Rz. 486
§ 6 AStG nimmt insgesamt fünfmal Bezug auf ein Finanzamt:
- § 6 Abs. 3 S. 3 AStG enthält eine Ermessensvorschrift, wonach "das Finanzamt, das im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 19 AO zuständig ist", die Rückkehrfrist um 5 Jahre verlängern kann.
- Gem. § 6 Abs. 4 S. 7 2. Halbs. AStG richtet sich die Stundung der Wegzugssteuer in einem Rückkehrfall nach der "vom Finanzamt eingeräumten Frist". Da hiermit auf die Fristverlängerung nach § 6 Abs. 3 S. 3 AStG abgestellt werden dürfte (s. dazu Rz. 235ff.), ist das Finanzamt i. S.V. § 6 Abs. 3 S. 3 AStG gemeint, also das "Finanzamt, das im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 19 AO zuständig ist".
- § 6 Abs. 4 S. 7 4. Halbs. AStG knüpft ein Fälligwerden der Wegzugssteuer an eine Mitteilung des Steuerpflichtigen "gegenüber dem Finanzamt". Da mit dieser Vorschrift nicht zwingend Fälle des § 6 Abs. 3 S. 3 AStG erfasst werden, nimmt die Norm allgemein auf das Finanzamt Bezug, das im Zeitpunkt der Mitteilung gem. § 19 AO zuständig ist.
- § 6 Abs. 5 S. 1 AStG ordnet eine Mitteilung gegenüber "dem Finanzamt, das im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 19 AO zuständig ist", an.
- § 6 Abs. 5 S. 3 AStG ordnet eine jährliche Mitteilungspflicht gegenüber dem Finanzamt i. S.V. § 6 Abs. 5 S. 1 AStG an und somit ebenfalls dem "Finanzamt, das im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 19 AO zuständig ist".
Rz. 487
In den vorstehend genannten Regelungen ordnet das Gesetz punktuell eine Zuständigkeit des letzten Wohnsitzfinanzamts an. Maßgeblich für die Beurteilung der Zuständigkeit nach den in § 6 AStG enthaltenen Sonderregeln ist der Zeitpunkt, in dem die Veräußerung nach § 6 Abs. 1 S. 2 AStG fingiert wird. Die Zuständigkeit richtet sich damit – anders als in § 19 AO (s. Rz. 481) – gerade nicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns, sondern nach den Verhältnissen bei Wegzug. In Wegzugsfällen nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AStG weicht die Zuständigkeit insoweit regelmäßig von der sich gem. § 19 Abs. 2 AO ergebenden Zuständigkeit ab. Die punktuelle Zuständigkeit gem. den Sonderregeln in § 6 AStG bleibt beim letzten Wohnsitzfinanzamt, das oftmals gerade nicht für die Festsetzung und Erhebung der Steuer zuständig ist.
Rz. 488
Bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach § 19 AO ist der Grundsatz der Gesamtzuständigkeit zu beachten, d. h. die Zuständigkeit umfasst sämtliche Verwaltungstätigkeiten, die sich aus dem gesamten Besteuerungsverfahren ergeben.
Da § 6 AStG davon nur punktuell abweicht, bleibt es im Übrigen bei der Finanzamtszuständigkeit gem. § 19 Abs. 2 AO.
Der Grundsatz der Gesamtzuständigkeit wird damit durchbrochen.
Rz. 489
Im Ergebnis dürfte sich die nach § 19 AO ergebende Zuständigkeit auf folgendes Verwaltungshandeln erstrecken:
- Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen;
- Festsetzung der Wegzugssteuer;
- Erhebung der Wegzugssteuer;
- Entscheidung über Bewilligung und Aufrechterhaltung der Ratenstundung gem. § 6 Abs. 4 AStG;
- Aufhebung der Wegzugssteuer gem. § 6 Abs. 3 AStG.
Dem gegenüber liegt die Zuständigkeit für die in Rz. 486 genannten Sachverhalte beim letzten Wohnsitzfinanzamt.
Rz. 490
Es erscheint nicht sinnvoll, Mitteilungen gem. § 6 Abs. 5 AStG über die Erfüllung von Widerrufstatbeständen an das letzte Wohnsitzfinanzamt zu richten, wenn die Überwachung der Ratenstundung dem Zuständigkeitsfinanzamt obliegt. Die Verwaltung scheint dieses Problem erkannt zu haben. Eine Lösung soll § 27 AO darstellen, wonach die Zuständigkeit gem. einvernehmlicher Vereinbarung zwischen 2 Finanzbehörden von einer anderen Finanzbehörde übernommen werden kann. Ein wichtiger Anwendungsfall der Norm ist (auch im Inlandsfall) die Wohnsitzverlegung. Da § 27 AO der Verwaltungsvereinfachung dient, hat der Stpfl. weder ein Antragsrecht noch einen Anspruch auf Herstellung eines Einvernehmens zwischen den Finanzämtern, sondern lediglich die Möglichkeit einer entsprechenden Anregung.
Auch ein Zuständigkeitswechsel nach § 26 S. 2 AO scheint in Wegzugsfällen denkbar, weil die fortbestehende Zuständigkeit des letzten Wohnsitzfinanzamts einer einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dienen dürfte.
Rz. 491
Erfolgt kein Zuständigkeitswechsel nach § 26 AO und keine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO, bleibt es bei einer aufgespaltenen Zuständigkeit. Es bietet sich aus Vorsichtsgründen an, in diesen Fällen Mitteilungen nach § 6 Abs. 5 AStG sowohl gegenüber dem letzten Wohnsitzfinanzamt i. S.V. § 6 AStG als auch dem Zuständigkeitsfinanzamt nach § 19 AO zu erstatten.
Rz. 492-499
einstweilen frei