Blick ins weitere Normenumfeld – nämlich im Rahmen der Funktionsverlagerung: Der Begriff der wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter findet sich in § 1 Abs. 3c S. 2 AStG und fand sich zuvor in § 1 Abs. 3 S. 10 AStG aF. Im Binnenbereich einer Funktionsverlagerung regelt § 1 Abs. 3 FVerlV, dass "wesentlich" solche immateriellen Wirtschaftsgüter sind, deren Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und sonstiger Vorteile des Transferpakets beträgt. In Anwendung dieser Wertung sind immaterielle Werte wesentlich, die 25 % der Summe aller Verrechnungspreise im Rahmen einer Transaktion ausmachen.
Rz. 52
Werden immaterielle Werte oder Vorteile außerhalb einer Funktionsverlagerung übertragen, ist § 1 Abs. 3 FVerlV für die Beurteilung der Wesentlichkeit untauglich. Hier kann ein qualitativer Beurteilungsmaßstab für die Würdigung der Frage, ob "wesentliche" immaterielle Werte oder Vorteile vorliegen, herangezogen werden. Immaterielle Werte sind insbesondere dann wesentlich, wenn sie für das jeweilige Geschäftsmodell bzw. im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses einen maßgebenden Werttreiber darstellen. Wesentliche immaterielle Werte sind dahingehend regelmäßig z. B. ein Kunden- oder Lieferantenstamm, Patente, Markenrechte, Warenzeichen, Rezepturen, spezielles Know-how. Bei den "wesentlichen" immateriellen Werten oder Vorteilen muss es sich nicht zwingend um schwer zu bewertende immaterielle Werte i. S. d. Tz. 6.186 bis 6.195 der OECD-Leitlinien handeln, sondern es sind vielmehr auch andere immaterielle Werte von der Preisanpassungsklausel erfasst.
Mithin bedarf es dafür stets einer Einzelfallprüfung unter beachtung des individuellen Geschäftsmodells. Hierbei sind gerade Branchenkenntnisse von Vorteil.
Rz. 53
Immaterielle Werte oder Vorteile:
Betroffen von der Preisanpassungsklausel sind (nur) konzernninterne Geschäftsbeziehungen, die wesentliche immaterielle Werte oder Vorteile zum Gegenstand haben. Was unter einer "Geschäftsbeziehung" zu verstehen ist, ergibt sich aus § 1 Abs. 4 AStG. Da in § 1a AStG ausdrücklich von immateriellen Werten die Rede ist, kommt die Preisanpassungsklausel nicht zur Anwendung, wenn ausschließlich materielle Werte übertragen werden. Zu beachten ist, dass die Preisanpassungsklausel im alten Recht dem Wortlaut nach nur zur Anwendung kam, wenn immaterielle Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile Gegenstand der Geschäftsbeziehung waren. D.h. nach der Neuregelung ("immaterielle Werte oder Vorteile") genügt die alleinige Übertragung oder Überlassung eines wesentlichen immateriellen Werts, da nicht (mehr) erforderlich ist, dass zugleich immaterielle Vorteile mit übergehen müssen (so auch i. R.d. Funktionsverlagerung gem. § 1 Abs. 3b AStG). Für die hierbei fraglichen Geschäftsbeziehungen wird (regelmäßig) der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung kommen. Letzteres lässt sich § 1a AStG – anders der Altregelung aus § 1 Abs. 3 S. 11 a. F. – zwar nicht mehr ausdrücklich entnehmen, jedoch wird in § 1a S. 1 AStG auf "Gewinnerwartungen" rekurriert, die sich grundsätzlich nur über den hypothetischen Fremdvergleich abbilden lassen. Diese Annahme passt auch zu der Auffassung der Verwaltung, die in ihren VWG VP 2023 anführt, dass insbesondere für immaterielle Werte der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung gelangt.
Rz. 54
Immaterielle Werte:
Der neue Wortlaut der Preisanpassungsklausel in § 1a S. 1 AStG stellt nicht mehr auf immaterielle "Wirtschaftsgüter", sondern auf immaterielle "Werte" ab. Immaterielle Werte sind seit Umsetzung des AbzStEntModG in § 1 Abs. 3c AStG definiert. Diese gesetzliche Legaldefinition im AStG orientiert sich dabei eng an die Definition der OECD.
Rz. 55
Immaterielle Werte sind gem. § 1 Abs. 3c AStG Vermögenswerte, die
1.) weder materielle Wirtschaftsgüter oder Beteiligungen noch Finanzanlagen sind,
2.) die Gegenstand eines Geschäftsvorfalls sein können, ohne einzeln übertragbar sein zu müssen, und
3.) die einer Person eine tatsächliche oder rechtliche Position über diesen Vermögenswert vermitteln können.
Rz. 56
Als Beispiele für immaterielle Werte werden in der Gesetzesbegründung etwa Patente, Know-How und Handelsgeheimnisse, Warenzeichen, Handelsnamen und Marken, vertragliche Rechte sowie Lizenzen genannt. Konzernsynergien sowie Marktbedingungen kommen dagegen nicht als immaterielle Werte in Betracht, da diese nicht selbständig bewertbar und kontrollierbar sind. Sie sollen als Vergleichbarkeitsfaktoren und damit bei der Bewertung zu berücksichtigen sein. Ferner wird auch in der Gesetzesbegründung klargestellt, dass für das Vorliegen eines immateriellen Werts nicht die Anforderungen an ein Wirtschaftsgut erfüll...