Ist § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG im konkreten Fall nicht anwendbar, dann stellt sich weiterhin die Frage nach einem Eingreifen von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Danach gilt jede freigebige Zuwendung unter Lebenden als Schenkung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert werde. Der BFH hat zwar entschieden, dass eine disquotale Einlage in eine Kapitalgesellschaft keine steuerpflichtige Zuwendung an die andere Gesellschafter i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt. Etwas anderes gilt jedoch für den Fall einer disquotalen Einlage in eine Personengesellschaft (Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass v. 20.4.2018 – S 3806 Rz. 5.3, BStBl. I 2018, 632, dazu Kowanda, ErbStB 2018, 280). Für die besondere Rechtsform der KGaA kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Geht man mit dem FG Hamburg davon aus, dass eine KGaA keine Kapitalgesellschaft i.S.v. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG darstellt, dann muss eine Schenkungsteuerpflicht aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG abgeleitet werden können, da eine disquotale Einlage in eine Personengesellschaft grundsätzlich nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG schenkungsteuerpflichtig ist (Wachter, DB 2019, 1167 [1174]).
Das FG Hamburg verweist allerdings insoweit auf die eine Anwendung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf Kapitalgesellschaften ablehnende Rspr. des BFH. Es fehle im Hinblick auf die Eigenständigkeit der KGaA an einer Vermögensverschiebung zwischen dem Kläger und seinem Vater (FG Hamburg v. 11.7.2023 – 3 K 188/21 Rz. 106, ErbStB 2023, 316 [Knittel] = DStR 2023, 1996; unter Verweis auf BFH v. 9.12.2009 – II R 28/08, BStBl. II 2020, 566 m.w.N. = ErbStB 2010, 195 [Hartmann]). Aus dem Hybridcharakter der KGaA ergebe sich nichts anderes, da das Vermögen der KGaA auch hinsichtlich des Komplementärs keiner gesamthänderischen Bindung unterliege. Die Einlagen der Gesellschafter der KGaA würden Vermögen der KGaA selbst. Die Komplementäre seien nicht dinglich am Vermögen der Gesellschaft beteiligt, sondern hätten nur einen bedingten Auseinandersetzungsanspruch. Die KGaA als Kapitalgesellschaft und juristische Person sei gegen steuerliche Durchgriffe auf Tatbestände in der Person ihrer Gesellschafter abgeschirmt (Rz. 107 f. der Gründe; unter Verweis auf BFH v. 27.4.2005 – II B 76/04, BFH/NV 2005, 1627). Nichts anderes ergebe sich aus dem Umstand, dass die Komplementäre ertragsteuerrechtlich wie Mitunternehmer zu behandeln sein, da sie am Gesellschaftsvermögen gerade nicht dinglich beteiligt seien (Rz. 109 der Gründe; unter Verweis auf BFH v. 27.4.2005 – II B 76/04, BFH/NV 2005, 1627).
Nichts anderes gelte auch für die in der Satzung der KGaA zu Ansprüchen des Klägers für den Fall seines Ausscheidens bzw. der Liquidation der Gesellschaft enthaltenen Regelungen. Zwar habe sich die Vermögenssituation des Klägers durch die disquotale Einlage seines Vaters erheblich verbessert. Aufgrund der statuarischen Regelungen werde er im Fall seines Ausscheidens oder der Liquidation an der Einlage partizipieren, sofern sie dann noch wertmäßig in der Gesellschaft vorhanden. Allerdings handele es sich dabei um eine reine Wertverschiebung, ohne das es zu einer auf die Vermögenssubstanz bezogenen Vermögensmehrung bei dem Kläger gekommen wäre (Rz. 110 der Gründe). Die Wertsteigerung der Beteiligung des Klägers sei eine bloße reflexhafte Folge der Mehrung des Betriebsvermögens der als juristische Person eigenständigen KGaA und damit schenkungsteuerlich unbeachtlich (Rz. 111 der Gründe; unter Verweis auf BFH v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258 = ErbStB 2008, 99 [Hartmann]). Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass Zuwendungen im Gesellschaftsrecht, die dem Gesellschaftszweck dienten, als gesellschaftsrechtlicher Vorgang und nicht als freigebige Zuwendung der Gesellschaft zu behandeln seien (Rz. 112 der Gründe).
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der BFH zwar eine Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf Kapitalgesellschaften abgelehnt hat. Die Ablehnung der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfolgte allerdings unter der Prämisse, dass der betroffene Gesellschafter tatsächlich einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft hält. Geht man mit dem FG Hamburg davon aus, dass das Halten einer Beteiligung an einer KGaA oder zumindest das Halten einer Beteiligung an einer KGaA als persönlich haftender Gesellschafter nicht als Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG einzustufen ist, dann stellt sich in der Tat die Frage, ob in einem solchen Fall nicht eine Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht kommt. Tatsächlich steht § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG in Relation zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG im Verhältnis der Spezialität (Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 97. EL 8/23, § 7 Rz. 233). Greift § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht ein, dann stellt sich aus dieser Perspektive in der Tat die Frage nach der Anwendbarkeit von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG .