Fraglich ist, ob die Rückkehrabsicht bereits im Zeitpunkt des Wegzugs bestanden haben muss. Dabei lässt sich die bestehende Rückkehrabsicht in
- eine subjektive Theorie und
- eine objektive Theorie
unterteilen.
a) Finanzverwaltung = "subjektive Theorie"
Nach Ansicht der Finanzverwaltung gilt die subjektive Theorie, wonach
- bereits im Zeitpunkt des Wegzugs
- eine Rückkehrabsicht bestanden haben muss,
was nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu beurteilen sein wird. Dieser Auffassung hatte sich in 2019 auch das FG Münster angeschlossen. Die subjektive Theorie wird in dem zugrunde liegenden Urteil mit dem ersten Satzteil des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG a.F. begründet, den es andernfalls nicht gebraucht hätte. Außerdem wäre ansonsten die "fortbestehende" Rückkehrabsicht in § 6 Abs. 3 S. 2 AStG a.F. prima facie obsolet.
b) "(Eingeschränkt) objektive Theorie"
Auf der anderen Seite steht die objektive Theorie, die keine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs verlangt. Die darauf aufbauende eingeschränkt objektive Theorie verfolgt den Gedanken, dass eine tatsächlich fristgerechte Rückkehr für die Tatbestandsverwirklichung des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG – und damit die Inanspruchnahme der Rückkehrregelung – ausreicht. Die fortbestehende Rückkehrabsicht wird in der eingeschränkt objektiven Theorie ausschließlich im Kontext der Verlängerung des Rückkehrzeitraumes für erforderlich gehalten – damit treten im Umkehrschluss subjektive Elemente und damit die bestehende Rückkehrabsicht erst bei Verlängerung der Rückkehrfrist nach sieben Jahren in den Vordergrund.
Durch das ATADUmsG ist insoweit eine Liberalisierung des Rückkehrtatbestandes eingetreten, als dass es auf eine Glaubhaftmachung der Rückkehr nicht mehr ankommen soll. Beachten Sie: Dennoch müsse nach Auffassung des Gesetzgebers
- eine hinreichend wahrscheinliche Rückkehrabsicht
- im Zeitpunkt des Wegzuges bestehen.
In dem ursprünglichen Gesetzentwurf des ATADUmsG war in § 6 Abs. 3 S. 6 AStG vorgesehen, dass zur Vermeidung von Härten die Wegzugsbesteuerung entfällt, wenn zwar keine Rückkehrabsicht bestand, jedoch eine tatsächliche Rückkehr innerhalb von drei Jahren erfolgt. Die unter dem Stichwort "verunglückter Wegzug" aufgenommene gesetzliche Regelung hat jedoch letztlich keinen Eingang in das Gesetz gefunden.
Beraterhinweis Damit besteht (weiterhin) keine Regelung, die die eingeschränkt objektive Theorie gesetzlich fixiert.
c) BFH v. 21.12.2022 – I R 55/19
Nunmehr hat der BFH mit Urteil vom 21.12.2022 zur Frage der Rückkehrabsicht entschieden, sich in diesem Zusammenhang
- von der Argumentation des FG Münster distanziert und
- mithin gegen die subjektive Theorie geurteilt.
Systematische Gründe: In erster Linie begründet die Revisionsinstanz ihre Entscheidung mit systematischen Gründen. So führt der BFH zunächst an, dass nach § 6 Abs. 3 S. 3 AStG a.F. der Rechtsnachfolger bei Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht innerhalb von fünf Jahren nach Erwerb der Anteile ebenfalls von der Rückkehrregelung Gebrauch machen kann. Im Ergebnis rechtfertige der Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht – und die damit im Zusammenhang stehende Verstrickung der stillen Reserven – den Entfall der Besteuerung nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 AStG a.F. – schließlich konnte der Steuerausländer als Rechtsnachfolger im Zeitpunkt der Wegzugsbesteuerung faktisch keine Rückkehrabsicht haben, geschweige diese dokumentieren.
BFH = Rückkehrabsicht nicht Gegenstand des Tatbestandes: Somit kann nach Ansicht des BFH auch im Kontext des primären Wegzugstatbestandes – sprich der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht – aus systematischen Gründen heraus die Rückkehrabsicht nicht Gegenstand des Tatbestandes sein.
Für dieses Ergebnis sprechende Aspekte: Dieses Ergebnis sei nach Ansicht des Revisionsinstanz auch
- aus Aspekten der Verhältnismäßigkeit
- unter Berücksichtigung der Normzweckerfüllung zutreffend.
- Dieses Verständnis sei auch mit der Intention des Gesetzgebers kongruent, die Besteuerung der stillen Reserven sicherzustellen und soll bei tatsächlicher Rückkehr keine Sanktionierung verunglückter Wegzüge legitimiere...