Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger kann die Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG und § 34f EStG auch für nach dem 31.12.1990 erworbene, aber bereits vorher errichtete Wohnungen im Beitrittsgebiet geltend machen, wenn diese nach DDR-Recht formell und materiell baurechtmäßig waren, tatsächlich dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt werden durften und auch entsprechend genutzt wurden.
Normenkette
§ 10e Abs. 1 EStG , § 34f Abs. 2 EStG , § 2 EigZulG
Sachverhalt
Für ein 1991 erworbenes und im Außenbereich belegenes Grundstück in A (Thüringen), auf dem bereits 1962 ein Gartenhaus und 1967 ein ebenfalls genehmigter Anbau errichtet war, beantragten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung die Grundförderung nach § 10e EStG sowie die Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 2 EStG für zwei Kinder. FA und FG lehnten dies wegen fehlender Eignung des Gebäudes zur dauernden Wohnnutzung ab.
Entscheidung
Nach der Entscheidung des BFH sind die Voraussetzungen für die Wohneigentumsförderung nach den §§ 10e, 34f EStG bzw. nach § 2 EigZulG für Objekte im Bereich der früheren DDR selbst bei Unvereinbarkeit einer dauerhaften Wohnnutzung mit dem nach dem Beitritt in Kraft getretenen Baurecht gegeben, wenn sie bereits nach DDR-Recht rechtlich dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt werden konnten und auch tatsächlich entsprechend durch die Voreigentümer genutzt wurden.
Hinweis
1. Rechtsnachfolgern steht das Nutzungsrecht an einer Wohnung in demselben Umfang zu, in dem es ihren Rechtsvorgängern zustand (BFH, Urteil vom 13.12.1995, X R 103/94, BFH/NV 1996, 536). Konnte die Wohnung durch die Voreigentümer nach Maßgabe der insoweit erteilten Baugenehmigung nicht dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt werden, so ist ihre Benutzung zu dauerndem Wohnen eine Nutzungsänderung i.S.d. § 29 Satz 1 des BauGB, die im Allgemeinen genehmigungsbedürftig ist und bis zu einer solchen Genehmigung materiell und formell baurechtswidrig bleibt. Erst ab dem Zeitpunkt einer Genehmigung für eine solche Nutzungsänderung – nicht rückwirkend – kann die Wohneigentumsförderung nach den §§ 10e, 34f EStG in Anspruch genommen werden (BFH, Urteil vom 18.11.1998, X R 110/95, BStBl II 1999, 225). Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Eigenheimzulage.
Für bauliche Anlagen, die bereits nach dem bei ihrer Errichtung geltenden Baurecht dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt werden konnten, besteht auch bei zwischenzeitlicher Änderung der Genehmigungsvoraussetzungen Bestandsschutz (Vertrauensschutz) für die bisherige Nutzung durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.2.1977, IV C 6.75, Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 21). Diese Garantie gilt auch für Bauten im Bereich der früheren DDR (vgl. BverfG, Urteil vom 23.11.1999, 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239, 262).
2. Im Zweifel hat der Steuerpflichtige die günstige Tatsache einer früher erteilten Baugenehmigung und der sich daraus ergebenden Berechtigung zu dauernder Wohnnutzung nachzuweisen. Deshalb sollten bei sich abzeichnendem Streit mit dem FA unverzüglich evtl. noch vorhandene Bauakten bei den Gemeinde- und Kreisbehörden eingesehen und ggf. – wegen des Alters möglicher Zeugen, wie Rechtsvorgänger oder frühere Bedienstete der Bauaufsichtsbehörden – auch schon vor Anhängigkeit eines Gerichtsverfahrens in der Hauptsache Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens nach §§ 155, 485 ff. ZPO gestellt werden (vgl. dazu Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 82 FGO Rz. 272 ff.).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.2.2002, X R 47/98