Auslegung und praktische Relevanz
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. (FH) Sergej Müller, M.A. Taxation, StB, FBf Internationales Steuerrecht
Die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG ist im Zuge des ATADUmsG reformiert worden; dabei wurden auch die Ersatzwegzugstatbestände konsolidiert. Der nachfolgende Artikel befasst sich mit den Ersatzwegzugstatbeständen sowie der aktuellen Rechtsprechung und zeigt mögliche Konsequenzen und Maßnahmen für die steuerliche Beratungspraxis auf.
I. Überblick
Oftmals nicht steuerlich motivierter Wegzug...: Ein Wegzug ist in den seltensten Fällen steuerlich getrieben – oftmals spielen persönliche oder aber auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle: sei es
- der Auslandsaufenthalt und anschließende Verbleib in einer ausländischen Zieldestination,
- das Verbringen des Lebensabends im Ausland oder aber
- der Wegzug der großen Liebe wegen.
In aller Regel erfolgt der Wegzug also nicht rein steuerlich motiviert, wird jedoch steuerlich blockiert.
... wird jedoch steuerlich blockiert: Neben den Tatbestand des eigentlichen, proaktiven Wegzugs treten weitere Ersatztatbestände, die mitunter zu zufälligen Wegzugssituationen führen können, die sodann in der Regel von einer signifikanten Steuerbelastung flankiert werden.
Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Frage der Ersatzwegzugstatbestände und bezieht dabei auch die aktuelle BFH-Rechtsprechung mit ein.
1. Grundtatbestand
Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AStG wird bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die Anteile i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG – also Anteile an einer Kapitalgesellschaft – halten, bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht aufgrund einer Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts eine Veräußerung dieser Anteile zum gemeinen Wert fingiert.
Als mögliche Ersatztatbestände kommen dabei in Frage
2. Rechtsfolge: Fiktion einer Anteilsveräußerung
Die Folge der Wegzugsbesteuerung ist eine fiktive Veräußerung der Anteile i.S.d. § 17 EStG zum gemeinen Wert. Die Besteuerung erfolgt im Zeitpunkt der Aufgabe des inländischen Wohnsitzes respektive gewöhnlichen Aufenthalts, im Zeitpunkt der Übertragung, bzw. im Zeitpunkt des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts.
Gewinnermittlung: Der fiktive Veräußerungsgewinn ermittelt sich nach den Grundsätzen des § 17 Abs. 2 S. 1 EStG und ergibt sich im Wesentlichen durch Abzug der Anschaffungskosten der Beteiligung von deren gemeinen Wert unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 lit. c und § 3c Abs. 2 S. 1 EStG.
Beraterhinweis Soweit zur Begleichung der daraus resultierenden Steuerlast – ohne Zufluss eines tatsächlichen Veräußerungserlöses – eine Ausschüttung zur Erreichung der erforderlichen Liquidität erfolgt, so kann sich aus einem unbedachten Wegzug insgesamt eine Steuerbelastung i.H.v. ca. 40 % einstellen.
3. Stundung und Rückkehrregelung
a) Stundung
Die so festgesetzte Steuer kann auf Antrag des Steuerpflichtigen seit dem 1.1.2022 in 7 gleichen Jahresraten – in der Regel gegen Entrichtung einer Sicherheitsleistung – beglichen werden (§ 6 Abs. 4 S. 1 f. AStG).
Widerruf der Ratenzahlung: Die Ratenzahlung wird widerrufen, wenn die Rate nicht fristgemäß entrichtet wird, die entsprechenden Anteile veräußert oder übertragen werden oder soweit eine Gewinnausschüttung oder eine Einlagenrückgewähr erfolgt, deren gemeiner Wert insgesamt größer als ein Viertel des gemeinen Wertes der Anteile im Zeitpunkt der Veräußerungsfiktion ist (§ 6 Abs. 4 S. 5 AStG).
Beachten Sie: Die Stundungsregelung war bis 2021 in EU- und EWR-Fällen zeitlich unbegrenzt möglich, so dass durch die Neuregelung des ATAD-Umsetzungsgesetzes eine deutliche Verschärfung eintritt.