Auch der Bezug in § 38 Abs. 3 GmbHG auf Elternzeit, Pflege von Familienangehörigen und Krankheit beinhaltet keinen direkten Verweis auf die jeweils nur für Arbeitnehmer anwendbaren Gesetze
Dies ist aufgrund des Umstandes, dass diesen Normen der nationale Arbeitnehmerbegriffs zugrunde liegt, auch konsequent.
Leitbild der sozialrechtlichen Vorschriften: Wie weit reicht es für GF? Die sozialrechtlichen Vorschriften sollen nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich als sog. Leitbild für das Recht auf zeitweisen Widerruf dienen. Wenn der Gesetzgeber den Verweis auf Elternzeit, Pflege und Krankheit als ledigliches Leitbild verstanden haben möchte, stellen sich entsprechend Fragen zur Reichweite dieses Leitbildes:
So normiert § 15 BEEG in den Abs. 1 und 2 die Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit ein Anspruch auf Elternzeit besteht – darunter auch die Elternzeit für die Betreuung eines Enkelkindes. Auch sieht Abs. 2 vor, dass ein Anteil von bis zu 24 Monaten in der Zeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr liegen kann. Wenn der Gesetzgeber lediglich von einem Leitbild spricht, stellt sich die Frage, ob auch die Auszeit bei der Betreuung von Enkelkindern gem. § 15 Abs. 1a BEEG sowie die Elternzeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres von diesem (gesetzlichen) Leitbild gedeckt ist oder ob es eher auf ein gesellschaftliches Leitbild der Betreuung eigener Kinder bis zum 3. Lebensjahr ankommt.
Beraterhinweis Es ist aufgrund des Ziels des Gesetzgebers, dem GF – angepasst an besondere, herausfordernde Lebenssituationen – eine Auszeit zu ermöglichen, jedoch davon auszugehen, dass hier auch in § 38 Abs. 3 GmbHG der gesetzliche Rahmen des § 15 BEEG hineinzulesen ist.
In Bezug auf die Pflege von Familienangehörigen ist zunächst einmal eindeutig, dass hiervon die "nahen Familienangehörigen" gem. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 PflegeZG umfasst sind. Nahe Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind gem. § 7 Abs. 3 PflegeZG Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder. Diese müssen pflegebedürftig sein; der Nachweis der Pflegebedürftigkeit erfolgt über die Pflegekassen bzw. bei Privatversicherten über entsprechende Nachweise (§ 3 Abs. 2 PflegeZG).
Wenn § 38 Abs. 3 GmbHG – entgegen § 3 Abs. 1 PflegeZG – das Merkmal der "nahen" Angehörigen nicht benennt, stellt sich auch hier die Frage, ob dieses einschränkende Tatbestandsmerkmal in § 38 Abs. 3 GmbHG Anwendung findet.
Beraterhinweis Aufgrund des weiten Umfangs der Definition der nahen Angehörigen in § 7 PflegeZG ist davon auszugehen, dass ein Näheverhältnis auch i.R.d. § 38 Abs. 3 GmbHG erforderlich ist, um dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Leitbildgedanken gerecht zu werden und eine ausufernde Auszeitoption zu verhindern.
Ebenfalls fraglich ist, ob der Anspruch auf Auszeit gemäß den Regelungen des § 3 Abs. 1 S. 2 PflegeZG nur in Gesellschaften mit in der Regel mehr als 15 Beschäftigten besteht. Auch hier folgt aus der ungenauen Referenzierung auf den Leitgedanken des PflegeZG eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit.
Beraterhinweis Da die Regelung des § 3 Abs. 1 S. 2 PflegeZG das Ergebnis eines Überforderungsschutzes der Gesellschaft ist, spricht einiges dafür, diese Beschränkung i.R.d. § 38 Abs. 3 GmbHG nicht anzuwenden. Allerdings dürfte diese Grenze i.R.d. § 38 Abs. 3 GmbHG selten Relevanz erlangen, da Gesellschaften von 15 oder weniger Beschäftigten regelmäßig nicht über mehr als einen GF verfügen, so dass der Anwendungsbereich des § 38 Abs. 3 GmbHG nicht eröffnet ist.
Auch der Begriff der Krankheit wurde in § 38 Abs. 3 GmbHG nicht näher definiert. Hier ist auf das gesetzliche Leitbild des Entgeltfortzahlungsgesetzes abzustellen, dass eine Auszeit generell nur in Betracht kommt, wenn der GF an der Ausübung seiner organschaftlichen Pflichten gehindert ist. Der GF kann damit eine Auszeit in den Fällen verlangen, in denen – vergleichbar bei Arbeitnehmern – eine Arbeitsunfähigkeit gem. § 3EFZG vorliegt.
Beraterhinweis Es liegt in Problemfällen nahe, in dieser Fallgruppe abzustellen
- auf die Rechtsprechung der ArbG zu den Anforderungen an eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie
- deren Beweiswert und die Erschütterung dieses Beweiswertes.
Anders als bei Arbeitnehmern kann die Gesellschaft jedoch auf die Angabe der Krankheitsgründe bestehen, um i.R.d. Ausübung des Ermessens eine adäquate Einzelfallentscheidung treffen zu können.