§ 43 Abs. 5 EStG stellt die zentrale Vorschrift für die grundsätzliche Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer im Privatvermögen dar. Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag soll jedoch nur greifen, als die Erträge der Höhe nach tatsächlich dem Steuerabzug unterlegen haben. Daher wurde durch das JStG 2010 v. 8.12.2010 (BGBl. I 2010, 1768) in § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG das Wort "soweit" eingefügt. Der Gesetzestext lautet auszugsweise wie folgt:
"Für Kapitalerträge im Sinne des § 20, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, ist die Einkommensteuer mit dem Steuerabzug abgegolten; ..."
Der Gesetzgeber hatte mit der Ergänzung des Gesetzestextes die Intention, Missbräuche zu vermeiden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/2249, 58) wird exemplarisch auf die missbräuchliche Ausnutzung der Regelungen zur Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage gem. § 43a Abs. 2 Satz 7 ff. EStG hingewiesen. Hinweise aus der Gesetzesbegründung: Ist der nach den materiell-rechtlichen Regelungen des § 20 EStG zu ermittelnde Gewinn tatsächlich höher als die i.R.d. Kapitalertragsteuerabzugs berücksichtigte Bemessungsgrundlage, besteht für den darüber hinausgehenden Betrag eine Veranlagungspflicht nach § 32d Abs. 3 EStG. Würde die Abgeltungswirkung auch bei einem Ansatz einer zu niedrigen Bemessungsgrundlage – ohne Veranlagungspflicht nach § 32d Abs. 3 EStG – vollumfänglich eintreten, bestünde die Gefahr von Gestaltungsmodellen, in denen durch gegenläufige Wertpapier-, Termin- oder Optionsgeschäfte gezielt steuerliche Verluste generiert werden, während das wirtschaftliche Ergebnis 0 EUR beträgt oder lediglich eine marktgerechte Verzinsung gewährt wird. Die Modelle könnten in der Art ausgestaltet werden, dass auf der einen Seite ein Gewinn erzielt wird, der nach einem Depotwechsel aus dem Ausland mangels Nachweises der Anschaffungskosten nur mit der Ersatzbemessungsgrundlage nach § 43a Abs. 2 Satz 7 EStG dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegt, während auf der anderen Seite das gegenläufige Geschäft zwangsläufig zu einem Verlust führt, der in voller Höhe in den Verlustverrechnungstopf eingestellt werden kann. Auf diese Weise wäre es möglich, Verluste in beliebiger Höhe zu generieren und damit eine Steuerfreistellung sämtlicher Kapitalerträge zu erreichen.
Explizit zur Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage und der korrespondierenden Veranlagungspflicht nach § 32d Abs. 3 EStG enthält das BMF v. 18.1.2016, BStBl. I 2016, 85 Rz. 183) entspr. Ausführungen.
Beraterhinweis Die Ausführungen zum Verständnis der (teilweisen) Abgeltungswirkung wurden exemplarisch zur Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage dargestellt. Das heißt, die teilweise fehlende Abgeltungswirkung, der grundsätzlich eine korrespondierende Veranlagungspflicht nach § 32d Abs. 3 EStG gegenübersteht, gilt für sämtliche Arten von Kapitalerträgen i.S.d. § 20 EStG. Die Änderung greift für nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge, d.h. (auch) bereits ab Beginn des durch das UntStRefG 2008 (BGBl. I 2007, 1912) seit 2009 eingeführten schedularen Besteuerungssystems für private Kapitaleinkünfte. Die Ergänzung des Gesetzestextes hatte klarstellenden Charakter (vgl. BT-Drucks. 17/2249, 58).