Erfahrungsgemäß wird eine unbeschränkte Einsichtnahme sämtlicher Erben in den digitalen Nachlass durch den Großteil der Mandanten nicht gewünscht. Vielmehr sollen bestimmte Nachrichten, Bilder, Dateien etc. häufig lediglich ausgewählten Personen überlassen werden oder eine Einsichtnahme in bestimmte Daten sogar komplett verhindert werden.

 

Beispiel

F hat ihren Ehemann M sowie ihren Sohn S zu ihren Erben eingesetzt. Im digitalen Nachlass der F befinden sich u.a. auch private E-Mails mit dem A, mit dem die F in der Vergangenheit eine Liaison verband, von der weder ihr Ehemann noch ihr Sohn Kenntnis hatte. Die Einsichtnahme in diese Nachrichten soll unbedingt vermieden werden. Darüber hinaus wünscht die F insgesamt keinerlei Einsicht in ihre WhatsApp-Chats, da dies nach ihrem Dafürhalten "niemanden etwas anginge".

Sofern die F hinsichtlich ihres digitalen Nachlasses nicht abweichend testiert, haben M und S früher oder später die Möglichkeit – notfalls über (Auskunfts-)Ansprüche ggü. den Vertragspartnern – Einsicht in sämtliche Daten der F zu nehmen. Dabei werden sie aller Voraussicht nach auch auf die Kommunikation mit dem A stoßen, was das positive Andenken an die Ehefrau bzw. Mutter in erheblicher Weise beeinträchtigen könnte. Gleichermaßen wird es ihnen möglich sein, nach Überwindung des Smartphone-Passwortes Einblick in sämtliche vergangenen WhatsApp-Chats zu nehmen – wohlgemerkt all dies in rechtlich zulässiger Weise.

Dies ist nur eines von zahlreichen Beispielen, wieso eine unbeschränkte Einsichtnahme durch die Erben im Einzelfall nicht ohne weiteres erfolgen sollte. Sobald der Mandant auch nur die Einsichtnahme eines einzigen Erben in eine einzige Datei, Nachricht usw. verhindern will, ist eine testamentarische Vorsorge unausweichlich.

Die Gesamtrechtsnachfolge umfasst auch den digitalen Nachlass, so dass der Mandant den originären Übergang seiner digitalen Hinterlassenschaften auf seine Rechtsnachfolger nicht verhindern kann. Allerdings ist es ihm möglich, einen Zugriff seiner Erben auf verschiedenen Wegen zu verhindern.

a) Rein technische Lösungen nicht zielführend

Gerade im Hinblick auf die den Erben zustehenden Auskunftsansprüche (s.o.) sollte nicht auf rein technische Lösungen zurückgegriffen werden, da die Gefahr eines Zugriffs auf diesem Wege – mit Ausnahme der Vernichtung sämtlicher Datenträger – nicht ausgeschlossen werden kann.

b) Lebzeitige Errichtung einer post- oder transmortalen Vollmacht

Der Mandant könnte lebzeitig einer Vertrauensperson eine trans- oder postmortale Vollmacht erteilen, mit der der Bevollmächtigte den digitalen Nachlass verwalten und abwickeln kann. Die Erteilung einer solchen Vollmacht bietet den Vorteil, dass diese unabhängig von der Erbenstellung besteht, d.h. von der Vollmacht schon vor der Testamentseröffnung bzw. Amtsannahme des Testamentsvollstreckers Gebrauch gemacht werden kann. Der Bevollmächtigte ist somit umgehend handlungsfähig. Zudem unterliegt die Vollmacht nicht den erbrechtlichen Formvorschriften, so dass diese grundsätzlich sogar mündlich erteilt werden könnte.

Beraterhinweis Von einer rein mündlichen Erteilung der Vollmacht sollte aus Gründen nach Beweisbarkeit abgesehen und zumindest die Schriftform gewählt werden.

Nachteilig ist insoweit, dass die Vollmacht durch die Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers umgehend widerrufen werden kann, so dass der Zugriff auf den Nachlass wiederum allein bei den Erben liegen würde. Die Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht ist nicht ohne weiteres möglich und v.a. in aller Regel nicht gewünscht. Optimalerweise wird den Erben per Auflage i.S.d. § 1940 BGB testamentarisch aufgegeben, die erteilte Vollmacht nicht zu widerrufen.

 

Musterformulierung

"Ich beschwere meine Erben mit der Auflage, die Herrn/Frau [...] am [...] erteilte General- und Vorsorgevollmacht nicht zu widerrufen."

Die Vollmacht ist im Außenverhältnis möglichst weit zu fassen, so dass der Bevollmächtigte grundsätzlich gleichermaßen wie der Mandant handeln kann.

 

Musterformulierung

"Mein Bevollmächtigter darf zudem meinen gesamten Datenbestand einschließlich der bei Dritten gespeicherten Daten und sämtlicher meine Vertragsbeziehungen betreffenden informationstechnischen Systeme verwalten. Er darf alle für diese Angelegenheiten erforderlichen Handlungen vornehmen sowie alle damit zusammenhängenden Willenserklärungen abgeben. Er darf auch sämtliche hierzu erforderlichen Zugangsdaten nutzen und diese anfordern. Er darf im Rahmen der Ausübung dieser Vollmacht die für mich bestimmte elektronische Post entgegennehmen, öffnen und lesen."

Die tatsächliche Vertretungsbefugnis und die Anordnungen und Wünsche des Mandanten (Innenverhältnis) sollten in einem separaten Dokument möglichst konkret niedergeschrieben werden.

 

Musterformulierung

"Ich gebe meinem Bevollmächtigten auf, mein Vertragsverhältnis mit dem Internetdienstanbieter [...] nach meinem Tode unverzüglich zu kündigen, ohne zuvor Einsicht zu nehmen."

oder

"Ich weise meinen Bevollmächtigten an, meinen E-Mail-Account mit dem Internetdienstanbieter [...] zu sichten, sämtliche privaten E-Mails unverzüglich zu löschen und den Zugan...

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