Dr. Tobias Hagemann, Prof. Dr. Adrian Cloer
2.1 Regelungsbereich des AStG
Rz. 5
Das AStG ist in seiner Grundstruktur im Wesentlichen erhalten geblieben, wenngleich die Regelungsdichte in den über 50 Jahren zugenommen hat und in es in vielerlei Hinsicht Verschärfungen erfahren hat. Die Erleichterungen sind dem Europarecht (z. B. die Möglichkeit des Substanznachweises) oder allgemeinen steuerpolitischen Entwicklungen (nämlich die Absenkung der Niedrigbesteuerungsgrenze) geschuldet.
Das AStG gliedert sich in sieben Teile, nämlich
Die Vorschriften erfassen unterschiedliche Aspekte im grenzüberschreitenden Kontext, sind aber nicht in jeder Hinsicht neu, z. T. stellen sie lediglich die Übernahme bereits früher bestehender Regelungen dar. Die Zielrichtung ist jedoch stets dieselbe: Es gilt einerseits inländisches Steuersubstrat zu schützen und andererseits unter bestimmten Voraussetzungen ausländisches ebenfalls im Inland der Besteuerung zuzuführen. Deshalb ist die Wirkung auch jeweils auf Steuermehreinnahmen gerichtet (§§ 1f.: Einkünfteerhöhung (nicht -minderung) bei fremdvergleichsunüblicher Verrechnungspreisgestaltung, §§ 2ff.: Ausweitung der beschränkten Einkommensteuerpflicht, § 6: Erfassung fiktiver Veräußerungsgewinne (unter Nichtberücksichtigung etwaiger Verluste), §§ 7ff.: Erfassung ausländischer Einkünfte unabhängig vom Zufluss als Beteiligungsertrag, § 15: Erfassung von Einkünften, die ein ausländisches Steuerrechtssubjekt erzielt (in Ergänzung zur Hinzurechnungsbesteuerung), §§ 16ff.: Verfahrensvorschriften zur Erreichung des Ziels, insb. auch großzügige Schätzungen, § 20ff.: Abkommensüberschreibung und Umschaltklausel in Ergänzung zu §§ 7ff. AStG).
2.2 Rückblick
Rz. 6
Das deutsche Steuerrecht verfügte bereits vor dem Inkrafttreten des AStG an verschiedenen Stellen über besondere Bestimmungen, die auf Auslandssachverhalte abzielten.
2.2.1 Einkünftekorrektur
Rz. 7
Der Gesetzgeber sieht seit der Popitz-Schliebenschen Finanzreform 1925 (§ 33 EStG 1925: "Steht der Gewinn aus einem inländischen Gewerbebetrieb infolge besonderer Vereinbarungen des Steuerpflichtigen mit einem im Inland nicht unbeschränkt Steuerpflichtigen in offenbarem Missverhältnis zu dem Gewinne, der sonst bei Geschäften gleicher oder ähnlicher Art erzielt wird, so kann dieser Gewinn, mindestens aber die übliche Verzinsung des dem Betrieb dienenden Kapitals bei der Einkommensermittlung für den inländischen Gewerbetrieb angesetzt werden. (…)")
die Notwendigkeit, bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine Einkünftekorrektur vorzunehmen. Die im Rahmen der Steuerreform 1934 eingeführte Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung bei Auslandsbeziehungen
(§ 30 EStG: "Das Landesfinanzamt kann bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbetrieb oder selbständiger Arbeit ohne Rücksicht auf das ausgewiesene Ergebnis die Einkommensteuer in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn besondere unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Beziehung des Betriebs zu einer Person, die im Inland entweder nicht oder nur beschränkt steuerpflichtig ist, eine Gewinnminderung ermöglichen. Das Landesfinanzamt entscheidet nach seinem Ermessen.")
verwarf der BFH 1959 als verfassungswidrig. Mit dem § 1 AStG erfolgte sodann eine Neuregelung.
2.2.2 Wegzugsbesteuerung
Rz. 8
Bereits das Preußische Allgemeine Landrecht v. 1794 kannte Steuern auf den Wegzug (sog. Abfahrtsgeld, 2. Teil, 17. Titel, §§ 141ff.) und das Erbe bei einem Ausländer (sog. Abschossgeld, 2. Teil, 17. Titel, §§ 161ff.). Das Gesetz gegen die Steuerflucht v. 26.7.1918 stellte die erste Maßnahme bei Aufgabe des "dauernden Aufenthaltes" dar und sah das Weiterbestehen der (unbeschränkten) Steuerpflicht bei Personensteuern (in der Sprache des damaligen Gesetzgebers: Personalsteuern) für Zwecke der Bundesstaaten- und der Reichsteuern vor (§ 1 Abs. 1 StFluchtG) dar. Die Einkommensteuer wurde in Höhe des 2,5-fachen des Durchschnitts des steuerpflichtigen Einkommens der letzten drei Jahre festgesetzt (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 StFluchtG) und bei der Vermögensteuer gab es einen Mindestwert (§ 2 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 6 StFluchtG). Es bedurfte einer Anzeigepflicht vor Wegzug und der Abgabe eines Vermögensverzeichnisses (§ 4 StFluchtG). Weiterhin musste eine Sicherheitsleistung erbracht werden (§ 5 StFluchtG). Auch bedurfte es der Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten (§ 18 StFluchtG). Auf Antrag konnte eine Freistellung von der Steuerpflicht gewährt werden, wenn die Auswanderung im deutschen Interesse liegt oder die Ablehnung eine außergewöhnliche Härte darstellte (§ 21 Abs. 1 StFluchtG). Die Nichtbefolgu...