Rz. 111
Neben der Frage des Vorliegens von erweitertem Inlandsvermögen "dem Grunde nach" stellt sich auch die Frage der "Höhe" des erweiterten Inlandsvermögens. Hintergrund ist die Bestimmung des "steuerpflichtigen Erwerbs" gem. § 10 Abs. 6 ErbStG unter Abzug von Schulden, die mit dem erworbenen Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Übersteigen die Schulden den Wert des erworbenen Vermögens, so wäre das erweiterte Inlandsvermögen negativ und könnte zugleich die im Rahmen der (regulären oder erweiterten) beschränkten Steuerpflicht entstehende Steuer auf miterworbenes Vermögen mindern. Diese mögliche Rechtsfolge des § 4 AStG wird im Schrifttum überwiegend bejaht, mitunter sogar für "selbstverständlich" gehalten. Auch die Verwaltung vertritt eine solche Auffassung.
Rz. 112
Zwingend ist ein solches Gesetzesverständnis indes nicht. Im Gegenteil gibt es Argumente, die gegen ein solches Verständnis sprechen. So hat der BFH für Zwecke des § 6 AStG eine Realisierung von Anteilswertminderungen abgelehnt. Unter anderem würde ein gegensätzliches Verständnis, so der BFH, steuerbegünstigend wirken und den "Zielsetzungen des AStG" zuwiderlaufen. Steht aber die Realisierung von Vermögensminderungen in § 6 AStG mit den Zielsetzungen des AStG nicht in Einklang, so ließe sich gleiches für Zwecke der erweiterten beschränkten Steuerpflicht vertreten. Ausweislich der Gesetzesbegründung lag der erweiterten beschränkten Steuerpflicht ebenfalls die Vorstellung zugrunde, Steuergestaltungsmöglichkeiten einzuschränken. Steuerbegünstigungen dürfte der Gesetzgeber nicht vor Augen gehabt haben, als das AStG eingeführt worden ist. Auch die Systematik des AStG spricht für dieses Verständnis, weil Einkünftekorrektur (§ 1 AStG), Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) allesamt eine Reduzierung der inländischen Steuer ausschließen.
Rz. 113
Nach hier vertretender Auffassung (s. ebenfalls § 2 AStG Rz. 165) ist eine Berücksichtigung negativen erweiterten Inlandsvermögens ausgeschlossen. Der insoweit offene Wortlaut ist in Anbetracht der Gesetzessystematik und des Gesetzeszwecks einzuschränken. Soweit ein "Teil des Erwerbs" zwar die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AStG erfüllt, unter Berücksichtigung des § 10 Abs. 6 S. 2 AStG allerdings zu einem negativen Erwerb führt, ist dieser Teil des Erwerbs nicht zu berücksichtigen. Dies entspricht der vom BFH i. S. d. § 6 AStG vorgenommenen anteilsbezogenen Betrachtung.
Rz. 114
Zu beachten ist in der Praxis gleichwohl die aus Sicht des Stpfl. günstige Verwaltungsauffassung. Durch diese dürften Dispute in der Praxis von vornherein vermieden werden.
Rz. 115
einstweilen frei