Rz. 151
Im Grundsatz wurde ursprünglich die Auffassung vertreten, dass § 42 AO denklogisch der Hinzurechnungsbesteuerung vorgeht. Dies basiert auf dem Grundgedanken, dass (i. S. d. Basisgesellschaftsrechtsprechung des BFH) § 42 AO die Einkünftezurechnung tangiert, d. h. die Einkünfte werden von der potenziellen ausländischen Zwischengesellschaft auf deren Gesellschafter „verlagert“. §§ 7 ff AStG setzen jedoch voraus, dass die ausländische Zwischengesellschaft selbst niedrig beteuerte, passive Einkünfte erzielt, d. h. die Einkünfte müssen der ausländischen Zwischengesellschaft auch zugerechnet werden.
Durch das JStG 2008 wurde § 42 AO neu gefasst und in diesem Zuge u. a. auch das Verhältnis von § 42 AO zu speziellen Missbrauchsvorschriften der Einzelsteuergesetze überarbeitet. § 42 Abs. 1 S. 2 AO bestimmt, dass, soweit der Tatbestand einer Missbrauchsverhinderungsvorschrift in einem Einzelsteuergesetz erfüllt ist, sich die Rechtsfolgen nach dieser Norm richten. Da es sich bei §§ 7 ff. AStG nach dem hier vertretenen Verständnis um eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift handelt, wurde durch die Änderung des § 42 AO auch das Verhältnis zu §§ 7 ff. AStG beeinflusst. Nach dem hier vertreten Verständnis gilt nunmehr Folgendes: Es erfolgt vorrangig eine Prüfung der Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung
- Sind die Voraussetzungen von §§ 7 ff. AStG erfüllt, ist § 42 AO abschließend suspendiert. Die Rechtsfolgen richten sich ausschließlich nach §§ 7 ff. AStG.
- Sind die Voraussetzungen von §§ 7 ff. AStG nicht erfüllt, sollte § 42 AO grds. anwendbar sein. Dies ergibt sich explizit aus § 42 Abs. 1 S. 3 AO und aus der Rechtsprechung des BFH. Eine „Sperrwirkung“ ggü. § 42 AO kann eine einzelsteuergesetzliche Vorschrift zur Verhinderung von Steuerumgehungen, die tatbestandlich nicht einschlägig ist, nicht entfalten. Gleichwohl ist zu beachten, dass bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs i. S. d. § 42 Abs. 2 AO diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, die den von ihm geschaffenen einzelsteuergesetzlichen Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen zugrunde liegen (hier §§ 7 ff. AStG), zu berücksichtigen sind.
Durch das ATAD-UmsG wurde in den Gesetzesmaterialen der explizite Hinweis aufgenommen, dass §§ 7 ff. AStG – neben der Missbrauchsbekämpfung – der Sicherstellung einer angemessenen Vorbelastung dient.Dies ändert aber nichts daran, dass es sich bei §§ 7 ff. AStG im Wesentlichen um eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift handelt und mithin das oben dargelegte Normenverhältnis gilt.
Rz. 152-160
einstweilen frei