Eine CDR-Agenda kann Steuerberatungen dabei unterstützen, die Art und Weise der Unternehmensführung im datenbasierten Geschäftsmodell mit den Erwartungen und Werten von Kunden und Mitarbeitenden abzustimmen. Diese sind Schadenvermeidung, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung als die Kern-Herausforderungen in der Datafizierung der Kundenbeziehung, die Arbeitgeberfürsorge am digitalisierten Arbeitsplatz und die Förderung der digitalen Inklusion. Die Stakeholder-Perspektiven der Corporate Responsibility werden abgedeckt. Was genau unter den einzelnen Punkten der Agenda zu verstehen ist, wo sie wirksam werden und wie sie beispielhaft umgesetzt werden, wird im Folgenden beschrieben.
9.1 Schadensvermeidung
Schadensvermeidung meint, grundlegende Schäden durch Digitalisierung von Individuen und Gesellschaft abzuwenden. Beim Schutz der Individuen geht es hier um Einsatz von Datenschutz- und Datensicherheitsmaßnahmen entlang des Daten-Lebenszyklus (siehe oben), die (weit) über das gesetzlich Geforderte hinaus gehen.
Zum Beispiel kann durch die Art der Datenerhebung Schaden beim Nutzer vermieden werden. So kann auf Praktiken verzichtet werden, bei denen er technisch gezwungen oder aufgefordert ("Nudging") wird, mehr Daten als nötig Preis zu geben. Eine einfache Formulierung der Datenschutzbestimmungen kann zu einer bewussten Entscheidung führen.
Prognose- oder Entscheidungsunterstützungssystemen können vor ihrem Einsatz auf ihre "ethische Qualität" geprüft werden und Risiken in der Handhabung gemindert werden. Gleiches gilt für die Missbrauchspotenziale von eingesetzten oder selbst angebotenen datenbasierten Produkten und Services. Erweiterte Maßnahmen zur Cybersecurity können sicherstellen, dass mit gespeicherten Daten kein Schaden angerichtet werden kann. Es kann auch darauf geachtet werden, die Nutzung neuer Technologien zu vermeiden, die nicht mit einer nachhaltigen Entwicklung vereinbar sind. Dies betrifft insbesondere Überwachungsaktivitäten, die Gesichtserkennung nutzen oder darauf abzielen, die Meinungsfreiheit einzuschränken, sowie die Entwicklung oder den Einsatz von autonomen Waffen, die Förderung sensibler oder verbotener Inhalte und sogar Aktivitäten, die darauf abzielen, das Verhalten auf versteckte Weise zu beeinflussen.
Zur Vermeidung von gesellschaftlichem Schaden gehören auch erweiterte Aktivitäten zum Klimaschutz beim Einsatz digitaler Technologien, wie z. B. Cloud-basierter Software oder KI. Digitalisierung mit ihrem enormen und sich massiv steigernden Stromverbrauch kann schlimmstenfalls als "Brandbeschleuniger" des menschgemachten Klimawandels fungieren. Dies kann mit Maßnahmen zur Minderung des "Klimafußabdrucks" der Steuerberatung, z. B. mit der Wahl von "grünen Rechenzentren" und eigener Ökostrom-Nutzung umgesetzt werden.
9.2 Gerechtigkeit
Unter der ethischen Grundorientierung Gerechtigkeit ist zu verstehen, für eine gerechte Verteilung von Nutzen und Lasten bei der Anwendung von datenbasierten Services zu sorgen. Gleichheit, Fairness und Solidarität sind die hier geltenden Maßstäbe.
Zur Umsetzung von Gleichheit als Wert ist sicherzustellen, dass digitale Services ohne wirtschaftliche oder soziale Benachteiligung oder ohne Einschränkungen in der persönlichen Entscheidungsfreiheit genutzt werden können. Kritisch ist dies beim Einsatz von Prognose- und Entscheidungssystemen, die auf KI basieren. Aktuell wiederholt KI – ob bei Gesichtserkennung oder Sprache – bestehende Diskriminierungsmuster und verstärkt sie sogar. (Branchen-) Standards für den Einsatz von KI-basierter Software in der Steuerberatung, die Bias und Diskriminierung verhindern, bestehen bisher nicht. Diese könnten Qualitätskriterien für einen Einsatz von Prognose- und Entscheidungssystemen darstellen.
Fairness kann dadurch erzielt werden, dass beispielsweise Mandanten transparente Informationen zur Nutzung und Weitergabe ihrer Daten an Dritte erhalten. Gleiches kann auch für die Mitarbeiter von Mandanten gelten, deren Daten z. B. in der Lohnbuchhaltung verarbeitet werden. Maßgabe ist jeweils eine faire Gegenleistung für die Erlaubnis die personenbezogenen Daten verwenden zu dürfen, anzubieten. Lock-in-Situationen können vermieden werden, indem z. B. bei Nichteinwilligung zur Nutzung ein reduziertes Servicelevel angeboten wird.
Ungenutzte Daten bergen ungenutzte Potenziale. Solidarität kann z. B. durch die Veröffentlichung von selbst generierten statistischen Daten zur gemeinschaftliche Nutzung erzielt werden ("Open Data"). Dabei geht es darum die Nutzung bestehenden digitalen Wissens für Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu ermöglichen.