Aktuelle Einschätzung durch das FG Münster
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. (FH) Sergej Müller, M.A. Taxation, StB/FBIStR / Dipl.-Finw. (FH) Tim Bauerfeld, StB
Die Frage der passiven Entstrickung im Kontext des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG ist umstritten. Erstmals hatte das FG Münster nunmehr Gelegenheit, zu dieser Rechtsfrage infolge einer Änderung des DBA Spanien zu entscheiden. Das Finanzgericht kommt zu dem Ergebnis, dass eine passive Entstrickung nicht vom Tatbestand des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG gedeckt ist und begründet die Entscheidung mit nachvollziehbaren Argumenten. Dies gibt dem Rechtsanwender für die Vergangenheit ein notwendiges Maß an Sicherheit. Der weitere Verfahrensgang bleibt abzuwarten.
I. Einleitung
Das deutsche Steuerrecht kennt eine Vielzahl von Vorschriften, die zu einer Besteuerung von Dry Income führen – also eine Steuerbelastung herbeiführen, ohne dass dem Steuerpflichtigen tatsächlich Liquidität zugeflossen ist. In einem grenzüberschreitenden Kontext kennt der Steuergesetzgeber etwa
- den Tatbestand der Wegzugsbesteuerung in § 6 AStG,
- die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 3 f. EStG für die Entstrickung einzelner Wirtschaftsgüter oder aber auch
- von Sachgesamtheiten i.S.d. § 16 Abs. 3a EStG.
Vor dem Hintergrund der vorgenannten Vorschriften steht zur Diskussion, ob eine passive Entstrickung ebenfalls Gegenstand des Tatbestandes sein kann. Beflügelt wird diese Diskussion durch die Auffassung der Finanzverwaltung, die eine Entstrickung unabhängig von einer Handlung des Steuerpflichtigen annehmen will. Dieser Diskurs hat in der jüngeren Vergangenheit auch die Finanzgerichte beschäftigt, so dass hierzu
geurteilt wurde.
Der nachfolgende Beitrag soll sich mit der Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG befassen und in diesem Zusammenhang die aktuelle Rechtsprechung des FG Münster vorstellen. Anschließend sollen
- eine erste Einschätzung des ergangenen Urteils vorgenommen und
- mögliche Handlungsalternativen für den Steuerbürger aufgezeigt werden.
II. Entstrickung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG
Der Steuergesetzgeber definiert in § 4 Abs. 1 S. 2 EStG den Begriff der Entnahmen. Entnahmen sind danach alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb inter alia für betriebsfremde Zwecke entnommen hat. Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht gem. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich. Beachten Sie: In diesem Kontext sei auch auf das Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 S. 4 EStG verwiesen.
1. Historie
Vor Einführung der Entstrickungsvorschriften gab es keine allgemeinen Regelungen im Kontext der Entstrickungsbesteuerung; stattdessen galt die vom BFH entwickelte finale Entnahmetheorie, welche letztlich in 2008 aufgegeben wurde.
Einführung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG mit dem SEStEG: Mit dem SEStEG wurde sodann die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG eingeführt. Mit Umsetzung des vorgenannten Gesetzgebungsverfahrens wurde der Entstrickungstatbestand entsprechend der Gesetzesbegründung lediglich zur (nunmehr gesetzlichen) Klarstellung aufgenommen und soll der Sicherstellung
- der Aufdeckung und
- der Besteuerung
der in der Bundesrepublik Deutschland entstandenen stillen Reserven dienen.
Modifizierung durch das ATADUmsG: Jüngst ist durch das ATADUmsG eine Modifizierung erfolgt, durch die in § 4 Abs. 1 S. 3 Halbs. 2 EStG aufgenommen wurde, dass eine Entstrickung auf Antrag auch in den Fällen eintritt, in denen die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts entfällt und in einem anderen Staat eine Besteuerung auf Grund des Ausschlus...