1.5.4.1 Subsidiarität der Wegzugsbesteuerung
Rz. 48
Ausweislich des Wortlauts des § 6 Abs. 1 S. 1 AStG gilt die Wegzugsbesteuerung nur "vorbehaltlich" der Vorschriften des EStG. Mithin wird vermittels einer gesetzlichen Anordnung der Vorrang der Vorschriften des EStG gegenüber § 6 AStG angeordnet. Dies gilt sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Stpfl (s. die Beispiele in Rz. 50).
Rz. 49
einstweilen frei
1.5.4.2 Verhältnis zu § 17 Abs. 5 EStG
Rz. 50
Die dadurch angeordnete Subsidiarität der Wegzugsbesteuerung gegenüber Vorschriften des EStG dürfte insbesondere auf die Entstrickungsregelung für Anteile im Privatvermögen in § 17 Abs. 5 EStG abzielen, die in Konkurrenz zum Wegzugstatbestand in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG tritt. Soweit beide Vorschriften einschlägig sind, geht die EStG-Regelung als Spezialnorm vor und § 6 AStG kommt nicht zur Anwendung. Der Vorrang des § 17 Abs. 5 EStG kann für den Steuerpflichtigen je nach Sachverhalt von Vorteil (insb. wegen des Besteuerungsaufschubs gem. § 17 Abs. 5 S. 2 EStG) oder von Nachteil (z. B. mangels Ratenzahlungskonzept wie in § 6 Abs. 4 AStG).
Der unbeschränkt Stpfl. X ist zu 100 % an der X-GmbH mit Ort der Geschäftsleitung und Sitz in Deutschland beteiligt. X erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AStG. Die X-GmbH verlegt ihren Ort der Geschäftsleitung nach Tschechien und wird infolgedessen dort unbeschränkt steuerpflichtig.
Zwischen Tschechien und Deutschland gilt das DBA-Tschechoslowakei 1980 (nachfolgend DBA-CZ). Die X-GmbH ist gem. § 4 Abs. 1 DBA-CZ sowohl in Deutschland (Sitz) als auch in Tschechien (Ort der Geschäftsleitung) ansässig. Die GmbH gilt jedoch gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-CZ aufgrund ihres dortigen Ortes der Geschäftsleitung als nur in Tschechien ansässig. Dadurch steht nach Art. 13 Abs. 3 DBA-CZ für den Fall einer Veräußerung der Anteile an der X-GmbH Tschechien ein Besteuerungsrecht zu. Für Deutschland ergibt sich aus dem Ansässigkeitswechsel eine Anrechnungsverpflichtung (Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Nr. 3 DBA-CZ) und damit eine "Beschränkung" des Besteuerungsrechts sowohl i. S. v. § 17 Abs. 5 EStG als auch i. S. v. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG. Aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 6 Abs. 1 S. 1 AStG findet nur § 17 Abs. 5 EStG Anwendung. Die in § 17 Abs. 5 S. 1 EStG vorgesehene Besteuerung greift nicht, weil infolge der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen EU-Staat eine Ausnahme greift. Da § 6 AStG subsidiär dazu ist, kommt es auch nach § 6 AStG zu keiner Besteuerung.
Der unbeschränkt Stpfl. Y ist zu 100 % an der Y-GmbH mit Ort der Geschäftsleitung und Sitz in Deutschland beteiligt. X erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AStG, weil er erst vor 5 Jahren nach Deutschland gezogen ist. Die Y-GmbH verlegt ihren Ort der Geschäftsleitung nach Argentinien und wird infolgedessen dort unbeschränkt steuerpflichtig.
Eine Anwendung des § 6 AStG scheidet aus, weil Y nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AStG erfüllt. Die Y-GmbH ist gem. § 4 Abs. 1 DBA-Argentinien (DBA-ARG) sowohl in Deutschland (Sitz) als auch in Argentinien (Ort der Geschäftsleitung) ansässig. Die Doppelansässigkeit gilt jedoch gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-ARG aufgrund ihres dortigen Ortes der Geschäftsleitung als nur in Argentinien ansässig. Dadurch steht nach Art. 13 Abs. 3 DBA-ARG für den Fall einer Veräußerung der Anteile an der Y-GmbH Argentinien ein Besteuerungsrecht zu. Für Deutschland ergibt sich aus dem Ansässigkeitswechsel eine Anrechnungsverpflichtung (Art. 23 Abs. 2 S. 1 DBA-ARG) und damit eine "Beschränkung" des Besteuerungsrechts sowohl i. S. v. § 17 Abs. 5 EStG. Es kommt zur fiktiven Anteilsveräußerungsgewinnbesteuerung nach § 17 Abs. 5 S. 1 EStG.
Rz. 51
Für den Fall des "Wegzugs" der Kapitalgesellschaft greift exklusiv die Vorschrift des § 17 Abs. 5 EStG. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG wird insoweit verdrängt. Beide Vorschriften können aber bei aufeinander folgenden Sachverhalten auch nacheinander zur Anwendung kommen. Dies ist z. B. der Fall, wenn zunächst die Kapitalgesellschaft wegzieht und es nach § 17 Abs. 5 EStG zur Besteuerung kommt und im Anschluss der Steuerpflichtige ins Ausland verzieht. Zwar greift § 17 Abs. 5 EStG auch bei beschränkter Steuerpflicht. Eine Anwendung der Vorschrift nach einem verwirklichten Wegzug ist dagegen selten, weil bei bereits erfolgtem Wegzug ins Ausland das deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig bereits ausgeschlossen ist und der Tatbestand des § 17 Abs. 5 EStG nicht mehr erfüllt werden kann.
Rz. 52
einstweilen frei
1.5.4.3 Verhältnis zu anderen Entstrickungsvorschriften des EStG
Rz. 53
Weitere Überschneidungen mit Vorschriften des EStG sind nicht ersichtlich, weil das EStG einzig in § 17 Abs. 5 EStG eine Entstrickungsvorschrift für Kapitalgesellschaftsanteilen im Privatvermögen vorsieht. Die anderen Entstrickungsvorschriften des EStG (§ 4 Abs. 1 S. 3, § 6 Abs. 3 S. 1, § 6 Abs. 5 S. 1, § 16 Abs. 3a) gelten nur für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, weshalb ein Überschneidungsbereich zu § 6 AStG nicht entsteht.
Rz. 54
einstweilen frei
1.5.4.4 Verhältnis zu den Ermittlungsvorschriften des EStG
Rz. 55
Rechtsfolgenseitig stellt § 6 Abs. 1 S. 1 EStG den Wegzug einer Veräußerung...