Unentgeltliche Zuwendungen und Vorsteuerabzug: In seinem Folgeurteil zum EuGH-Urt. v. 16.9.2020 – C-528/19 – Mitteldeutsche Hartstein-Industrie, UR 2020, 840, hat der BFH (BFH, Urt. v. 16.12.2020 – XI R 26/20 (XI R 28/17), UR 2021, 465) abweichend von der bisherigen Rechtsprechung und der Verwaltungsauffassung entschieden, dass der Vorsteuerabzug aus einem mittelbar unternehmerisch veranlassten Leistungsbezug zulässig ist, der unentgeltlich an einen Dritten weitergeliefert wird, sowie eine daraus resultierende unentgeltliche Wertabgabe nicht besteuert wird, wenn kein unversteuerter Endverbrauch droht.
Die Verwaltung übernimmt unter Anwendung einer engen Auslegung diese Rechtsprechung und ergänzt den UStAE (BMF v. 24.1.2024 – III C 2 - S 7109/19/10004 :001, UR 2024, 149).
Bezieht ein Unternehmer eine Leistung, um diese an einen Dritten unentgeltlich weiter zu leisten und zugleich die eigene unternehmerische Tätigkeit zu ermöglichen, steht ihm der Vorsteuerabzug zu, wenn die bezogene Eingangsleistung nicht über das hinausgeht, was erforderlich bzw. unerlässlich ist, um diesen Zweck zu erfüllen, und die Kosten für die Eingangsleistung Bestandteil des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind und der Vorteil des Dritten allenfalls nebensächlich ist. Nur insoweit reicht eine mittelbare Veranlassung für den Vorsteuerabzug aus.
- Der Bezug einer Leistung ist insbesondere dann erforderlich bzw. unerlässlich, wenn der Unternehmer seine wirtschaftliche Tätigkeit ohne Ausführung dieses Leistungsbezugs nicht ausüben oder fortführen könnte. Ein solcher Leistungsbezug ist nicht schon deswegen erforderlich bzw. unerlässlich, weil dieser sich allein aus der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (wie z.B. einer behördlichen Auflage) begründet.
- Geht der Leistungsbezug über das hinaus, was erforderlich bzw. unerlässlich war, liegt ein Leistungsbezug für das Unternehmen insoweit nicht vor und ein Vorsteuerabzug ist entsprechend ausgeschlossen; es besteht dann auch kein Zuordnungswahlrecht. Eine ggf. erforderliche Aufteilung ist in analoger Anwendung vorzunehmen.
- Der Vorteil des Dritten ist insbesondere dann allenfalls nebensächlich, wenn die Weiterleistung der Leistung nicht den Bedürfnissen dieses Dritten dient oder wenn der Vorteil dieses Dritten gegenüber dem Bedarf des Unternehmers nur nebensächlich ist.
Droht kein unversteuerter Endverbrauch, sind § 3 Abs. 1b und 9a UStG unionsrechtskonform dahingehend einschränkend auszulegen, dass eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nicht erfolgt. Dieser droht nicht, wenn
- die Eingangsleistung vor allem für Bedürfnisse des Unternehmers genutzt wird und nicht darüber hinaus geht, was hierfür erforderlich bzw. unerlässlich ist,
- die Kosten für die Eingangsleistung Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind und
- der Vorteil des Dritten allenfalls nebensächlich ist,
Diese Voraussetzungen bestehen beispielsweise in folgenden Fällen nicht (mit der Folge, dass unter den übrigen Voraussetzungen eine unentgeltliche Wertabgabe vorliegt):
- Bei der unentgeltlichen Abgabe von bürgerlicher Bekleidung an Arbeitnehmer; die unternehmerischen Gründe für die Überlassung wie auch das eigenbetriebliche Interesse des Unternehmers ändern daran nichts, weil der Vorteil des Arbeitnehmers nicht als nebensächlich oder untergeordnet erscheint
- Bei Zuwendungen an Betriebsangehörige im Rahmen einer Betriebsveranstaltung, wenn diese ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen und über Aufmerksamkeiten hinausgehen.
Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der Umsätze i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG; Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels: Die Vorsteueraufteilung muss nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel erfolgen. Kommen neben dem Gesamtumsatzschlüssel (gleichbedeutend mit gesamtumsatzbezogenem oder gesamtunternehmensbezogenem Umsatzschlüssel) andere Aufteilungsschlüssel in Betracht, ist ein anderer Aufteilungsschlüssel anzuwenden, wenn er ein präziseres Ergebnis liefert. Kommen neben dem Gesamtumsatzschlüssel mehrere andere präzisere Aufteilungsschlüssel in Betracht, ist nicht zwingend die präziseste Methode anzuwenden. Die Auswahl der anzuwendenden präziseren Methode obliegt in diesen Fällen dem Unternehmer; das Finanzamt kann sie jedoch daraufhin überprüfen, ob sie sachgerecht ist.
Der EuGH hat mit Urteil vom 16.6.2016 (EuGH v. 16.6.2016 – C-186/15 – Kreissparkasse Wiedenbrück, UR 2016, 553), entschieden, dass Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, die in dieser Bestimmung vorgesehene Rundungsregel anzuwenden, wenn der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach einer der abweichenden Methoden des Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL berechnet wird. Weiterhin sind danach Art. 184 ff. MwStSystRL dahingehend auszulegen, dass die Mitgliedstaaten in dem Fall, dass der Pro-rata-Satz nach einer abweichenden Methode berechnet worden ist, nur dann verpflichtet sind, die Rundungsregel nach Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL im Fall der ...