Die unterschiedliche Behandlung des gleichen Sachverhalts aus ertragsteuerrechtlicher sowie umsatzsteuerrechtlicher Sicht kann natürlich zu Problemen und administrativem Mehraufwand führen. Daher erscheint die Erwägung, die umsatzsteuerrechtliche Argumentation auf die ertragsteuerliche Zuordnung zu übertragen verlockend. Da es sich bei den Leasingerlassen um norminterpretierende Verwaltungsanweisungen[22] handelt, kann man mit tragfähiger Argumentation von den Erlassen abweichen.[23] Gegenüber der Finanzverwaltung dürfte dies allerdings regelmäßig einen erhöhten Begründungsaufwand erfordern.

Entspricht die gewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes der Grundmietzeit, wäre nach den Leasing-Erlassen von einer Zurechnung zum Leasingnehmer auszugehen. Nun kann es aber durchaus vorkommen, dass die tatsächliche Nutzungsdauer des Gegenstandes deutlich länger ist als die gewöhnliche Nutzungsdauer. Gerade bei Gegenständen, die eine Montage oder einen Umbau erfordern und somit aufwendig auszutauschen sind oder Gegenständen, bei denen die AfA-Tabellen von der tatsächlichen Nutzungsdauer deutlich abweichen, ist dies der Fall.

Auch eine günstige Kaufoption ist keine Garantie für die Wirtschaftlichkeit der Ausübung selbiger. Für die Zuordnung zum Leasingnehmer wird vorausgesetzt, dass der vorgesehene Kaufpreis niedriger ist als der unter Anwendung der linearen AfA nach der amtlichen AfA-Tabelle ermittelte Buchwert oder der niedrigere gemeine Wert im Zeitpunkt der Veräußerung. Oft sind diese Optionen aber trügerisch, da die Kunden gerade bei großen oder eingebauten Anlagen die Kosten für die Entsorgung oder den Ausbau selbiger tragen müssen, sobald sie diese nicht mehr nutzen oder austauschen möchten. Das sind Kosten, die sonst der Leasinggeber zu tragen hätte und die bei der Einordnung der Kaufoption mitbetrachtet werden sollten. Diese zusätzlichen Kosten bei Optionsausübung werden von den Leasingerlassen allerdings nicht berücksichtigt.

Entspricht die Grundmietzeit der gewöhnlichen Nutzungsdauer oder ist die Grundmietzeit mindestens 40 v. H. und höchstens 90 v. H. der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer und der für den Fall der Ausübung des Optionsrechts vorgesehene Kaufpreis ist niedriger als der unter Anwendung der linearen AfA nach der amtlichen AfA-Tabelle ermittelte Buchwert oder der niedrigere gemeine Wert im Zeitpunkt der Veräußerung wird der Leasinggegenstand also dem Leasingnehmer zugerechnet. Dabei werden Folgekosten der Optionsausübung, die Wahrscheinlichkeit der Optionsausübung, die tatsächliche Nutzungsdauer oder wer die Gefahr für den zufälligen Untergang des Leasinggegenstandes trägt nicht in die Betrachtung mit einbezogen.

Bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung der Leasingsachverhalte wird dagegen – wie dargestellt – die Wirtschaftlichkeit der Optionsausübung, sowie die Wahrscheinlichkeit der Ausübung der Option in die Abwägung mit einbezogen. Damit bildet der umsatzsteuerrechtliche Maßstab die Realität wohl besser ab. Es erscheint daher durchaus gerechtfertigt im Einzelfall von der typisierenden Betrachtung der Leasingerlasse auch im Ertragsteuerrecht abzuweichen.

[23] Geiermann in ABC der Bilanzierung 2021/2022, 18. Aufl. 2021/2022, Stichwort Leasing, Rz. 1009 unter Verweis auf FG Niedersachsen v. 19.6.2002 – 2 K 457/99, DStRE 2003, 458; BFH v. 26.4.1995 – XI R 81/93, DStR 1996, 1243.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge