Die Pflichtverletzung muss vom Verschulden des Haftungsschuldners umfasst sein, wobei zwei Verschuldensformen möglich sind:

Der Steuerschaden für den Fiskus muss hingegen nicht vom Verschulden umfasst sein (Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 111). Somit kann sich der Haftungsschuldner nicht damit exkulpieren, dass er sich der konkreten steuerlichen Folgen seiner Pflichtverletzung nicht bewusst war.

Weil somit für den Ausfall gehaftet wird, der dem Fiskus aufgrund der schuldhaften Pflichtverletzung entstanden ist, hat § 69 AO Schadensersatzcharakter, auch wenn es sich um keine Schadensersatznorm im eigentlichen Sinne handelt (BFH v. 28.1.2021 – IX ZR 64/20, GmbH-StB 2022, 15).

Bei der groben Fahrlässigkeit ist prima facie grundsätzlich ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen, so dass es auf die persönlichen Fähigkeiten des Haftungsschuldners ankommt, die Pflichtverletzung zu vermeiden. Insofern handelt "grob fahrlässig (...), wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt (...). Dazu gehört, dass er unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, oder die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht anstellt" (FG Düsseldorf v. 7.3.2023 – 7 K 883/20 H, BeckRS 2023, 4432).

Dass Personen nicht der Haftung entgehen, weil sie steuerlich bzw. geschäftlich nicht versiert sind, wurde bereits eingangs erwähnt. Insoweit formuliert der BFH: "Auf das eigene Unvermögen, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen, kann sich (...) niemand berufen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme des Geschäftsführeramtes absehen bzw. dieses Amt niederlegen" (BFH v. 15.11.2022 – VII R 23/19, BB 2023, 661).

Zudem ist das Verschulden i.S.v. § 69 AO – in Form von grober Fahrlässigkeit – indiziert durch die objektive Pflichtverletzung (BFH v. 15.11.2022 – VII R 23/19, BB 2023, 661; FG Düsseldorf v. 7.3.2023 – 7 K 883/20 H, BeckRS 2023, 4432).

Insoweit relativiert sich wiederum der subjektive Sorgfaltsmaßstab, vielmehr wird von einem idealen Geschäftsführer ausgegangen, so dass in der Praxis es sehr schwer ist, sich zu exkulpieren. Somit verwundert es nicht, wenn die Rspr. von grober Fahrlässigkeit im Ergebnis bei Anlegung eines letztlich objektiven Sorgfaltsmaßstabs ausgeht, "wenn der Handelnde gesetzliche Vorschriften nicht beachtet, deren Beachtung von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebes verlangt werden muss" (FG Münster v. 15.10.2021 – 9 V 2341/21 K, EFG 2022, 15).

Beraterhinweis Da die Rspr. auf das Übernahmeverschulden abhebt, wenn eine Person nicht in geschäftlichen bzw. steuerlichen Dingen hinreichend versiert bei Antritt der Position eines Geschäftsführers ist, herrscht im Ergebnis ein an einen idealen Geschäftsführer ausgerichteter Sorgfaltsmaßstab bei der Verschuldensfrage vor.

Bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten darf sich der Geschäftsführer Hilfspersonen bedienen. Diese muss er aber sorgfältig auswählen und überwachen. Insofern hat er sich ständig so intensiv über den Geschäftsgang zu unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten rechnen kann bzw. ihm ein Fehlverhalten des von ihm hiermit Beauftragten rechtzeitig offenbar wird (BFH v. 15.11.2022 – VII R 23/19, BB 2023, 661). Konnte er sich bei der Auswahl dieser Personen kein hinreichendes Bild machen, ob diese die steuerlichen Pflichten gewissenhaft erfüllen werden, trifft ihn eine gesteigerte Überwachungspflicht (BFH v. 15.11.2022 – VII R 23/19, BB 2023, 661; BFH v. 5.3.1998 – VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325). Die Überwachungspflicht soll auch nicht entfallen, wenn der Geschäftsführer selbst erkrankt (FG Münster v. 17.2.2021 – 7 K 63/19 L, StB 2021, 115).

Das Ausgeführte gilt auch, wenn ein Steuerberater beauftragt wird. Zudem kann eine Auskunft des Steuerberaters den Geschäftsführer nur entlasten, wenn dieser vollständige Kenntnis vom steuerrelevanten Sachverhalt hatte (BFH v. 14.12.2021 – VII R 32/20, BStBl. II 2022, 537 = AO-StB 2022, 174 (Marfels)).

Beraterhinweis Bei der Einschaltung von Dritten zur Erledigung der steuerlichen Pflichten treffen den Geschäftsführer umfangreiche Auswahl- und Überwachungspflichten, so dass er wiederum schnell dem Vorwurf der eigenen schuldhaften Pflichtverletzung ausgesetzt ist.

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