In den drei Entscheidungen folgten die FG im Wesentlichen der Auffassung der Finanzverwaltung und wiesen die Klagen als unbegründet zurück. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Der Tatbestand der unverzüglichen Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken sei nicht erfüllt. Die Revision wurde jedoch zugelassen.
a) Bestimmung zur Selbstnutzung und tatsächlicher Einzug
Ein Haus sei zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht habe, das Haus selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und diese Absicht auch tatsächlich umsetze. Die Absicht des Erwerbers lasse sich als innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen (vgl. FG Münster v. 28.9.2016 – 3 K 3793/15 Erb, EFG 2016, 2079 Rz. 16 = ErbStB 2017, 2 [Rothenberger]). Dies erfordere, dass der Erwerber in die Wohnung einziehe und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutze (vgl. BFH v. 23.6.2015 – II R 13/13, BFHE 250, 203 = BStBl. II 2016, 223 Rz. 15; BFH v. 2.9.2015 – II B 146/14, ErbStB 2015, 315 [E. Böing]). Die bloße Absicht bzw. Widmung der Selbstnutzung sei ebenso unzureichend wie die Vornahme von Vorbereitungshandlungen, etwa Renovierungsarbeiten (vgl. FG Münster v. 24.10.2019 – 3 K 3184/17 Erb, EFG 2020, 214 Rz. 22 = ErbStB 2020, 39 [E. Böing]; FG Düsseldorf v. 10.3.2021 – 4 K 2245/19 Erb, EFG 2021, 864 Rz. 18 = ErbStB 2021, 173 [Heinrichshofen]).
b) Sechs-Monats-Frist
Unverzüglich erfolge die Bestimmung zur Selbstnutzung dann, wenn der zur Zeit des Erbfalls nicht im Familienheim wohnende Erwerber ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) handele (vgl. FG Münster v. 24.10.2019 – 3 K 3184/17 Erb, EFG 2020, 214 Rz. 20 = ErbStB 2020, 39 [E. Böing]). Dem Erwerber sei eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessende Prüfungs- und Überlegungszeit einzuräumen, welche nach Ansicht des BFH regelmäßig einen Zeitraum von sechs Monaten umfasse (vgl. BFH v. 23.6.2015 – II R 39/13, BFHE 250, 207 = BStBl. II 2016, 225 Rz. 25 = ErbStB 2015, 287 [Halaczinsky]). Dieser Zeitraum beinhalte die dem Erwerber zuzubilligende Bedenkzeit, die Zeit für eine eventuelle Renovierung bzw. Gestaltung der erworbenen Wohnung für eigene Wohnzwecke sowie die für den Umzug benötigte Zeit (vgl. FG Münster v. 28.9.2016 – 3 K 3793/15 Erb, EFG 2016, 2079 Rz. 18 = ErbStB 2017, 2 [Rothenberger]; FG Münster v. 24.10.2019 – 3 K 3184/17 Erb, EFG 2020, 214 Rz. 20 = ErbStB 2020, 39 [E. Böing]).
c) Verzögerung des Einzugs
Jedoch könne auch nach Ablauf von sechs Monaten eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung gegeben sein, wenn der Erwerber darlegt und glaubhaft geltend macht, warum ein Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten habe. Dabei seien Umstände im Einflussbereich des begünstigten Erwerbes nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten (vgl. BFH v. 23.6.2015 – II R 39/13, BStBl. II 2016, 225 Rz. 26 = ErbStB 2015, 287 [Halaczinsky]). Umstände im Einflussbereich des Erwerbers seien dabei Gründe, die der Entscheidungsgewalt des Erwerbers unterliegen; z.B. eine Renovierung der Wohnung (vgl. FG Münster v. 28.9.2016 – 3 K 3793/15 Erb, EFG 2016, 2079 Rz. 18 = ErbStB 2017, 2 [Rothenberger]; FG Münster v. 24.10.2019 – 3 K 3184/17 Erb, EFG 2020, 214 Rz. 20 = ErbStB 2020, 39 [E. Böing]). Nicht vom Erwerber zu vertreten wäre bspw. der Fall, wenn sich die Renovierung deshalb länger hinziehe, weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt werde, der vor dem Einzug beseitigt werden müsse. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem tatsächlichen Einzug des Erwerbers in die Wohnung ist, umso höhere Anforderungen seien an die Darlegung des Erwerbers und seine Gründe für die verzögerte Nutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke zu stellen (vgl. BFH v. 23.6.2015 – II R 39/13, BStBl. II 2016, 225 Rz. 26 = ErbStB 2015, 287 [Halaczinsky]).