1.6.1 Verfassungsrecht
Rz. 65
§ 8 AStG verstößt m. E. nicht gegen Verfassungsrecht. Vereinzelt wird geltend gemacht, der Katalog in § 8 Abs. 1 AStG begegne mangels Erfassung neuer Geschäftsmodelle Bedenken und sei verfassungskonform auszulegen. Der BFH hatte jüngst erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Niedrigsteuergrenze von 25 %, die sich durch deren Herabsenkung auf 15 % aber erübrigt haben dürften.
Rz. 66–69
einstweilen frei
1.6.2 Unionsrecht
Rz. 70
Anders als die ATAD enthält § 8 Abs. 1 AStG keinen Passiv-, sondern einen Aktivkatalog. Darin allein ist kein Verstoß gegen die unionsrechtlichen Vorgaben zu erkennen. Das von der ATAD vorgegebenen Mindestschutzniveau wird m. E. eingehalten, wenngleich im deutschen Recht Einkünfte teilweise als aktiv qualifizieren können, die in der ATAD als passiv genannt sind. Die einzelnen Aktivtatbestände stehen im Grundsatz auch im Einklang mit dem Unionsrecht. Zwar werden im Schrifttum unionsrechtliche Zweifel geäußert an der Schlechterstellung konzerninterner Vorgänge oder der Schädlichkeit des Bedienens bzw. der Mitwirkung. Die ATAD indiziert jedoch die Zulässigkeit, einen pauschalen Katalog mit einem einzelfallbezogenen Substanznachweis zu kombinieren (s. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a ATAD). Dieses Vorgehen dürfte der EuGH auch in seiner Rechtsprechung anerkannt haben. Auch der BFH hat jedenfalls mit Blick auf den Aktivkatalog jüngst keine unionsrechtlichen Bedenken geäußert.
Rz. 71–74
einstweilen frei
Rz. 75
Die Substanzausnahme in § 8 Abs. 2 AStG beruht auf der Rechtsprechung des EuGH und entspricht der Vorgabe in Art. 7 Abs. 2 Buchst. a ATAD. Sie steht damit im Grundsatz auch im Einklang mit dem Unionsrecht, wobei die Substanzanforderungen im Einzelfall auch unionsrechtskonform sein müssen. Einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten stellt § 8 Abs. 2 AStG aber insoweit dar, als er keine Motive zur Widerlegung eines steuerlichen Missbrauchs zulässt (s. im Einzelnen Rz. 332).
Rz. 76
§ 8 Abs. 2 S. 1 AStG fordert – an die Formulierung der ATAD anknüpfend – eine "wesentliche" wirtschaftliche Tätigkeit. Die Grundfreiheiten schützen dagegen auch einfache Tätigkeiten. Zur Wahrung eines unionsrechtskonformen Zustands darf diesbezüglich im Rahmen der Auslegung kein enges Verständnis zugrunde gelegt werden. Ausreichend muss jede wirtschaftliche Tätigkeit sein (s. Rz. 346).
Rz. 77
Die in § 8 Abs. 2 S. 2 und S. 3 AStG enthaltenen Anforderungen an den personellen und sachlichen Apparat verstoßen nicht gegen Unionsrecht. Es entspricht sowohl der Rechtsprechung des EuGH als auch Art. 7 Abs. 2 Buchst. a ATAD ("gestützt auf Personal, Ausstattung, Vermögenswerte und Räumlichkeiten"). Im Rahmen der Rechtsanwendung ist jedoch der Unionsrechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, weshalb nicht mehr Substanz verlangt werden darf, als für die Ausübung der jeweiligen Tätigkeit erforderlich ist. § 8 Abs. 2 S. 2 und S. 3 AStG kann entsprechend ausgelegt werden (s. Rz. 362).
Rz. 78
Erheblichen unionsrechtlichen Bedenken begegnet § 8 Abs. 2 S. 5 AStG, wonach Outsourcing für den Substanznachweis schädlich sein kann. Ausweislich der EuGH-Rechtsprechung sind im Rahmen des grundfreiheitlich gebotenen Substanznachweises einzelfallbezogen stets die organisatorischen, wirtschaftlichen und sonst beachtlichen Merkmale der Unternehmensgruppe zu beachten. Die Verwaltung will vor diesem Hintergrund Outsourcing innerhalb des Konzerns im Ansässigkeitsstaat der ausländischen Gesellschaft als unschädlich anerkennen. Damit dürften unionsrechtliche Zweifel zu einem großen Teil ausgeräumt sein.
Rz. 79
Im Schrifttum werden zudem vielfach Zweifel an der räumlichen Eingrenzung der Substanzausnahme gem. § 8 Abs. 3 AStG geäußert. Zwar wird dem entgegengehalten, die Eingrenzung stehe in Einklang mit Art. 7 Abs. 2 Buchst. a ATAD. Entscheidend ist allerdings die Frage, ob die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7ff. AStG an der Niederlassungsfreiheit oder der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist (s. dazu § 7 AStG Rz. 231).
Rz. 80–89
einstweilen frei
Rz. 90
Der BFH hatte jüngst erhebliche Zweifel an der Unionsrechtskonformität der Niedrigsteuergrenze von 25 %, die sich durch deren Herabsenkung auf 15 % aber erübrigt haben dürften. Das Abstellen auf eine Niedrigsteuergrenze von 15 % steht auch im Einklang mit dem Mindestschutzcharakter der ATAD (Art. 3 ATAD).
Rz. 91–99
einstweilen frei