Leitsatz
Die regelmäßige Nutzung einer festen Einrichtung in der Schweiz setzt nicht voraus, dass sie innerhalb eines Kalenderjahres für einen bestimmten Zeitraum tatsächlich genutzt wird. Es genügt, über die feste Einrichtung regelmäßig verfügen zu können und sie nicht nur vorübergehend für Zwecke der selbständigen Arbeit zu nutzen. Kapitalerträge sind einer festen Einrichtung zuzurechnen, wenn das Kapital in einem funktionalen Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit steht.
Sachverhalt
Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute mit Familienwohnsitz in Deutschland. Der Kläger war als EDV-Projektleiter selbständig tätig. Er hatte in der Schweiz eine Wohnung angemietet und unterhielt dort auch ein Büro. Die im Streitjahr bezogenen schweizerischen Honorare legte der Kläger bei einer Bank in der Schweiz an. Die Mittel sollten im Falle von Mängelbeseitigungsansprüchen zur Verfügung stehen. Aus dieser Anlage flossen im Streitjahr ebenfalls Einkünfte zu. Der Kläger entrichtete schweizerische Staats- und Gemeindesteuer sowie schweizerische Bundessteuer. Nach einer Außenprüfung änderte das FA den Einkommensteuerbescheid und unterwarf die schweizerischen Einkünfte aus selbständiger Arbeit und die Zinsen aus der schweizerischen Kapitalanlage der deutschen Einkommensteuer. Schweizerische Steuern wurden nicht angerechnet. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Die Klage war teilweise begründet und führte zur Änderung des Einkommensteuerbescheids. Die schweizerischen Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit seien nach Ansicht des Gerichts in Deutschland nach den einschlägigen Bestimmungen des DBA-Schweiz steuerfrei und nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Der Kläger gelte als im Inland ansässig, weil der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen am Familienwohnsitz in Deutschland liege. Einkünfte aus selbständiger Arbeit seien im Ansässigkeitsstaat zu versteuern, soweit der Kläger für die Ausübung seiner Tätigkeit in der Schweiz nicht regelmäßig über eine feste Einrichtung verfüge. In der Literatur sei die Auslegung des Begriffs "regelmäßig" umstritten. Die Besteuerung in der Schweiz setze nicht voraus, dass die feste Einrichtung für einen bestimmten Zeitraum tatsächlich genutzt werde. Es genüge, wenn der Steuerpflichtige berechtigt sei, die feste Einrichtung nicht nur vorübergehend und für eigene Zwecke zu nutzen. Das Gericht sah diese Voraussetzungen als erfüllt. Die Zinsen aus der schweizerischen Kapitalanlage seien keine Nebenerträge der selbständigen Tätigkeit des Klägers. Es fehle an einem funktionalen Zusammenhang. Der Kläger habe keine Anhaltspunkte für drohende Mängelbeseitigungsansprüche vorgetragen. Die Zinsen unterfielen daher nicht dem Betriebsstättenvorbehalt und seien in Deutschland als Ansässigkeitsstaat als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern (Art. 11 DBA-Schweiz). Die Anrechnung der nicht abkommenskonform erhobenen schweizerischen Steuern auf die Zinsen scheide aus, auch wenn sie wegen Fristablaufs in der Schweiz nicht mehr zu erstatten seien.
Hinweis
Das Gericht hat die Revision zugelassen. Die in der Literatur unterschiedliche Auslegung des Tatbestandsmerkmals "regelmäßig" in den einschlägigen Vorschriften des DBA-Schweiz ist bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt. Diese Auslegung habe nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich Bedeutung. Die vorliegende Entscheidung ist für den Berater über die Besonderheiten des DBA-Schweiz hinaus von Interesse. Ausländische Steuern, die nicht in Übereinstimmung mit den Regelungen eines DBA erhoben wurden, sind im Inland nicht anrechenbar. Der Berater hat darauf zu achten, dass Erstattungsfristen im Ausland nicht ablaufen, bevor der Streitfall in Deutschland abschließend geklärt ist. Eine verbindliche Auskunft über die steuerliche Behandlung ausländischer Einkünfte im Vorfeld könnte Enttäuschungen vorbeugen. Hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen war es entscheidungserheblich, dass der Kläger es unterlassen hatte, Anhaltspunkte für drohende Mängelbeseitigungsansprüche vorzutragen. Ein entsprechender Vortrag hätte möglicherweise einen funktionalen Zusammenhang mit der festen Einrichtung in der Schweiz begründen können.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 10.12.2003, 9 K 3576/01