Viertes Corona-Steuerhilfegesetz
Das Vierte Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Viertes Corona-Steuerhilfegesetz) bündelt wirtschaftliche, aber auch soziale Maßnahmen, die sehr schnell greifen und helfen sollen.
Stand des Gesetzgebungsverfahrens | |
3. Februar 2022 | Referentenentwurf |
16. Februar 2022 | Kabinettsbeschluss |
19. Mai 2022 | Verabschiedung Bundestag |
10. Juni 2022 | Zustimmung Bundesrat |
22. Juni 2022 | Verkündung |
Mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz sollen zusätzliche Investitionsanreize für Unternehmen gesetzt werden. Dies geschieht u. a.
- mit der Verbesserung der Möglichkeiten der Verlustverrechnung,
- der Verlängerung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie der steuerlichen Investitionsfristen und
- neu aufgenommen durch Finanzausschuss: dem Wegfall der Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten.
Außerdem erhalten Pflegekräfte einen steuerfreien Corona-Bonus. Die Homeoffice-Pauschale, die Steuerbefreiung der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und die Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen werden noch einmal verlängert.
Im Einzelnen sind Folgende steuerliche Maßnahmen vorgesehen:
Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten (neu aufgenommen im Bundestag)
Nach der bisherigen Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mindestens 12 Monaten unter Berücksichtigung eines Rechnungszinsfußes von 5,5 Prozent abzuzinsen. Aufgrund der aktuellen Niedrigzinsphase entfällt dieses Abzinsungsgebot.
Rückstellungen für Verpflichtungen sind jedoch weiterhin mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent abzuzinsen, wenn deren Laufzeit am Bilanzstichtag mindestens 12 Monate beträgt (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG). Rückstellungen für Verpflichtungen, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen, sind davon ausgenommen.
Gilt für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2022 enden; auf Antrag aber auch für frühere Wirtschaftsjahre anwendbar.
Steuererklärungsfristen (angepasst durch Bundestag)
Die Frist zur Abgabe von Steuererklärungen 2020 in beratenen Fällen wird um weitere drei Monate verlängert (Art. 97 § 36 EGAO). Hieran anknüpfend werden auch die Erklärungsfristen für die folgenden Veranlagungszeiträume verlängert (der Regierungsentwurf sah hier noch eine Verlängerung in geringerem Umfang vor). Es gelten dann bei der Einkommensteuer folgende Fristen:
Beratene Fälle
- VZ 2020: bis 31.8.2022 (LuF: 31.1.2023) = +6 Monate,
- VZ 2021: bis 31.8.2023 (LuF: 31.1.2024) = +6 Monate,
- VZ 2022: bis 31.7.2024 (LuF: 31.12.2024) = +5 Monate,
- VZ 2023: bis 31.5.2025 (LuF: 31.10.2025) = +3 Monate,
- VZ 2024: bis 30.4.2026 (LuF: 30.9.2026) = +2 Monate.
Nicht beratene Fälle
- VZ 2020: bis 31.10.2021 (LuF: Ende abw. WJ + 10 Monate) = +3 Monate,
- VZ 2021: bis 31.10.2022 (LuF: Ende abw. WJ + 10 Monate) = +3 Monate,
- VZ 2022: bis 30.9.2023 (LuF: Ende abw. WJ + 9 Monate) = +2 Monate,
- VZ 2023: bis 30.8.2024 (LuF: Ende abw. WJ + 8 Monate) = +1 Monat.
Die Verlängerung der Abgabefristen soll also schrittweise wieder zurückgenommen werden; ab VZ 2025 (beratene Fälle) bzw. VZ 2024 (nicht beratene Fälle) würden dann wieder die ursprünglichen Fristen gelten.
Corona-Bonus für Pflegekräfte (angepasst durch Bundestag)
Vom Arbeitgeber aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen an in bestimmten Einrichtungen - insbesondere Krankenhäusern - tätige Arbeitnehmer gewährte Sonderleistungen zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise werden bis zu einem Betrag von 4.500 EUR steuerfrei gestellt (§ 3 Nr. 11b -neu- EStG) und auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II nicht angerechnet. Im Regierungsentwurf war dagegen noch ein Betrag in Höhe v. 3.000 EUR vorgesehen.
Auf Anregung des Bundesrats entfällt die Voraussetzung, dass die Steuerfreiheit nur gewährt wird, wenn die Zahlung des Bonus aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen erfolgt. Auch eine von einem Arbeitgeber aus eigener Initiative gewährte Prämie unterfällt daher diesem Steuerprivileg.
Der Kreis der Anspruchsberechtigten in Bezug auf die Steuerbefreiung wurde erweitert: Auch Beschäftigte in Einrichtungen für ambulantes Operieren, bestimmte Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Rettungsdienste können nun von der Regelung profitieren.
Begünstigt ist der Auszahlungszeitraum ab dem 18.11.2021 bis zum 31.12.2022. Die Vorschrift wird daher erstmals im VZ 2021 angewendet.
Steuerfreie Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld (keine Änderungen gegenüber Regierungsentwurf)
Die steuerliche Förderung der steuerfreien Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld wird verlängert (§ 3 Nr. 28a EStG). Die Regelung wurde durch das Corona-Steuerhilfegesetz eingeführt und bereits durch das Jahressteuergesetz 2020 verlängert. Die Regelung sieht in seiner aktuellen Fassung eine begrenzte und befristete Steuerbefreiung der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld vor.
Die Befristung wird um 6 Monate verlängert. Die Steuerfreiheit gilt damit für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 29.2.2020 beginnen und vor dem 1.7.2022 enden.
Die Änderung gilt erstmals für den VZ 2022.
Homeoffice-Pauschale (keine Änderungen gegenüber Regierungsentwurf)
Die bestehende Regelung zur Homeoffice-Pauschale wird um ein Jahr bis zum 31.12.2022 verlängert (§ 52 Abs. 6 Satz 15 EStG). Damit wird eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt.
Liegt kein häusliches Arbeitszimmer vor oder wird auf einen Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer verzichtet, kann der Steuerpflichtige für jeden Kalendertag, an dem er seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene Betätigungsstätte aufsucht, für seine gesamte betriebliche und berufliche Betätigung einen Betrag von 5 EUR abziehen, höchstens 600 EUR im Wirtschafts- oder Kalenderjahr. Die Homeoffice-Pauschale wird in die Werbungskostenpauschale eingerechnet und nicht zusätzlich gewährt. Nicht von der Homeoffice-Pauschale abgegolten sind allerdings Aufwendungen für Arbeitsmittel.
Degressive Abschreibung (keine Änderungen gegenüber Regierungsentwurf)
Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz eingeführten degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (s. hierzu auch die News "Wiedereinführung der degressiven AfA") wird um ein Jahr verlängert für Wirtschaftsgüter, die im Jahr 2022 angeschafft oder hergestellt werden (§ 7 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Regelung wurde zunächst auf in den Jahren 2020 und 2021 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens begrenzt.
Die degressive Abschreibung kann anstelle der linearen Abschreibung in Höhe von bis zu dem Zweieinhalbfachen der linearen Abschreibung, höchstens 25 Prozent, in Anspruch genommen werden.
Soweit für ein bewegliches Wirtschaftsgut auch die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG vorliegen, können diese neben der degressiven Abschreibung in Anspruch genommen werden.
Die Änderung gilt für den VZ 2022.
Hinweis: Nicht im Gesetz enthalten ist die Im Koalitionsvertrag vereinbarte sog. Super-Abschreibung. Diese soll als eine Art Investitionsprämie Ausgaben für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter fördern. Bundesfinanzminister Christian Lindner hält die Einführung der von der Ampel-Koalition geplanten "Super-Abschreibung" in diesem Jahr noch für möglich (s. hierzu die News "Lindner: Super-Abschreibung auch 2022 noch möglich").
Erweiterte Verlustverrechnung (keine Änderungen gegenüber Regierungsentwurf)
Die erweiterte Verlustverrechnung wird bis Ende 2023 verlängert: Für 2022 und 2023 wird der Höchstbetrag beim Verlustrücktrag auf 10 Mio. EUR bzw. auf 20 Mio. EUR bei Zusammenveranlagung angehoben. Der Verlustrücktrag wird darüber hinaus ab 2022 dauerhaft auf zwei Jahre ausgeweitet und erfolgt in die unmittelbar vorangegangenen beiden Jahre (§ 10d Abs. 1 EStG).
Die Änderung führt dazu, dass nicht bereits ab dem VZ 2022, sondern erst ab dem VZ 2024 die Betragsgrenzen auf den alten Rechtsstand von 1 Mio. EUR bzw. 2 Mio. EUR für zusammenveranlagte Ehegatten zurückgeführt werden.
Zugleich wird das bislang gem. § 10d Absatz 1 Satz 5 und 6 EStG bestehende Wahlrecht eingeschränkt. Daher kann auf die Anwendung des Verlustrücktrags ab dem Verlustentstehungsjahr 2022 auf Antrag nicht mehr teilweise verzichtet werden.
Die zeitliche Erweiterung des Verlustrücktrags von einem auf zwei Jahre folgt der bisherigen Systematik: Der Rücktrag erfolgt in den unmittelbar vorangegangenen VZ. Sollte ein Ausgleich der negativen Einkünfte in diesem VZ nicht oder nur teilweise möglich sein, erfolgt der Rücktrag insoweit in den zweiten, dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen VZ.
Eine fehlende Veranlagung für den unmittelbar vorangegangenen oder den zweiten dem VZ vorangegangenen VZ führt grundsätzlich nicht zu einer Schonung des Verlustabzugspotentials. Das heißt, wenn für einen VZ keine Veranlagung erfolgt, kann der in diesem VZ berücksichtigungsfähige Verlustabzug – so wie bisher auch – nicht in einem anderen VZ geltend gemacht werden. Für den VZ der Verlustentstehung erfolgt allerdings keine Minderung des auf den Schluss des vorangegangenen VZ festgestellten verbleibenden Verlustvortrags, wenn auf den Verlustrücktrag gemäß § 10d Absatz 1 Satz 6 EStG verzichtet wird (vgl. R 10d Absatz 4 EStR).
Die Erweiterungen des Verlustrücktrags gemäß § 10d Absatz 1 EStG gelten auch für die Körperschaftsteuer.
Investitionsfristen bei Investitionsabzugsbeträgen (keine Änderungen gegenüber Regierungsentwurf)
Die Investitionsfristen für steuerliche Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG, die in 2022 auslaufen, werden um ein weiteres Jahr verlängert (§ 52 Abs. 16 Satz 3, 4 und Satz 5 –neu– EStG).
Investitionsabzugsbeträge sind grundsätzlich bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des jeweiligen Abzuges folgenden Wirtschaftsjahres für begünstigte Investitionen zu verwenden. Andernfalls sind sie rückgängig zu machen (§ 7g Abs. 3 Satz 1 EStG). Infolge der Corona-Pandemie wurde die Frist für in 2017 und 2018 abgezogene Beträge um ein bzw. zwei Jahre auf vier bzw. fünf Jahre verlängert. Infolgedessen können begünstigte Investitionen auch noch in 2022 getätigt werden. Die Frist für Investitionsabzugsbeträge, deren dreijährige oder bereits verlängerten Investitionsfristen in 2022 auslaufen, werden um ein weiteres Jahr auf vier, fünf oder sechs Jahre verlängert.
Investitionsfristen bei Reinvestitionen (keine Änderungen gegenüber Regierungsentwurf)
Die steuerlichen Investitionsfristen für Reinvestitionen nach § 6b EStG werden wie bei § 7g EStG um ein weiteres Jahr verlängert (§ 52 Absatz 14 Satz 4, 5 und Satz 6 -neu- EStG).
Sofern eine Reinvestitionsrücklage am Schluss des nach dem 28.3.2020 und vor dem 1.1.2023 endenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist und in diesem Zeitraum nach § 6b Abs. 3 Satz 5, Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 5 oder Abs. 10 Satz 8 EStG aufzulösen wäre, endet die Reinvestitionsfrist erst am Schluss des nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.1.2024 endenden Wirtschaftsjahres.
Lohnsteuereinbehalt in der Seeschifffahrt (keine Änderungen gegenüber Regierungsentwurf)
Der Registerbezug beim Lohnsteuereinbehalt in der Seeschifffahrt wird zur Umsetzung einer Vereinbarung mit der EU-Kommission vom Inland auf EU/EWR-Staaten erweitert (§ 41a Abs. 4 Satz 2).
Die erneute Änderung der Vorschrift dient der Umsetzung der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission vom 22.6.2021. Nach Erteilung der Genehmigung findet das Gesetz zur Verlängerung des erhöhten Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt vom 12.5.2021 zwar Anwendung. Die EU-Kommission erteilte die Genehmigung allerdings mit der Maßgabe, dass das Erfordernis der Eintragung in einem Seeschiffsregister diskriminierungsfrei ausgestaltet werde. Die mit dem Gesetz vorgesehene Fassung entspreche nicht dieser Anforderung, da Eigner, deren Handelsschiffe in einem Register eines anderen EU- oder EWR-Staates eingetragen sind, benachteiligt seien, ohne dass es hierfür eine ausreichende Rechtfertigung gebe.
Die geänderte Regelung war daher schon bisher mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Eintragung in einem inländischen Seeschiffsregister die Eintragung in einem Seeschiffsregister eines Mitgliedstaates der EU oder eines EWR-Staates anwendbar ist, tritt (vgl. Bekanntmachung des BMF v. 25.6.2021). Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs in Bezug auf die Registereintragung soll nun gesetzlich umgesetzt werden.
Gilt erstmals für laufenden Arbeitslohn, der für einen ab dem 1.6.2021 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und für sonstige Bezüge, die ab dem 1.6.2021 zufließen.
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