Aktivitätsvorbehalte bei ausländischer Betriebsstätte

Sieht eine abkommensrechtliche "Switch over"-Klausel vor, dass die Anwendung der Freistellungsmethode bei Betriebsstätteneinkünften unter einem Aktivitätsvorbehalt steht und wird hierfür auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG verwiesen, erfüllen ausländische Betriebsstätten das dortige Tatbestandsmerkmal "ausländische Gesellschaft". Die Verweisung betrifft nicht nur die Regelung der aktiven (Grund-)Tätigkeiten, sondern bezieht die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG vorgesehenen Einschränkungen ein.

Die (Rück-)Ausnahme des § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG i.d.F. des JStG 2010, die als Rechtsfolge die Beibehaltung der Freistellungsmethode vorsieht, kommt nicht zur Anwendung, wenn ein Wechsel der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode nicht aus § 20 Abs. 2 AStG bzw. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG i.d.F. des JStG 2010, sondern bereits aus der Anwendung einer abkommensrechtlichen "Switch over"-Klausel folgt.

Hintergrund: Freistellungs- oder Anrechnungsmethode?

Fraglich war im Urteilsfall, ob für erzielte Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten unter Berücksichtigung abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte und § 20 Abs. 2 AStG die Freistellungs- oder die Anrechnungsmethode anzuwenden ist.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine KG, ist Rechtsnachfolgerin der X-GmbH, an der im Streitjahr 2004 A mehrheitlich beteiligt war. Sitz und Ort der Geschäftsleitung hatte die GmbH im Inland. Sie war u.a. in Russland und Rumänien tätig, wo ihr Geschäftsräume zur Verfügung gestellt bzw. von ihr selbst auf eigene Rechnung angemietet wurden, in denen eigenes Personal (darunter auch der Beteiligte A) beratend tätig wurde. Die X-GmbH erklärte insoweit Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten, die im Inland nach dem jeweils anwendbaren DBA steuerfrei seien.

Das Finanzamt (FA) vertrat die Auffassung, dass für die Einkünfte aus den Projekten in Russland und Rumänien nicht die Freistellungs-, sondern der Anrechnungsmethode anzuwenden sei und berücksichtigte dies in dem Körperschaftsteuerbescheid 2004 entsprechend.

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die eingelegte Klage als unbegründet ab. Insbesondere lägen keine (aktiven) Dienstleistungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG vor.

Entscheidung: Anrechnungsmethode ist anzuwenden

BFH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz. Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

Unstreitig ist, dass die X-GmbH im Streitjahr unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist und die unbeschränkte Steuerpflicht sämtliche Einkünfte – auch aus den in Russland und Rumänien erbrachten Leistungen – umfasst.

Soweit diese Einkünfte den dortigen Betriebsstätten der X-GmbH zuzuordnen sind, sind sie nach dem DBA-Russland und dem DBA-Rumänien grundsätzlich von der inländischen Besteuerung freizustellen; Deutschland behält aber das Recht, diese Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen.

Aktivitätsvorbehalte in den DBA´s

Aufgrund der abkommensrechtlichen Aktivitätsvorbehalte des DBA-Russland und des DBA-Rumänien ist nicht die Freistellungs-, sondern die Anrechnungsmethode anwendbar.

Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland werden Einkünfte i.S.d. Art. 7 DBA-Russland nur dann von der deutschen Steuer ausgenommen, wenn die in Deutschland ansässige Person nachweist, dass die Betriebsstätte in dem Wirtschaftsjahr, in dem sie den Gewinn erzielt hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten bezogen hat. Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Rumänien enthält eine vergleichbare Regelung.

Nach dem in Bezug genommenen § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG, gehören Dienstleistungen zu den aktiven Tätigkeiten, soweit sich die ausländische Gesellschaft für die Dienstleistung nicht eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, der gemäß § 7 AStG an ihr beteiligt ist, oder einer einem solchen Steuerpflichtigen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG nahestehenden Person bedient, die mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Geltungsbereich des AStG steuerpflichtig ist.

Betriebsstätte als "ausländische Gesellschaft"

§ 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG ist im Rahmen der abkommensrechtlichen Prüfung der Aktivitätsvorbehalte so auszulegen, dass als "ausländische Gesellschaft" u.a. auch die ausländischen Betriebsstätten einer inländischen Kapitalgesellschaft anzusehen sind.

Der Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG ist abkommensrechtlich nicht auf die Tätigkeiten einer ausländischen Gesellschaft zu beschränken, sondern auf Tätigkeiten der ausländischen Betriebsstätte einer im Inland ansässigen Person zu übertragen.

Voraussetzungen der Aktivitätsvorbehalte erfüllt

Die Voraussetzungen der Aktivitätsvorbehalte des Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland bzw. sind im Streitfall erfüllt.

Die X-GmbH erzielte unter Art. 7 des jeweiligen DBA fallende Einkünfte aus Betriebsstätten, für die nach den Methodenartikeln dieser DBA grundsätzlich die Freistellungsmethode anzuwenden ist. Der in dem jeweiligen Aktivitätsvorbehalt vorgesehene Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG könnte zwar grundsätzlich dazu führen, die Tätigkeiten der X-GmbH als (aktive) Dienstleistungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG einzuordnen.

Aufgrund der in § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG geregelten Ausnahme liegen aber passive Tätigkeiten vor, für die in dem jeweiligen Aktivitätsvorbehalt als Rechtsfolge ein abkommensrechtlicher Wechsel der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vorgesehen ist.

So hat A – und damit ein im Streitjahr an der X-GmbH überwiegend beteiligter Gesellschafter – in den jeweiligen Betriebsstätten mitgearbeitet.

Die Aktivitätsvorbehalte beziehen sich ausdrücklich auf die unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG "fallenden Tätigkeiten". Daraus ergibt sich, dass nur solche Tätigkeiten gemeint sind, die auch unter Berücksichtigung der in diesen Vorschriften vorgesehenen Einschränkungen und der konkreten Umstände des Einzelfalls zu den aktiven Tätigkeiten gehören.

Keine Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F.

Eine Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F., der als Rechtsfolge eine (Rück-)Ausnahme und damit den Verbleib bei der Freistellungsmethode vorsieht, kommt nicht in Betracht.

Fallen nach § 20 Abs. 2 AStG Einkünfte in der ausländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen an und wären sie als Zwischeneinkünfte (i.S.d. AStG) steuerpflichtig, falls diese Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre, ist insoweit die Doppelbesteuerung nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuern zu vermeiden (unilaterale "Umschalt"- oder "Switch over"-Klausel).

Durch das Jahressteuergesetz 2010 ist ein neuer Satz 2 – wobei dahingestellt sein kann, ob dieser bereits für das Streitjahr anzuwenden ist – angefügt worden, der hierfür eine (Rück-)Ausnahme vorsieht. Danach gilt der Wechsel der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode nicht, soweit in der ausländischen Betriebsstätte Einkünfte anfallen, die nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären (§ 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F.).

Jedoch stellt § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F. (nur) eine (Rück-)Ausnahme von dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG n.F. (bzw. § 20 Abs. 2 AStG) vorgesehenen Wechsel der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode dar.

Sofern, wie dies im Streitfall ist, schon wegen eines abkommensrechtlichen Aktivitätsvorbehalts die Anrechnungsmethode gilt („Switch over“-Klausel), kommt § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG (bzw. insgesamt § 20 Abs. 2 AStG) nicht zur Anwendung, sodass § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG n.F. ins Leere läuft.

BFH, Urteil v. 3.7.2024, I R 4/21; veröffentlicht am 17.10.2024