Ist ein GF als Minderheitengesellschafter an der GmbH beteiligt, kann er im Rahmen seiner satzungsmäßigen Rechtsmacht im Regelfall die Geschicke der Gesellschaft nicht durch seine – rechtlich gesicherte – Einflussnahme bestimmen. Dementsprechend ist ein derartiger Minderheitengesellschafter nicht in der Lage, ihm nicht genehme Weisungen in einem Anstellungsverhältnis als GF zu verhindern; er ist damit weisungsgebunden und abhängig beschäftigt i.S.d. § 7 Abs. 1 GmbHG.
Auch beim Minderheiten-GF ist eine familiäre Bindung oder eine besondere Bedeutung des Betroffenen für die Gesellschaft ("Kopf und Seele") nach der neuen Rechtsprechung des BGS ohne jede Bedeutung.
aa) Aktuelle BSG-Rechtsprechung: Rechtsmacht einräumende Satzungsregelungen
Nach der aktuellen BSG-Rechtsprechung erfordert eine weisungsfreie Tätigkeit eines Minderheitengesellschafters vielmehr, dass in der Satzung Regelungen zugunsten des Minderheitengesellschafters enthalten sind. Diese müssen ihm eine Rechtsmacht einräumen, die ihm
- nicht nur ermöglicht, ihm unliebsame Entscheidungen in seinem Anstellungsverhältnis zu verhindern,
- sondern darüber hinaus die Geschicke des Unternehmens in allen Bereichen mitzubestimmen.
Konkretisierung der BSG-Rechtsprechung: Mit dieser Entscheidung hat das BSG seine bisherige Rechtsprechung konkretisiert. Bislang hatte das BSG darauf hingewiesen, dass ein selbständiger Gesellschafter-GF "zumindest" ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können müsse. Dies soll nach der Erläuterung des BSG jedoch gerade nicht bedeuten, dass die erforderliche Rechtsmacht auf die ablehnende Haltung der Minderheitsgesellschafterin-GFin nur gegenüber Weisungsbeschlüssen der Gesellschafterversammlung reduziert werden kann. Allein die Rechtsmacht, in der Gesellschafterversammlung Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen (oder diesen zu verhindern), reicht daher noch nicht, um die Geschicke des Unternehmens in allen Bereichen mitzubestimmen. Selbständigkeit erfordert eine sich
- schon formal
- auf die gesamte Unternehmenstätigkeit
- erstreckende Sperrminorität.
Der selbständig tätige Gesellschafter-GF muss daher in der Lage sein, einen maßgeblichen Einfluss auf alle Gesellschafterbeschlüsse auszuüben und dadurch die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend mitbestimmen zu können. Ohne diese Mitbestimmungsmöglichkeit ist der Minderheitsgesellschafter-GF nicht im "eigenen" Unternehmen tätig, sondern in weisungsgebundener (vgl. § 37 GmbHG), funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert. Beachten Sie: Deshalb ist eine "unechte" – nur auf bestimmte Gegenstände begrenzte – Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln.
Um eine abhängige Beschäftigung eines Minderheitsgesellschafter-GF einer GmbH nach § 7 Abs. 1 SGB IV zu verhindern, muss damit eine Rechtsmacht begründet werden, die ihm nicht nur bei allen Beschlüssen der Gesellschafterversammlung eine Sperrminorität einräumt, sondern die auch die gesamte Unternehmenstätigkeit erfasst.
Konkret muss der GF
- Gewinnchancen und Unternehmerrisiken mitbestimmen und
- damit auf die gesamte Unternehmenstätigkeit einwirken können.
Dazu gehört insbesondere die dem Unternehmenszweck Rechnung tragende Bilanz-, Finanz-, Wirtschafts- sowie Personalpolitik. Beachten Sie: Daher reicht es für die erforderliche Rechtsmacht nicht aus, wenn eine Sperrminorität nur für bestimmte, im Einzelnen im Gesellschaftsvertrag aufgeführte Angelegenheiten besteht – auch wenn diese (fast) die gesamte Unternehmenstätigkeit ausmachen sollten.
Minderheitengesellschafter = nahezu Gleichstellung mit Mehrheitsgesellschafter: Damit verlangt das BSG nunmehr – hinausgehend über die bisherige Rechtsmacht zur Verhinderung nicht genehmer Weisungen – zusätzlich eine weitgehende Gestaltungsmacht, wenn der Minderheitengesellschafter über die Einräumung von Vetorechten noch zu einer weisungsfreien Tätigkeit kommen soll. Mit dem neuen Erfordernis der Sperrminorität, die sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckt, muss damit der Minderheitengesellschafter satzungsmäßig nahezu einem Mehrheitsgesellschafter gleichgestellt werden.
Unentziehbare Ausgestaltung dieses Rechts: Zudem muss dieses Recht zugunsten des Minderheitengesellschafters unentziehbar gestaltet werden.
Nicht ausreichend sind damit auch Satzungsregelungen, die den Minderheitengesellschafter vor einer jederzeitigen Abberufbarkeit des Gesellschafter-GF und einer Einschränkung der Vertretungsmacht schützen:
- Zum einen besteht immer die nicht entziehbare Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund gem. § 37 Abs. GmbHG, so dass ein sanktionsloses Ignorieren von Gesellschafterweisungen bereits nicht denkbar ist.
- Zum anderen reichen derartige Sonderrechte auch nicht aus, um die Geschicke des Unternehmens mitzubestimmen, und ändern nichts daran, dass Selbständigkeit eine umfassende Gestaltungsmöglichkeit erfordert.
Beraterhinweis Die verlangte Gestaltungsmacht ist allein durch eine auf die reine Verhinderung von Beschlüssen gerichtete Spe...