Rz. 3
Die Norm des § 20 AStG hat zwei Zwecke: Einerseits soll die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung, der Zurechnungsbesteuerung, der Verfahrensvorschriften und der Umschaltklausel sichergestellt werden (§ 20 Abs. 1 Halbs. 1 sowie Halbs. 2 i. V. m. Abs. 2 AStG). Andererseits zielt sie auf die Einschränkung der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode (§ 20 Abs. 2 AStG) zur Meidung einer Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung ab.
Rz. 4
In Ermangelung des § 20 Abs. 2 AStG wäre es – abkommensrechtliche Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte vorausgesetzt – möglich, die Hinzurechnungsbesteuerung zu umgehen, indem im Inland unbeschränkt Stpfl. ausländische Einkünfte nicht über eine ausländische Kapitalgesellschaft, sondern durch eine ausländische Betriebsstätte (bzw. Personengesellschaft mit Betriebsstätte) entstehen ließen. Nach der deutschen Abkommenspolitik werden regelmäßig Betriebsstätteneinkünfte im Belegenheitsstaat besteuert (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-VHG) und im Ansässigkeitsstaat freigestellt (Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 DBA-VHG). Enthält das DBA keine entsprechende Aktivitätsklausel (vergleichbar mit Art. 22 Abs. 1 Nr. 4 DBA-VHG), wären ohne § 20 Abs. 2 AStG niedrig besteuerte passive Einkünfte der ausländischen Betriebsstätte der deutschen Besteuerung entzogen.
Die unbeschränkt steuerpflichtige X-GmbH erzielt Zinseinkünfte durch eine ihr gehörende niedrigbesteuerte Kapitalgesellschaft in Belgien. Der Steuervorteil in Belgien ginge durch die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) verloren. Wickelte alternativ die X-GmbH die Finanzierungsgeschäfte über eine belgische Betriebsstätte ab, wären bei tatsächlicher Zugehörigkeit der Forderungen zu der belgischen Betriebsstätte aufgrund Art. 11 Abs. 5 DBA D-B (vergleichbar mit Art. 11 Abs. 3 DBA-VHG) i. V. m. Art. 7 und Art. 5 DBA D-B die Einkünfte freizustellen (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA D-B), da das DBA D-B keinen Aktivitätsvorbehalt kennt.
Rz. 5
In der Zusammenschau sollen § 20 Abs. 1 Halbs. 1 AStG als auch Halbs. 2 die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvermeidungsvorschriften – nämlich §§ 7 ff., § 15 und § 20 Abs. 2 AStG – sicherstellen. Der Charakter der Missbrauchsvermeidung entfällt bei § 20 Abs. 2 AStG auch nicht durch den Substanznachweis, denn der Missbrauchsvorwurf bleibt bestehen, und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang oder welcher Art und Weise dieser Missbrauch erfolgt. Etwas anderes gilt nur für die Gewerbesteuer in EU/EWR-Konstellationen (§ 7 S. 8 und S. 9 GewStG), da anders als im Bereich der Einkommen- (bzw. Körperschaft)steuer keine Anrechnung ausländischer Steuern erfolgen kann.
Rz. 6
Die Beibehaltung der Überschrift des siebten Teils als "Schlussvorschriften" führt den Gesetzesanwender in die Irre. Denn anders als das ursprüngliche AStG 1972 enthält das nunmehrige AStG in den §§ 20 ff. AStG nicht mehr bloß Übergangs-, erstmalige Anwendungs- und Neuverkündungsvorschriften, sondern darüber hinaus auch – je nach Sichtweise – klarstellende bzw. konstitutive Regeln zum Verhältnis der Hinzurechnungs- und Zurechnungsbesteuerung zum AStG sowie mit § 20 Abs. 2 AStG einen Methodenwechsel. Eine Verortung des § 20 Abs. 2 AStG in den vierten Teil des Gesetzes (Hinzurechnungsbesteuerung) erscheint zwar auf den ersten Blick naheliegend, erweist sich aber aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen als nicht zielführend, denn es suggerierte zu Unrecht die Notwendigkeit eines Substanznachweises.