2.2.1 Allgemeines
Rz. 200
§ 2 Abs. 2 AStG enthält die Definition des in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 1. Alt. AStG enthaltenen Tatbestandsmerkmals der "niedrigen Besteuerung". Voraussetzung für die Prüfung der niedrigen Besteuerung ist die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in (mindestens) einem ausländischen Gebiet. Die Norm enthält zwei alternative Tatbestände, weshalb eine Niedrigbesteuerung gegeben ist, wenn einer der beiden Tatbestände erfüllt ist.
Während die in der ersten Fassung des AEAStG enthaltene Liste mit Niedrigsteuergebieten etliche exotische Staaten enthielt, können nach aktueller Gesetzeslage zahlreiche EU-Staaten aufgrund von Vorzugsbesteuerungen als Niedrigsteuergebiet eingeordnet werden (s. Rz. 221ff.).
Rz. 201
Die Vorschrift in § 2 Abs. 2 AStG arbeitet mit zwei widerlegbaren Vermutungen einer niedrigen Besteuerung. Dies ist ein einfacher Ansatz, der zwangsläufig zu Unschärfen führt. Die Unschärfe der abstrakten Niedrigsteuertatbestände wird jedoch durch den jeweils anwendbaren konkreten Belastungsvergleich (s. Rz. 260ff.) geheilt, der im Ergebnis eine Beschränkung auf Fälle einer tatsächlichen Niedrigbesteuerung bewirkt.
Rz. 202
Eine natürliche Person kann nach ihrem Wegzug aus Deutschland auch in mehr als einem Staat ansässig werden. Eine Mehrfachansässigkeit – d. h. die Ansässigkeit in einem Niedrigsteuergebiet und in einem Nicht-Niedrigsteuergebiet – steht der Erfüllung des § 2 Abs. 2 AStG nach zutreffender Auffassung nicht entgegen.
Dies muss schon deshalb gelten, weil eine Ansässigkeit i. S. d. § 2 Abs. 2 AStG nicht mit der DBA-Ansässigkeit gleichzusetzen ist und daher eine Besteuerung infolge von DBA ausschließlich im Niedrigsteuergebiet möglich ist. Auch der Wortlaut, der eine Niedrigbesteuerung "in einem" Gebiet voraussetzt, ist dann eindeutig erfüllt. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG stellt zudem auf die Einkommensteuer "in diesem Gebiet" ab, was aus systematischen Gründen gegen eine globale Betrachtung spricht. Einer teleologischen Reduktion bedarf es angesichts der Möglichkeit des konkreten Belastungsvergleichs nicht.
Rz. 203-204
einstweilen frei
2.2.2 Abstrakte Niedrigbesteuerung im Ausland (Nr. 1)
Rz. 205
Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG liegt eine niedrige Besteuerung vor, wenn "die Belastung durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer – nach dem Tarif unter Einbeziehung von tariflichen Freibeträgen – bei einer in diesem Geiet ansässigen unverheirateten natürlichen Person, die ein steuerpflichtiges Einkommen von 77.000 Euro bezieht, um mehr als ein Drittel geringer ist als die Belastung einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ansässigen natürlichen Person durch die deutsche Einkommensteuer unter sonst gleichen Bedingungen". Die Norm vergleicht somit für einen abstrakten Steuerfall die Höhe des tariflichen Steuerniveaus im Ausland mit dem Steuerniveau für den gleichen Fall im Inland. Die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen bleiben ebenso unberücksichtigt wie die Art der erzielten Einkünfte.
Rz. 206
Ausgangspunkt der Ermittlung einer niedrigen Besteuerung ist die "in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer". Steuern, die in Drittstaaten oder im Inland erhoben werden, sind nicht zu berücksichtigen. Ungeachtet der Verwendung des Singular können mehrere Steuern zusammengerechnet werden. Es muss sich dabei nicht um durch den Staat selbst erhobene Steuern handeln, sondern die Steuer kann auch dessen politische Untergliederungen (z. B. Gemeinden) erhoben werden. Dies ergibt sich schon aus dem Abstellen auf die "in" und nicht "durch" das ausländische Gebiet erhobenen Steuern. Der Begriff der "Einkommensteuer" ist nicht eng auszulegen. Anders als § 34c Abs. 1 EStG fordert der Gesetzeswortlaut gerade keine der deutschen Einkommensteuer vergleichbare Steuer. § 2 Abs. 2 AStG bezieht sich nämlich nicht...