Rz. 330
Mit der Hinzurechnungsbesteuerung einher geht eine Schlechterbehandlung ausländischer Tochtergesellschaften, die zugleich eine Beschränkung der Grundfreiheiten darstellt. Diese Beschränkung kann durch das Ziel der Vermeidung von Steuerumgehungen gerechtfertigt werden, was wiederum eine verhältnismäßige Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung voraussetzt. In diesem Zusammenhang hat der EuGH es für erforderlich gehalten, dem Stpfl. die Möglichkeit zu geben, das Vorliegen einer Umgehungsgestaltung zu widerlegen. Diese Rechtsprechung soll § 8 Abs. 2 AStG umsetzen.
Rz. 331
Im Kontext des § 8 Abs. 2 AStG werden regelmäßig die Begriffe "Substanztest" oder "Motivtest" verwendet und miteinander vermischt. Beides hat jedoch lediglich mittelbar miteinander zu tun. Ein Substanztest stellt auf die physischen, materiellen Gegebenheiten ab, während im Rahmen eines Motivtests die Beweggründe entscheidend sind. Wenngleich § 8 Abs. 2 AStG allein auf eine wirtschaftliche Tätigkeit abstellt, wird durch die Rechtsprechung, in der Gesetzesbegründung zum ATADUmsG, im AEAStG und auch im Schrifttum in Bezug auf § 8 Abs. 2 AStG der Begriff "Motivtest" verwendet. Andere Teile des Schrifttums sprechen dagegen von einem "Substanztest" Letzteres ist zutreffend, weil in § 8 Abs. 2 AStG allein auf eine "wirtschaftliche Tätigkeit" abgestellt wird. Zwar kann die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit auch einen außersteuerlichen Grund (also ein Motiv) darstellen, der eine Missbrauchsvermutung entkräftet. Da der EuGH Steuerumgehung indes auf Basis der beiden kumulativen Kriterien steuerliche Motivation und fehlende Substanz definiert, kommt außersteuerlichen Motiven auf Grundlage des Gesetzeswortlauts von § 8 Abs. 2 AStG im Ergebnis keine eigenständige Bedeutung zu.
Rz. 332
Weil der EuGH Steuerumgehung nicht nur als "substanzlose" – nämlich "rein künstliche" – Struktur definiert, sondern zudem fordert, die Struktur müsse dazu bestimmt sein, steuerliche Vorteile herbeizuführen, kann nicht allein aus dem Fehlen von Substanz auf das Vorliegen einer missbräuchlichen Struktur geschlossen werden. Soweit § 8 Abs. 2 AStG ausschließlich auf eine wirtschaftliche Tätigkeit abstellt und dabei andere außersteuerliche Motive unberücksichtigt lässt, bleibt die Norm hinter unionsrechtlichen Anforderungen zurück. Da es das Unionsrecht erforderlich machen kann, einen im Gesetz nicht vorgesehenen Gegenbeweis zuzulassen, müssen außersteuerliche Gründe im Rahmen eines "Motivtests" auch gegen die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung vorgebracht werden können. Relevant ist dies insbesondere dann, wenn steuerliche Motive für die Errichtung einer Struktur ausgeschlossen erscheinen, z. B. weil die Besteuerung im Ausland nicht vorteilhaft gegenüber der Besteuerung im Inland ist (bspw. mangels Anfallen von Gewerbesteuer im Inland) oder wenn ein Staat erst durch eine dortige Steuerreform zum Niedrigsteuerland wird. Auch darüber hinaus sind außersteuerliche Gründe denkbar, die einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der EU-Niederlassungsfreiheit entgegenstehen können. Andererseits kann aufgrund der Missbrauchsdefinition des EuGH im Falle des Vorliegens von Substanz zusätzlich der Nachweis außersteuerlicher Gründe verlangt werden.
Rz. 333
§ 8 Abs. 2 AStG kommt vermittels des Verweises in § 13 Abs. 4 S. 1 AStG auch für Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter zur Anwendung, wobei die räumliche Begrenzung auf EU/EWR-Sachverhalte entfällt. Eine Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG ist in Fällen des § 20 Abs. 2 AStG grds. nicht vorgesehen, wird aber für Zwecke der Gewerbesteuer zugelassen (§ 7 S. 9 GewStG) und dabei auch regelmäßig erfüllt sein. Keine Anwendung findet § 8 Abs. 2 AStG im Kontext der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung nach § 9 StAbwG. Eine weitere Kategorie von Substanztests ist in einigen Aktivtatbeständen des § 8 Abs. 1 AStG enthalten.
Rz. 334
einstweilen frei