Rz. 29
Durch die Rechtsprechung des BFH war das Verhältnis von § 42 AO zur Hinzurechnungsbesteuerung bis zur Neufassung des § 42 Abs. 1 S. 2 AO im Jahr 2008 weitgehend geklärt. Der BFH räumte der Anwendung des § 42 AO 1977 bei der Beurteilung niedrig besteuerter ausländischer Basisgesellschaften aus logischen Gründen Vorrang vor der Anwendung der §§ 7 ff. AStG ein.
Rz. 30
§ 42 AO wurde durch das Gesetz v. 20.12.2007 neu gefasst und enthält in Abs. 1 S. 2 nun einen Anwendungsvorbehalt, der lautet: "Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift." Die Vorschrift des § 13 AStG müsste der Verhinderung der Steuerumgehung dienen, damit ein Vorrang für die Hinzurechnungsbesteuerung begründet wird.
Rz. 31
Die Hinzurechnungsbesteuerung ist ausweislich ihres Normzwecks (s. unter 1.3) eine Vorschrift, die Umgehungen durch internationale Beteiligungsstreuung entgegengetreten soll. Jedenfalls wenn sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 AStG vorliegen, ist die Norm vorrangig zur allgemeinen Missbrauchsvermeidungsnorm des § 42 AO und drängt dessen Anwendungsbereich zurück.
Rz. 32
Umstritten ist, ob das Konkurrenzverhältnis auch zugunsten des Vorrangs von § 13 AStG ausfällt, wenn die Voraussetzungen der Norm nicht vollständig vorliegen. Nach der FinVerw bestimmen sich die Rechtsfolgen allein nach der Regelung zur Verhinderung von Steuerumgehungen, wenn der Tatbestand der Regelung erfüllt ist. Ist der Tatbestand der Regelung dagegen nicht erfüllt, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob ein Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 AO vorliegt. Allein das Vorliegen einer einzelgesetzlichen Regelung, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, schließt nach Auffassung der FinVerw die Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 AO damit nicht aus. Für den Fall, dass nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen des Einzelsteuergesetzes, hier § 13 AStG, erfüllt sind, sollte es gerade möglich sein, auf § 42 AO zurückzugreifen. Eine Verdrängung der allgemeinen Missbrauchsvermeidungsnorm ist dann nicht angezeigt, da der Tatbestand des Spezialgesetzes nicht einschlägig ist. Die Neuregelung des § 42 Abs. 1 S. 2, 3 AO wurde als Konkurrenzregelungen eingeführt, um Schutzlücken zu schließen, die sich ergeben, eine spezielle Missbrauchsnorm die Anwendung des § 42 AO ausschließt auch wenn im Einzelfall nicht alle ihre Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.
Der BFH lässt bei Eröffnung des abstrakten Anwendungsbereichs einer speziellen Missbrauchsvermeidungsvorschrift einen Rückgriff auf die Generalklausel des § 42 AO nicht zu.
In der Rechtsprechung des BFH lässt sich auch kein Wandel nach Neueinführung des § 42 AO erkennen. Denn die gesetzgeberische Klarstellung, dass Rückgriff auf § 42 AO genommen werden kann, wenn die spezialgesetzliche Missbrauchsvorschrift nicht greift, ließ die Rechtsprechung unberücksichtigt.
Die "Abschirmwirkung" des Spezialgesetzes kann jedoch nur eintreten, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der spezialgesetzlichen Missbrauchsnorm vorliegen. Dann ist für § 42 AO kein Raum. So dürfte der BFH auch in seiner neusten Rechtsprechung zu verstehen sein.
Rz. 33
einstweilen frei