[Ohne Titel]
Dipl. Fw. (FH) Pascal Bender
In Einspruchsverfahren bedarf es regelmäßig der Angabe bestimmter Tatsachen, Bezeichnung von Beweismitteln oder Vorlage von Urkunden. Kommt der Einspruchsführer dem nicht nach, so kann das FA eine Präklusionsfrist nach § 364b AO setzen. Der Beitrag beleuchtet Grundlagen der Präklusionsfrist und geht anlässlich ihres dreißigjährigen Bestehens der umstrittenen Frage nach, ob diese sich als taugliches Instrument des Verfahrensrechts bewährt hat.
I. Hintergrund und Normzweck
Rechtshistorie: Die Vorschrift § 364b AO ist durch das Gesetz zur einkommensteuerlichen Entlastung von Grenzpendlern und anderen beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen und zur Änderung anderer gesetzlicher Vorschriften (sog. Grenzpendlergesetz v. 24.6.1994, BGBl. I 1994, 1395 [1401]) in die AO eingefügt worden.
Gesetzesbegründung und Normzweck: Ausweislich der Gesetzesbegründung soll § 364b AO dem "Missbrauch des außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens zu rechtsbehelfsfremden Zwecken" entgegenwirken (BT-Drucks. 12/7427, 37). Hintergrund der Einfügung des § 364b AO war, dass in zeitlichem Zusammenhang mit dem Gesetzesvorhaben verstärkt Rechtsbehelfsverfahren geführt worden sind, in denen Steuererklärungen oder andere steuerlich relevante Unterlagen erstmals und mit erheblicher zeitlicher Verzögerung von zuweilen mehreren Jahren abgegeben worden sind (BT-Drucks. 12/7427, 37).
Diesem Umstand wollte der Gesetzgeber entgegenwirken, indem es dem FA die Möglichkeit einräumen wollte, dem Einspruchsführer eine Präklusionsfrist, innerhalb derer die entsprechenden Unterlagen einzureichen sind, da andernfalls grundsätzlich keine steuermindernde Berücksichtigung mehr erfolgen kann, zu setzen.
Umstrittenheit der Vorschrift: Trotz des mittlerweile dreißigjährigen Bestehens der Präklusionsvorschrift § 364b AO ist diese insb. im Schrifttum seit vielen Jahren höchstumstritten (vgl. zur Kritik etwa exemplarisch Koch/Schreiner, DStR 1998, 1197; von Wedelstädt, AO-StB 2002, 200; Müller, AO-StB 2005, 176; differenzierter hierzu Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 364b AO Rz. 2 f. [Feb. 2021]; Cöster in Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 364b AO Rz. 3).
II. Grundlagen der Präklusionsfristsetzung und vorgelagerte Rechtsfragen
1. Anwendungsbereich
Grundvoraussetzung Einspruchsverfahren: Damit eine Präklusionsfrist i.S.d. § 364b Abs. 1 AO überhaupt gesetzt werden kann, bedarf es eines anhängigen Einspruchsverfahrens. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut, nach welchem dem Einspruchsführer eine (Präklusions)-Frist gesetzt werden kann, als auch aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Siebenten Teil und Zweiten Abschnitt der AO, wo Verfahrensvorschriften des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens niedergeschrieben sind. Ist kein Einspruch anhängig, so kann folglich auch keine Präklusionsfrist vom FA gesetzt werden.
Ergänzender Charakter: Die Vorschrift § 364b AO ist als Ergänzung und Konkretisierung zu den allgemeinen Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren zu betrachten, wozu u.a.
- die Abgabe von Steuererklärungen und -anmeldungen (§§ 149, 150 AO),
- die generelle Mitwirkungs- und Auskunftspflicht (§§ 90, 93 AO), aber auch
- die Vorlagepflicht von Urkunden und anderen Beweismitteln (§ 97 AO)
gehören. Diese Vorschriften gelten nicht nur im Veranlagungs- oder Feststellungsverfahren, sondern sinngemäß auch im Einspruchsverfahren (vgl. § 365 Abs. 1 AO).
Keine Präklusionsfrist gegenüber Hinzugezogenen: Eine Präklusionsfrist kann nicht gegenüber Hinzugezogenen i.S.d. § 360 Abs. 1, 3 AO gesetzt werden, da diese zwar nach § 360 Abs. 4 AO dieselben Rechte geltend machen können wie der Einspruchsführer selbst, jedoch nicht Einspruchsführer sind und die Fristsetzung dem Wortlaut nach nur gegenüber Einspruchsführern erfolgen kann (zustimmend, dass Hinzugezogenen keine Präklusionsfrist gesetzt werden kann, dies jedoch nicht näher begründend Seer in Tipke/Kruse AO/FGO, § 364b AO Rz. 17 [Feb. 2021] und AEAO zu § 364b Nr. 2; zustimmend und hierzu ebenfalls auf den Wortlaut der Vorschrift abstellend Rätke in Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 364b AO Rz. 3).
2. Das Entschließungsermessen des FA als Ausgangspunkt
Entschließungsermessen des FA: Ob das FA im Rahmen eines anhängigen Einspruchsverfahrens von der Setzung einer Präklusionsfrist i.S.d. § 364b Abs. 1 AO Gebrauch macht, liegt aufgrund des Wortlauts der Norm ("kann") im pflichtgemäßen Ermessen des FA (§ 5 AO). Hierbei ist insb. der dargestellte Normzweck, dass die Vorschrift dem Missbrauch des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens vorbeugen soll, indem Stpfl. "ins Blaue hinein" Einspruch einlegen und z.B. weder ihre Beschwer konkretisieren noch entscheidungserhebliche Unterlagen beibringen, zu berücksichtigen.
Darlegung der Ausübung des Entschließungsermessens: Das FA wird bei Ausübung des Entschließungsermessens festzustellen haben, ob zumindest Anhaltspunk...