a) Feste Niederlassung, die das Stammhaus ersetzt
Die Generalanwältin hatte dem Gerichtshof eine sehr klare und eindeutige Aussage zu der Frage vorgeschlagen, wann überhaupt eine feste Niederlassung anzunehmen sein kann: Im Vorschlag des dritten Leitsatzes formulierte sie, dass eine feste Niederlassung nach Art. 44 S. 2 MwStSystRL nur vorliegen könne, "wenn diese das in einem anderen Mitgliedstaat belegene Stammhaus ersetzt." In den Rz. 62 ff. erörterte FrauKokott ihre Überlegungen näher und ordnete sie in den Kontext der bereits ergangenen EuGH-Entscheidungen ein.
Leider hat der EuGH diese Formulierungen nicht in die Entscheidung übernommen. Explizite Aussagen finden sich weder im Tenor noch an anderer Stelle in der Urteilsbegründung.
Der EuGH verweist lediglich, wie bereits in der Vergangenheit, darauf, dass grundsätzlich der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen der "vorrangige Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung" sein solle und "die Anknüpfung an die feste Niederlassung des Steuerpflichtigen nachrangig und eine Ausnahme zur allgemeinen Regel". Voraussetzung sei, dass "die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat."
b) Feste Niederlassung ohne Personal
Die Generalanwältin hatte im Schlussantrag weiterhin sehr deutliche Überlegungen zu der Frage geäußert, ob eine feste Niederlassung für Mehrwertsteuerzwecke zwingend Personal erfordert. Nach ihrer Auffassung sei dies beispielsweise nicht der Fall, falls das Stammhaus für vergleichbare Leistungen selbst kein Personal einsetze, weil die Leistungen automatisiert erbracht werden.
Auch hierzu äußert sich der EuGH – leider – nicht. Damit bleibt ungeklärt, ob eine feste Niederlassung Personen und Sachmittel erfordert.
Aus "Titanium" kann man keineswegs eindeutig ableiten, dass dies der Fall ist. Zwar scheint der Leitsatz zu der Feststellung zu verleiten, der EuGH sehe eigenes Personal für die Leistungsbewirkung als zwingende Voraussetzung einer festen Niederlassung an. Beim genaueren Lesen der Entscheidung erkennt man allerdings, dass das Fremdpersonal im Sachverhalt des Ausgangsverfahrens überhaupt keine Entscheidungsbefugnisse hatte, und dies den EuGH zu der Schlussfolgerung führte, eine Niederlassung zu verneinen. Entsprechende Überlegungen passen zu den Entscheidungen in den Rechtssachen "Berlin Chemie A. Menarini", "Cabot Plastics Belgium" und auch der nunmehr ergangenen Entscheidung. Das FG München legt Titanium entsprechend aus.
Weiterhin sind, wie von der Generalanwältin zutreffend angemerkt, Fälle denkbar, in denen Gesellschaften gar kein eigenes Personal haben bzw. benötigen. Beispielsweise arbeitet eine moderne Windenergieanlage (anders als eine historische Windmühle) ohne dort stationiertes Personal. Sie wird aus der Ferne überwacht und lediglich ab und zu gewartet. Gleiches gilt für einen Server, der elektronische Leistungen erbringt.
In diesen Fällen kategorisch eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat auszuschließen, überzeugt erst recht nicht. "Berkholz" muss insoweit als besonders gelagerter Fall angesehen werden, in dem hinzukam, dass die Besteuerung am Sitzort des Geldautomatenbetreibers eine steuerlich sinnvolle Lösung war, da andernfalls die Bodenseestaaten Schweiz, Österreich und Deutschland nach einem Schlüssel die Besteuerung hätten vornehmen müssen, und kaum vorstellbar erscheint, wie die jeweiligen Bemessungsgrundlagen hätten rechtssicher ermittelt werden können. Eine ähnliche Logik liegt der Entscheidung "Faaborg-Gelting Linien" zugrunde: Der EuGH verneinte dort für ein Schiffsrestaurant trotz – jedenfalls über die Speisen- und Getränkeverkäufe entscheidungsbefugten – Personals eine feste Niederlassung, da andernfalls Deutschland und Dänemark besteuerungsberechtigt und ggf. andere Umsätze auf hoher See nicht steuerbar gewesen wären.
c) Innenumsatz
Die Generalanwältin hatte in den Schlussanträgen schließlich vertreten, dass selbst in dem Fall, in dem eine feste Niederlassung zugleich Erbringer und Empfänger derselben Dienstleistungen sei, keine Steuerbarkeit eintreten könne. Dann seien nämlich leistender Unternehmer und Leistungsempfänger identisch, womit es an einem steuerbaren Leistungsaustausch fehle.
Der EuGH ist diesen in erster Linie auf "FCE Bank" gestützten Überlegungen in den Urteilsgründen gefolgt. Allerdings sollte man die Aussagen nicht überbewerten. Zwar fühlt man sich an...