1.10.1 Verhältnis zum Verfassungsrecht
Rz. 85
Zur Verfassungskonformität des § 2 AStG – in seiner damaligen, gleichwohl weitgehend der heutigen entsprechenden Fassung – liegt eine Entscheidung des BVerfG vor. Darin kam das BVerfG zu dem Schluss, der "gesamte Regelungsgehalt der Vorschrift" sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Verfassungsmäßigkeit des § 2 AStG könnte in Anbetracht dessen als geklärt gelten. Im Schrifttum spiegelt sich Gegenteiliges wider. Zahlreiche Bedenken werden mit Blick auf das den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) im Allgemeinen, das Leistungsfähigkeitsprinzip im Besonderen sowie das Bestimmtheitsprinzip erhoben.
Rz. 86
Indem § 2 Abs. 1 AStG an die deutsche Staatsangehörigkeit anknüpft, soll die Norm einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG darstellen. Dem wird entgegen gehalten, der von § 2 Abs. 1 AStG verfolgte Lenkungszweck bringe zwangsläufig eine Ungleichbehandlung mit sich, weshalb kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz bestehe. Letzteres trifft zwar zu, auch der Lenkungseffekt ist indes an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Das BVerfG hat die Beschränkung der Norm auf Deutsche als sachgerechte Erwägung angesehen, weil § 2 Abs. 1 AStG nicht der Rückwanderung von Ausländern in ihre Heimat entgegenstehen solle. Ob dieses Argument noch verfängt, wird angesichts der deutlich gestiegenen internationalen Mobilität bezweifelt. Diese Gegenmeinung lässt sich hören. Fraglich bleibt gleichwohl, ob nicht die Staatsangehörigkeit trotz rechtstatsächlicher Änderungen weiterhin ein geeigneter Sachgrund sein kann. Denn wenngleich das BVerfG den Zweck des Tatbestandsmerkmals in der Ermöglichung der Rückkehr von Ausländern in ihr Heimatland sah, greift die Argumentation ebenso bei jenen Ausländern, die in einen Drittstaat verziehen. Typischerweise wird "Steuerflucht", d. h. der steuerlich motivierte Wegzug, nämlich nicht durch den vorherigen Zuzug eingeleitet. Im Übrigen werden Steuerausländer – im Gegensatz zu Deutschen – auch nicht regelmäßig wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen zurückbehalten. Die Rechtfertigung steht dennoch auf tönernen Füßen und ist keineswegs zwingend. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erscheint möglich, zumal die Erwägungen weit weniger überzeugend erscheinen, als im Kontext des § 1 Abs. 2 EStG.
Rz. 87
Auch abseits der Diskussion um die Staatsangehörigkeit wird in der Ausweitung der Steuerpflicht durch § 2 AStG ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip gesehen, weil Steuerpflichtige i. S. v. § 2 AStG nicht leistungsfähiger seien, als einfach beschränkt Steuerpflichtige. Diesem Argument wird sich hier – und soweit ersichtlich auch im Schrifttum – nicht angeschlossen.
Rz. 88
Schließlich wird auch ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsprinzip geltend gemacht. Diese Bedenken werden hier nicht geteilt, weil etwaige Unklarheiten des Gesetzestatbestands durch Auslegung beseitigt werden können.
Die Auslegungsbedürftigkeit des § 2 AStG nimmt der Norm nicht die rechtstaatlich gebotene Bestimmtheit.
Rz. 89
§ 2 AStG verstößt auch weder die allg. Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) noch liegt ein Verstoß gegen die Freizügigkeit gem. Art. 11 GG vor.
Rz. 90-94
einstweilen frei
1.10.2 Verhältnis zum Unionsrecht
Rz. 95
Die Vorschrift in § 2 AStG führt verglichen mit dem Inlandsfall nicht zu einer höheren Besteuerung nach dem Wegzug und stellt insoweit keine Beschränkung der Grundfreiheiten dar (Rz. 96). Einen Eingriff in die Grundfreiheiten wird man nur dann bejahen können (aber auch müssen), wenn man die Bildung eines horizontalen Vergleichspaars anerkannt (Rz. 97). Eine Rechtfertigung eines Eingriffs scheidet aus (Rz. 98). Das allg. Diskriminierungsverbo...