Wegfall der Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten ab 2022
Die vormals geltende Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG verlangte, unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als 12 Monaten in der Steuerbilanz mit 5,5 % abzuzinsen.
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG lautet "Verbindlichkeiten sind unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nummer 2 anzusetzen" und ist gem. § 52 Abs. 12 Sätze 2 und 3 EStG erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2022 enden. Das bilanzsteuerliche Abzinsungsgebot ist für Verbindlichkeiten ab dem Wirtschaftsjahr 2023 mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz abgeschafft worden.
Das Abzinsungsgebot bei Verbindlichkeiten kann sachlich nur gerechtfertigt werden, wenn eine Verpflichtung zwar formal unverzinslich ist, aber tatsächlich auch einen Zinsanteil enthält. In Zeiten von Marktkursen von null Prozent oder sogar mit negativen Verzinsungen ist nicht mehr darstellbar, dass unverzinslichen Verbindlichkeiten ein Zinsanteil innewohnt.
Auf formlosen Antrag kann die bisherige Abzinsungspflicht bereits in vor dem 1.1.2023 endenden Wirtschaftsjahren vorzeitig entfallen, soweit die betroffenen Veranlagungen nicht bestandskräftig sind. Dieser Antrag auf vorzeitige Anwendung der Neuregelung kann aber nur einheitlich für die vor dem 1.1.2023 endenden Wirtschaftsjahre gestellt werden. Das Wahlrecht gilt durch die entsprechenden Ansätze in den steuerlichen Gewinnermittlungen als ausgeübt.
Betroffene Verpflichtungen sind nach Wegfall der Abzinsungspflicht grundsätzlich mit dem Nennwert – unter Beachtung der Regelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG – anzusetzen. Soweit eine Verbindlichkeit bereits in dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr passiviert wurde, ergibt sich eine Gewinnminderung in Höhe des bisherigen Abzinsungsvolumens.
Die Stellungnahme der Finanzverwaltung zur neuen Rechtslage wird von Experten erwartet.