Wann muss das Finanzgericht einen Beweisantrag beachten?
[Ohne Titel]
RiBFH Prof. Dr. Gregor Nöcker
Wiederholt hat der BFH in der jüngeren Vergangenheit Urteile verschiedener Finanzgerichte aufgehoben und die Sache nach § 116 Abs. 6 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der Beitrag geht auf die die BFH Beschlüsse v. 22.3.2023 – X B 135/21 und v. 8.8.2023 – IX B 86/22 ein und nimmt diese zum Anlass, darzustellen, wann ein Beweisantrag vom FG zu beachten ist.
1. Einleitung
Wiederholt hat der BFH in der jüngeren Vergangenheit Urteile verschiedener Finanzgerichte aufgehoben und die Sache nach § 116 Abs. 6 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Betraf der Beschluss des X. Senats des BFH v. 22.3.2023 – X B 135/21 (BFH/NV 2023, 73 = HFR 2023, 705 mit Anm. Nöcker) die Beweiserhebung über die Ersatzzustellung trotz Zustellungsurkunde, so hat der IX. Senat des BFH in seinem Beschluss v. 8.8.2023 (BFH, Beschl. v. 8.8.2023 – IX B 86/22, BFH/NV 2023, 1218) zur Beweiserhebung durch Beteiligtenvernehmung entschieden. In beiden Fällen hatte man den Eindruck, dass das FG die Beweiserhebung bewusst nicht vornehmen wollte und stattdessen sich ausführlicher mit der Art und Weise der vom Kläger gestellten Beweisanträge beschäftigte. Der folgende Kurzbeitrag nimmt dies zum Anlass, darzustellen, wann ein Beweisantrag vom FG zu beachten ist.
2. Der ordnungsgemäß gestellte Beweisantrag
a) Eingeschränkte Ablehnungsmöglichkeit
Nach der BFH-Rechtsprechung darf ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag nur unberücksichtigt bleiben, wenn
- das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich,
- das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder
- die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann
(ständige höchstrichterliche Rspr., vgl. nur BFH v. 22.3.2023 – X B 135/21, BFH/NV 2023, 731 Rz. 15, m.w.N.). Nicht ordnungsgemäß ist ein solcher Beweisantrag gestellt, wenn er unsubstantiiert ist.
b) Ausgangsfall
Der Kläger veräußert einen Teil seines Betriebs an eine GmbH. Dabei handelt es sich neben dem Kundenstamm dieses Handelsgeschäfts auch um die dazu gehörenden bestehenden Lieferverträge und den Warenbestand. Nicht veräußert werden die Firma des Klägers wie auch Sachanlagen, Forderungen, Verbindlichkeiten und sonstige Vermögensgegenstände. Nach einer Außenprüfung streiten sich der Kläger und das FA darüber, ob eine tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung nach § 16 Abs. 1 S. 1 EStG gegeben ist. Aus Sicht des FA wäre nämlich das Grundstück, auf dem dieser Teilbetrieb ansässig gewesen wäre, nicht mitveräußert worden. Der Kläger wendet dagegen im Einspruchsverfahren ein, dass das Grundstück nur vom anderen Teilbetrieb genutzt worden sei, da das fragliche Handelsgeschäft nicht stationär, sondern durch zwei Mitarbeiterinnen betrieben worden sei. Diese hätten den Vertrieb mittels zweier geleaster Lieferwagen durchgeführt.
Das FG lässt im Klageverfahren offen, ob das veräußerte Handelsgeschäft ein Teilbetrieb gewesen sei. Wäre dies der Fall, so hätte der Kläger auch die geleasten Lieferwagen übertragen müssen, was nicht erfolgt sei. Folglich seien nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die GmbH übertragen worden.
Soweit der Kläger im Klageverfahren vorgetragen habe, die Leasingverträge seien von der GmbH fortgeführt bzw. übernommen worden, habe das FG nicht nur erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Darlegung. Der insoweit neue Tatsachenvortrag sei nicht ansatzweise substantiiert. Folglich scheide die beantragte Vernehmung der beiden Mitarbeiterinnen aus. Die ebenfalls beantragte Vernehmung des Geschäftsführers der GmbH sei als Ausforschungsbeweise nicht statthaft.
c) Substantiierter Beweisantrag
Nicht substantiierte Beweisanträge sind vom FG nicht zu beachten. Zu den nicht substantiierten Beweisanträgen gehören auch die Ausforschungs- und Beweismittelanträge (BFH v. 16.5.2013 – X B 131/12, BFH/NV 2013, 1260 Rz. 21 ff.). Allerdings stellt sich in beiden Fällen die Frage, wann dies der Fall ist.
BVerfG: Das BVerfG hat im Zusammenhang mit der Substantiierung eines Beweisantrags klargestellt, dass eine Beweisaufnahme unter diesem Gesichtspunkt nur abgelehnt werden darf, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sich der Beweisantrag als rechtsmissbräuchlich darstellt, weil die in ihm aufgestellte Behauptung auf das Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue" aufgestellt und damit "aus der Luft gegriffen" ist (BVerfG v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02, NJW 2003, 2976, unter II.2.a).
BFH: Im Fall der Beweiserhebung über die Ersatzzustellung trotz Zustellurkunde hat der BFH dargelegt, dass ein unzulässiger Ausforschungsbeweis vorliegt, wenn der Beweismittelantrag so unbestimmt ist, dass erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen u...