Rz. 295
§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG regelt die Einordnung von Einkünften aus "Umwandlungen" unter den Aktivkatalog des § 8 Abs. 1 AStG. Das Vorliegen einer "Umwandlung" ist somit zentrales Tatbestandsmerkmal des Aktivtatbestands. Was eine "Umwandlung" ist, ist durch Auslegung zu bestimmen. Es gilt hierbei ein steuerrechtliches Begriffsverständnis. Da sowohl die Gesetzesbegründung als auch der AEAStG ohne weitere Differenzierung auf § 1 UmwStG verweisen, dürften neben den Vorgängen im UmwG auch Einbringen (§§ 20, 24, 25 UmwStG) und der Anteilstausch (§ 21 UmwStG) von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG erfasst sein. Der homogene Formwechsel ist dagegen ein "Nullum", d. h. es entstehen keine Einkünfte und es kann daher auch keine Hinzurechnungsbesteuerung greifen. Um den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 9 UmwStG zu bestimmen, ist die Anwendung des § 1 UmwStG auf Auslandsumstrukturierungen zu prüfen. Auf den persönlichen Anwendungsbereich in § 1 Abs. 4 UmwStG kommt es im Rahmen der Frage, ob Umwandlungen vorliegen, nicht an.
Rz. 296
§ 1 Abs. 1 UmwStG verweist zunächst auf die Umwandlungen i. S. d. UmwG in Gestalt der Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung und den Formwechsel sowie "vergleichbare ausländische Vorgänge". Die Reichweite des Begriffs "ausländischer Vorgang" ist umstritten, namentlich ist fraglich, ob grenzüberschreitende Umwandlungen i. S. d. UmwG (Verschmelzungen nach §§ 305ff., Spaltungen nach §§ 320ff. UmwG oder Formwechsel nach §§ 333ff. UmwG) – z. B. bei Hereinverschmelzung einer Zwischengesellschaft – unter die Vorschrift fallen. Da derlei Vorgänge jedenfalls "vergleichbar" sein werden, fallen sie unter § 1 UmwStG. Ausländische Vorgänge sind jedenfalls solche Vorgänge, bei denen das UmwG kein Anwendung findet. Für diese ist eine Vergleichbarkeitsprüfung ist für zivilrechtlich wirksame Vorgänge im Ausland zu prüfen, ob diese mit Blick auf die beteiligten Rechtsträger, die Strukturmerkmale und sonstige Kriterien einer inländischen Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung oder Formwechsel vergleichbar sind. Nicht von Bedeutung für das Vorliegen eines vergleichbaren ausländischen Vorgangs ist bei der Spaltung das Vorliegen eines Teilbetriebs.
Rz. 297
Auch Einbringungen von Betriebsvermögen im Wege der Einzelrechtsnachfolge (§ 20 UmwStG) und der Anteilstausch (§ 21 UmwStG) fallen in den Anwendungsbereich des § 1 UmwStG und somit unter § 8 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Anders als bei den Umwandlungen i. S. d. UmwG fordert § 1 UmwStG diesbezüglich keinen "vergleichbaren ausländischen Vorgang". Gleichwohl sind auch Einbringungen in ausländische Kapitalgesellschaften vom UmwStG erfasst. Die Frage der Vergleichbarkeit hat im Kontext des § 1 UmwStG zwar keine eigenständige Bedeutung. Gleichwohl ist – um eine Einbringung bejahen zu können – die Vergleichbarkeit des ausländischen Vorgangs im Hinblick auf die Rechtsform und die Übertragung von Vermögen gegen Ausgabe neuer Gesellschaftsrechte festzustellen.
Rz. 298
§ 8 Abs. 1 Nr. 9 UmwStG setzt zudem "Einkünfte" aus Umwandlungen voraus. Was Einkünfte sind und wann solche vorliegen, ist nach deutschem Steuerrecht zu bestimmen. Eine Buchwertfortführung im Ausland steht der Erzielung von Einkünften im Inland jedenfalls nicht entgegen. Da Umwandlungsvorgänge steuerlich als tauschähnlich und somit wie Veräußerungen behandelt werden, stellen sie ein Realisationsereignis dar, das im Grundsatz Einkünfte nach sich zieht. Dies gilt unabhängig von der Aufdeckung stiller Reserven, denn der Wortlaut setzt keine "positiven" Einkünfte voraus. Nicht geklärt ist indes, ob die Nicht-Anwendung des UmwStG gem. § 10 Abs. 3 S. 4 AStG bereits auf Tatbestandsebene in § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG zu berücksichtigen ist. Einkünfte fingierende Vorschriften (wie z. B. § 7 UmwStG) kämen dann nicht zur Anwendung. Nach hier vertretener Auffassung ist die Frage, ob abstrakt Einkünfte entstehen, unter Berücksichtigung des deutschen Rechts – einschließlich der Vorschriften des UmwStG – zu bestimmen. § 10 Abs. 3 S. 4 AStG regelt die Nicht-Anwendung des UmwStG lediglich für Zwecke der Ermittlung der Zwischeneinkünfte. Dies scheint auch der Auffassung der Finanzverwaltung zu entsprechen.
Rz. 299
Die von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG erfassten ausländischen Umwandlungsvorgänge, die einem Vorgang i. S. v. § 1 UmwStG vergleichbar sind, können auf zwei Ebenen Einkünfte auslösen. Dabei ist wie folgt zu unterscheiden:
Steuerliche Folgen der Umwandlung auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene
Art des Vorgangs i. S. v. § 1 UmwStG |
Steuerliche Folgen auf Ebene der Gesellschaft |
Steuerliche Folgen auf Ebene des Gesellschafters |
Verschmelzung KapGes auf PersGes (§§ 3ff UmwStG) |
Besteuerung der stillen Reserven (§ 3 UmwStG) |
Besteuerung fiktiver Anteilsveräußerung (§ 4 UmwStG) bzw. Gewinnausschüttung (§ 7 UmwStG) |
Formwechsel KapGes in PersGes (§ 9 UmwStG) |
Besteuerung der stillen Reserven (§§ 3 i. V. m. § 9 UmwStG) |
Besteuerung fiktiver Anteilsveräußerung (§§ 4 i. V. m. § 9 UmwStG |