1. Die Bedeutung des Verwaltungsvermögens
Die Regelungstechnik des § 13b ErbStG sieht vor, dass aus dem begünstigungsfähigen Vermögen (§ 13b Abs. 1 ErbStG) das begünstigte Vermögen (§ 13b Abs. 2 bis 9 ErbStG), sog. Verwaltungsvermögenstest (R E 13b.9 Abs. 2 ErbStR 2019; Korezkij in BeckOK/ErbStG, 12. Ed. 1.7.2021, § 13b Rz. 61 ff.), zu ermitteln ist. § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG lautet: "Das begünstigungsfähige Vermögen ist begünstigt, soweit sein gemeiner Wert den um das unschädliche Verwaltungsvermögen im Sinne des Absatzes 7 gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens im Sinne des Absatzes 6 übersteigt (begünstigtes Vermögen)." Im Ergebnis ermittelt sich der begünstigte Teil des begünstigungsfähigen Vermögens in der Weise, dass vom begünstigungsfähigen Vermögen der Nettowert des Verwaltungsvermögens abgezogen wird, mit Ausnahme des sog. unschädlichen Verwaltungsvermögens (Kulanzpuffer von bis zu 10 % des begünstigten Vermögens). Der gemeine Wert des Verwaltungsvermögens bleibt damit grundsätzlich unverschont und steuerpflichtig (Hannes, ZEV 2016, 554 [556]).
Fundamentales Kriterium und damit maßgeblich entscheidungsrelevant für die Übertragung von Unternehmensvermögen i.S.d. §§ 13a, 13b ff. ErbStG ist somit die Quote des Verwaltungsvermögens. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Erlangung der Steuerbefreiungen an sich als auch im Hinblick auf den Umfang des letztlich begünstigten Vermögens. Dazu i.E.:
- Das begünstigungsfähige Vermögen ist gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG vollständig nicht begünstigt, sofern das nach bestimmten Regeln zu ermittelnde Verwaltungsvermögen mind. 90 % des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens beträgt, sog. "Alles-oder-Nichts-Prinzip" (zur Verfassungsmäßigkeit vgl. FG Münster v. 3.6.2019 – 3 V 3697/18 Erb, rkr., ErbStB 2019, 315 [Uhl-Ludäscher] = DStRE 2019, 1396). Im Gegenzug ermöglicht das Bestehen des "90%-Tests" den Einstieg in den sog. Verwaltungsvermögenstest (R E 13b.9 Abs. 2 ErbStR 2019; Korezkij in BeckOK/ErbStG, 12. Ed. 1.7.2021, § 13b Rz. 61 ff.) und damit die Inanspruchnahme der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen der §§ 13a, 13b ErbStG (Regel- oder Optionsverschonung), des § 13c ErbStG (Abschmelzungsmodell) oder des § 28a ErbStG (Verschonungsbedarfsprüfung).
- Für die Inanspruchnahme der Optionsverschonung (Verschonungsabschlag i.H.v. 100 % beim Erwerb begünstigten Vermögens von bis zu 26.000.000 EUR) ist gem. § 13a Abs. 10 Satz 2 ErbStG erforderlich, dass das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG besteht.
2. Die Zurechnung des Verwaltungsvermögens
Im alten Recht, d.h. bis zum Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform 2016, wurde der Verwaltungsvermögenstest bei Personengesellschaften auf Ebene des Mitunternehmeranteils durchgeführt; dabei wurde das mitübertragene Verwaltungsvermögen im Sonderbetriebsvermögen vollständig und das Verwaltungsvermögen des Gesamthandsvermögens entspr. dem Gewinnverteilungsschlüssel berücksichtigt (R E 13b.19 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2011).
Bereits durch die koordinierten Ländererlasse betr. der Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes v. 22.6.2017 (AEErbSt 2017, BStBl. I 2017, 902) hat die Finanzverwaltung ihre Auffassung diesbezüglich geändert. Demnach ist das Verwaltungsvermögen aus dem Gesamthandsvermögen dem Gesellschafter nach dem Wert der Beteiligung des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen zum gemeinen Wert des Gesamthandsvermögens (§ 97 Abs. 1a Nr. 1 BewG) der Gesellschaft zuzurechnen (A 13b.12 Abs. 4 Satz 2 AAErbSt 2017). Im Rahmen der Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 hat sich hieran nichts geändert (R E 13b.12 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2019). Jüngst hat die Finanzverwaltung zur Aufteilung des Verwaltungsvermögens, des jungen Verwaltungsvermögens, der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel und der Schulden aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft auf die Gesellschafter zu einem Teilaspekt detaillierter Stellung bezogen (gleich lautende Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder v. 11.2.2021, ErbStB 2021, 185 [Günther] = DStR 2021, 921).
Der Anteil eines Gesellschafters einer Personengesellschaft am Verwaltungsvermögen des Gesamthandsvermögens ermittelt sich demnach auch weiterhin grundsätzlich (für etwaige Ausnahmen hiervon vgl. die gleich lautenden Ländererlasse v. 11.2.2021, ErbStB 2021, 185 [Günther] = DStR 2021, 921) unter Heranziehung der Grundsätze zur Aufteilung des gemeinen Werts des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft auf die Gesellschafter nach § 97 Abs. 1a BewG (vgl. die Ausführungen in Abschn. II. 2. b)). Mit anderen Worten: Die Zuweisung eines erhöhten Anteils am gemeinen Wert des Gesamthandsvermögens zu einem Gesellschafter nach § 97 Abs. 1a BewG (z.B. bedingt durch ein höheres Kapitalkonto) bedeutet gleichzeitig auch eine erhöhte Zurechnung von steuerschädlichem Verwaltungsvermögen zu diesem Gesellschafter.
Die damit verbundenen erbschaft- und schenkungsteuerlichen Auswirkungen können durchaus unterschiedlich sein, wie die im nächsten Abschnitt folgende Forts...